Der US-Komiker Bill Burr knöpft sich im neuen Film „Old Dads“ auf Netflix die Generation Y, die Millennials, vor, und beschäftigt sich mit dem weichgespülten und überkorrekten Zeitgeist. Dabei sehen aber auch seine „Boomer“-Freunde nicht sonderlich glücklich aus.
Darum geht’s in Old Dads: Jack Kelly wurde mit 46 Vater, ist mittlerweile 51 und das zweite Kind ist unterwegs. Wegen seines 5-jährigen Sohns muss er sich ständig mit 30-jährigen Eltern herumschlagen, die ganz andere Ansichten zur Welt, zum richtigen Verhalten und der Kindererziehung haben als er.
Eigentlich lief sein Leben bis hierhin hervorragend: Er hat mit 2 Jugendfreuden, Connor und Mike, eine gemeinsame Firma aufgebaut, die Retro-Trikots verkauft, er liebt seine Frau, seinen Sohn und mit seinen gelegentlichen Wutausbrüchen scheinen sich alle mehr oder weniger arrangiert zu haben. Natürlich treiben ihn Scooter-Fahrer, die „Share the road“ brüllen, während sie die Straße blockieren, zur Weißglut – aber was soll’s?
Die meisten Highlights des Films sind bereits im Trailer verbraten:
Autoplay
Um seinem Sohn die Privat-Schule zu finanzieren, haben die 3 Freunde ihre coole Firma verkauft und lernen jetzt einen 30-jährigen Boss kennen, der zur Begrüßung erstmal alle feuert, die älter als 35 sind. Auch sonst scheinen sich plötzlich Brüche im Leben der Männer aufzutun:
Jack gerät mit der Direktorin des ultra-woken Kindergartens aneinander, die ihm „auf ganz sanfte Art“, mitteilt, dass sie ihn für einen aus der Zeit gefallenen Neandertaler hält und ihn kalt lächelnd dazu zwingt, verschiedene Erniedrigung-Rituale durchzuführen.
Der alternde Frauenschwarm Connor (Bobby Cannavale) steht unter der Fuchtel seiner Frau und träumt davon, so cool zu sein, dass er mit jungen Schwarzen ein Gespräch führen kann, das nicht total peinlich ist. Aber wer kann cool sein, wenn ihn die Frau nur mit einem Fingerschnippen rumkommandiert?
Mike (Bokeem Woodbine) hat eigentlich seine Schäfchen im Trockenen: Er hat 2 Kinder auf dem College, ist geschieden, und mit einer viel zu jungen, viel zu heißen Frau zusammen, die ihm plötzlich sagt, sie sei schwanger. Dabei hat er doch schon lange eine Vasektomie machen lassen.
Ein Comedy-Programm wird zum Kinofilm
Das ist das Besondere an Old Dads: Wer den Komiker Bill Burr kennt und schätzt, der wird auch den Film mögen. Denn der Film setzt Burrs Comedy-Programme in Szene.
In einem Comedy-Programm erklärte Burr einmal, dass Frauen den Streit mit ihren Männern gewinnen, indem sie die Männer solange reizen, bis denen das C-Wort herausrutscht, im Englischen ein Tabubruch. Dann hätten sie den Streit automatisch gewonnen. Genau dieses Wort bringt auch Jack Kelly in ein unlösbares Dilemma.
Old Dads ist der Kampf eines Mannes, der die Deutungshoheit über die Realität verliert, und sich plötzlich mit 30-Jährigen konfrontiert sieht, die alles infrage stellen, woran er glaubt und was aus seiner Sicht doch völlig logisch ist – und irgendwie hat er auch keine guten Argumente. Denn es geht den 30-Jährigen immer um Gefühle und Gefühle kann er nicht.
In den schönsten Szenen des Films spürt man die Verzweiflung von Jack Kelly, wenn Millennials sowas sagen wie: „Ich war zwar nicht dabei, aber fühle mich unheimlich verletzt“ oder „Das C-Wort ist das N-Wort für Frauen.“
Wie sagt man, dass man noch relevant und cool ist, dass man noch was zu sagen hat, wenn man in den Augen der anderen, jetzt mal langsam Platz für Neues machen soll? Burr lebt in konstanter Angst davor, der Onkel auf der Familienfeier zu sein, der allen irgendwie peinlich ist und den man besser nicht nach bestimmten Dingen fragt.
Für jemanden, der gewohnt ist, das zu sagen, was ihm gerade in den Sinn kommt, weil er sonst explodiert, kommt diese Welt der Hölle gleich:
„Ihr habt Angst davor, in Schwierigkeiten zu geraten, das ist das Problem eurer ganzen Generation“, brüllt seine Figur an einer Stelle verzweifelt.
Aber, wie bei seinen Comedy-Programmen, merkt man, dass Burr immer wieder einen kritischen Blick auf sich selbst und seine Generation wirft. Denn so richtig gut kommen Burr und seine Altersgenossen nicht weg: Da ist viel Duckmäusertum zu sehen. Moderne Dinge findet man total bescheuert, ohne sich je damit beschäftigt zu haben.
Probleme werden ausgesessen, es wird immer über dasselbe, hauptsächlich über andere, gespottet, und die meisten Schwierigkeiten würden sich von selbst erledigen, wenn man nur mal 3 Minuten die Schnauze halten und die Wut herunterschlucken würde. Aber das geht halt nicht.
Letztlich bleiben alle anderen Figuren außer den drei Männern etwas blass: Die „30-Jährigen“ sind bloße Karikaturen, die existieren, damit sie Dinge sagen können, die Burr zur Weißglut treiben. Auch die Partnerinnen der drei Helden werden nur in Ansätzen gezeichnet: Die Normale, die Zickige, die Coole. Wenigstens die Antagonistin, eine intrigante Kindergarten-Direktorin, ist mit jedem Satz herrlich passiv-aggressiv.
Highlight des Films sind klar die Dialog-Szenen, in denen Bill Burr mit genau der Comedy glänzen kann, für die ihn seine Fans seit Jahren lieben: Selbstbeobachtung, plötzliche Wutausbrüche über Nichtigkeiten und immer wieder ein ironischer Bruch des eben Gesagten.
Da freut sich Kelly, dass ihm bei einem nichtigen Streit darüber, ob Vapen als Rauchen gilt oder nicht, eine Passantin zustimmt. Endlich mal eine Vernünftige!, scheint Kelly zu denken, bevor sich die Passantin als üble Rassistin entpuppt.
In der Geschichte von MeinMMO haben wir einmal über Bill Burr berichtet. Da bekam ein Twitch-Streamer ziemlich viel Ärger, als er einen Gag des Komikers wiederholte: