Das MMORPG Dark Age of Camelot erschient 2002 in Europa und ist heute noch für viele Veteranen das Online-Rollenspiel mit dem besten PvP. MeinMMO-Autor Schuhmann blickt im Oktober 2023 auf seine Zeit in DAOC zurück und erklärt, was MMORPGs von heute von DAOC lernen können.
DAOC erschien in der Frühzeit des Internets in Deutschland, viele hatten damals noch nicht mal eine Internet-Flatrate. Online-Spiele gab es da zwar schon, das waren aber oft Shooter wie Team Fortress oder vielleicht sowas wie Age of Empires.
Nur die wenigsten, die damals Dark Age of Camelot spielten, hatten schon Erfahrung aus MMORPGs wie Everquest oder Ultima Online – das waren die Veteranen, die ein bisschen Ahnung hatten, zu denen hat man aufgeblickt.
Aber für viele, die in Deutschland mit Dark Age of Camelot starteten, war es das erste MMORPG. Für mich war es das jedenfalls: Erfahrung mit Onlinespielen hatte ich vorher nur in Diablo 2 gesammelt, das kurz vorher erschienen war. Rasch landete ich in einer Gilde von Leuten, die zwar schon eine Weile DAOC auf dem US-Server gespielt hatten, sich aber hauptsächlich aus Team Fortress kannten.
Autoplay
Ein Spieler mit Ahnung konnte 80 Neulinge aufhalten
Der eine Typ in unserer Gilde der Ahnung hatte, ein Ranger namens Lorin, hatte schon Erfahrung in Everquest gesammelt und wusste Dinge, die uns anderen damals völlig fremd waren: Etwa, dass man in einem frischen MMORPG voller Noobs am besten einen Bogenschützen spielt, weil der alleine leveln und PvP bestreiten kann.
PvP war in Dark Age of Camelot ohnehin das große verbindende Element: Denn die 3 Reiche des MMORPGs teilten sich gemeinsame Grenzlande mit Burgen, die man erobern oder verteidigen konnte. So ein Waldläufer, der wusste, was er tut, konnte damals eine Burg gegen 40, 60 oder 80 ahnungslose Neulinge halten, die sich aus irgendeinem Grund mal aufmachten, so eine Burg zu erobern.
Ich hab viele schöne Erinnerungen an die frühe Zeit im MMORPG. DAOC hatte einige Besonderheiten, die man heute nicht mehr kennt: So hatte jedes Reich verschiedene Version von Archetypen:
Der Jäger des Reichs Albion hatte etwa einen Schild
der von Midgard besaß ein eigenes Pet und konnte einen Speer nutzen
der Jäger in meinem Reich Hibernia nutzte zwei Klingen und da 2002 noch mitten im „Herr der Ringe“-Hype war, hab ich wahrscheinlich mehr falsch geschriebene Varianten von „Legolas“ gesehen, als gesund für mich war
“Setz dich nicht hin – Garf ist in der Nähe”
In realmweiten Chats konnte man damals lesen, wenn sich ein Kundschafter der Gegner, ein Typ namens Sam, wieder vor den Grenzen unseres Reichs rumtrieb und niedrig-levelige Spieler tötete, die arglos Mobs in den Grenzland farmen wollten.
Das Reich der Zwerge, Trolle und übelriechender Wikinger, Midgard, hatte aber die coolsten Klassen: So hieß deren Schurkenvariante „Shadowblade“ und konnte Zweihandwaffen benutzen. Ein Spieler Midgards, ein Nordmann namens Garf, hatte rasch den Ruf ein tödlicher Attentäter zu sein, denn er schlich durch die Reihe der Feinde und tötete am Boden sitzende Magier aus dem Verborgenem.
Magier, damals zärtlich “Stoffies” genannt, starben mit einem einzigen Schlag seiner Zweihandwaffe: Bei „One-Hits“ blieben Attentäter unsichtbarer und so ging rasch die Panik unter den Spielern um, sich bloß nicht hinzusetzen und Mana zu regenerieren, denn sicher war „Garf“ irgendwo – und wer saß, den traf ein Schlag grundsätzlich kritisch. Und mit so einer Zweithandwaffen kamen da schon mal richtig hohe Werte bei raus.
Spieler rannten dann durch die Gegner und spammten Bereichszauber, nur um Garf zu erwischen – meist vergeblich. Später machte sich ein kleiner Lurikeen aus unserem Reich einen Namen, weil er zuverlässig den bösen Garf aufspüren und ausschalten konnte.
Über Foren und mIRC erfuhr man, was in den anderen Reichen passierte
Normalerweise erfuhr man in DAOC nur das, was in seinem eigenen Reich passierte: Weil die Verteidigung des Reiches gegen einfallende Horden so wichtig war, hatte man rasch auf dem Schirm, wer die „starken Gilden“ waren, die man in der Not zur Verteidigung rufen konnte: Es war klar, mit welchem Gildenleiter man sich gut stellen musste und welche Gilde den Ruf hatte, unzuverlässig zu sein, weil sie ihr eigenes Ding machten und sich nicht mit anderen abstimmten.
Rasch wusste man auch, dass man diesen einen Gildenleiter besser nicht nach 20:00 Uhr anschrieb, weil er da in der Regel einen sitzen hatte und launisch reagierte.
Doch obwohl man rasch die Trinkgewohnheiten eines Fremden im eigenen Realm bis ins kleinste Detail kannte, wusste man von den Gegnern fast nichts: Man konnte nur den Namen lesen, wenn ein Spieler einen anderen getötet hatte. Da am Anfang noch viele völlig planlos waren, rückten die wenigen Veteranen in den Vordergrund, die schon in anderen MMORPGs gelernt hatten, wie man richtig levelt und spielt.
So gab es damals eine Gruppe von Spielern, die schon alleine deshalb übermächtig schienen, weil sie nicht jeder einzeln liefen, sondern zu dritt zusammenspielten: Es waren ein Thane, eine Art „magischer Krieger“, der – unfair! – eine private Heilerin dabei hatte und einen Zwerg mit einer viel zu großen Axt.
Gegen die hatte man als einsamer Wolf einfach keine Chance, denn die Kämpfer beschützten die Heilerin und die Heilerin machte den Kriegern immer wieder die Lebenspunkte voll. Viel später hab ich erfahren, dass die 3 privat befreundet waren: Ein Paar und ein Freund des Mannes – sie waren gemeinsam schon durch einige MMORPGs gezogen.
Ohnehin lernte man die Gegner rasch in Foren und gemeinsamen Chats kennen. In mIRC, einer Art Discord für Neandertaler, sprach man miteinander, frotzelte einander und beschwerte sich gemeinsam über die Balance, weil immer das andere Reich viel zu stark war.
Besonders schlimm wurde es, als später Add-Ons kamen und Entwickler Mythic die Erweiterungen darüber verkaufte, dass man die neuen Klassen grundsätzlich so stark machte, dass sie Gegner in den Boden stampften als “Flavor of the Month”-Klasse verspottet wurden.
Ob objektiv Mythic wirklich so berechend war und jede neue Klasse grundsätzlich overpowered war, kann ich heute nicht mehr beschwören. Nach Jahren als Gaming-Journalist bin ich skeptisch, wenn ich solche Theorien von Spielern lese. Aber damals fand ich das unverschämt von Mythic, empörend und allgemein einen Skandal – und ich hab mich gut dabei gefühlt, das so zu sehen.
Spieler, die aus ihrem Reich, in ein anderes wechselten, nannten wir “Winning Team Joiner” – das war fast so verpönt wie Leute, die “Flavor of the Month”-Klassen spielten.
Man hörte Geschichten von reichen Schmieden und mächtigen Anführern
Man hörte Geschichte über einen Spieler in einem Reich, der einen „Zerg“ anführte: Jeder wusste, dass man diesem Spieler im PvP folgen konnte, um dann in der Sicherheit der Masse von Tor zu Tor zu ziehen und Feinde zu überrollen.
Oder man hörte die Geschichte von einem Spieler, der zum mächtigsten Schmied seines Reiches aufgestiegen war und der so gute Klinge schmiedete, dass jeder eine von ihm wollte, denn der Name des Schmieds zierte die Klingen in DAOC.
Das Gold, das man ihm für ein Schwert gab, so munkelte man, konnte man auch gleich für echtes Geld bei ihm kaufen.
In unserem Reich machte sich ein Barde, der im richtigen Leben Polizist war, einen Namen dadurch, dass er den Drachen als erster weltweit tötete – dabei war er kein sonderlich guter Spieler: Er hatte die Drachenjagd einfach zum „Event“ erkoren, war mit zweihundert Leute durch die Zone gewalzt und hatte den Drachen in riesigem Lag zu Tode „gezergt“. Das lag an einer Spiel-Mechanik in DAOC, bei der Feinde umso leichter zu treffen waren, umso mehr Spieler auf ihn eindroschen.
Später kam eine Klasse, die Pilze beschwören konnte, die dann auch als Angreifer zählten: Und eine Handvoll Pilz-Typen konnten jene Monster killen, für die man damals noch ein habes Dorf brauchte.
Als ich mich mal zum Raidleiter aufschwingen wollte, eigentlich nur um an ein bestimmtes Leuchte-Schwert zu kommen, das ich unbedingt wollte, ging das furchtbar schief: Zwar lief das „Durchzergen“ durch den Raid Darkness Falls problemlos: Bevor man das PvE im Raid machen konnte, fegte man erst die Gegner des feindlichens Reichs aus dem Raid. Das war kein Problem und auch der Boss „Legion“ starb wie geplant.
Selbst das begehrte Schwert droppte, aber das steckte dann ein Typ einfach ein und weigerte sich, es rauszurücken, obwohl nach damaligem Brauch dem Raidleader ein Item zustand, wenn er das vorher angesagt hatte.
Er sei doch kein Idiot, das Schwert bringe so viel Geld auf eBay, schrieb er, was einigen Wirbel im Forum damals verursachte, galt „Ninja-Looten“ doch als verpönt.
Im MMORPG DAOC war man noch wer
Der Unterschied zu modernen MMORPGs war vor allem, dass DAOC eine begrenzte Erfahrung war: Ein Reich war auf wenige tausend Spieler begrenzt. Sowas wie Mega-Server kannten wir nicht. Durch die gemeinsame Bedrohung durch fremde Reiche oder gemeinsame Ziele, wie den Tod des Drachen, war die Gemeinschaft wichtig.
Es gab keinen anonymen Raidfinder, keine vernünftigen Mechaniken, um Loot gerecht zu verteilen, es gab keine Battlegrounds oder Arenen, in denen strukturiertes PvP möglich war, letztlich war DAOC ein MMORPG, bei dem man viel persönlich klären musste und in denen Kontakte und der Ruf eines Spielers wichtig waren.
Was DAOC wirklich besser machte, als Online-Rollenspiel von heute, war es, den Spielern das Gefühl zu geben, jemand in dieser Welt zu sein. Was heute Influencer wie Asmongold im Großen sind, waren damals eine Vielzahl von Spielern im Kleinen: Natürlich hat schon auf dem Nachbarserver keiner gewusst, wer Garf ist, der garstige Shadowblade, wegen dem sich niemand hinsetzen kann – aber auf unserem Server für eine gewisse Zeit war er jemand.
Das war schön.
Seit vielen Jahren ist mit “Camelot Unchained” ein Nachfolger im Geiste zu DAOC geplant, da läuft aber einiges nicht nach Plan:
MMOPRG Camelot Unchained ist seit Jahren in Entwicklung – Stimmung ist offen feindselig