MeinMMO-Dämon Cortyn hat ein Hühnchen mit Blizzard zu rupfen. Denn die neuen Tier-Sets in World of Warcraft zwingen zu Spielstilen, die einfach keinen Spaß machen.
Wer mich ein wenig kennt, der weiß, dass ich seit „The Burning Crusade“ in World of Warcraft vor allem eine Klasse und Spezialisierung mit Leidenschaft spiele: der Schattenpriester.
Ich liebe die Klasse einfach. Ich mag den düsteren Look, mir gefiel die Story rund um Xal’atath und ich bin absoluter Fan von den gruseligen Sound-Effekten, die man während der Leerengestalt zu hören bekommt.
Der Schattenpriester im Laufe der Jahre
Die Spezialisierung hat im Laufe der Jahre viele Wandlungen durchgemacht – sowohl thematisch als auch vom Spielstil und Nutzen für die Gruppe.
Was am Anfang ein „akzeptabler“ Damage Dealer war, den man vor allem als Manabatterie mitgenommen hat, wurde später der Meister der Multi-Dots und ab und an im PvP eine absolute Pein. Ich bin zwar auch ein Gewohnheitstier, aber die meisten Änderungen fand ich gut und sinnvoll. Die Klasse wurde komplexer, der Spielstil vielseitiger.
Vor allem in der letzten Saison war der Schattenpriester über weite Strecken extrem stark – das lag an krassen Synergien mit der neuen Verstärker-Spezialisierung der Rufer und vor allem auch am Seele der Macht („Power Infusion“), ein starker Tempo-Buff für den Priester und ein ausgewähltes Gruppenmitglied.
Weil das gerade in Verbindung mit der „God Comp“, also der bestmöglichen Gruppe für Mythisch+ in der vergangenen Saison ein Problem war, gab es einige Nerfs. Manche waren angebracht, andere erachte ich (und viele andere Schattenpriester) als unsinnig und nicht zielführend.
Das Ende der Auswahl – Talentzwang dank Tier-Set
Den Vogel abgeschossen hat für mich jetzt allerdings das neue Tier-Set aus dem Raid Amirdrassil, Hoffnung des Traums.
Die Tier-Sets in ihrer aktuellen Ausgestaltung sind „schwierig“, da sie genau entgegengesetzt zu dem laufen, was Blizzard durch die Einführung der neuen Talentbäume eigentlich erreichen wollte.
Mit den neuen Talentbäumen haben sich die Entwickler viel Zeit genommen und versucht, möglichst allen Klassen und Spezialisierungen unterschiedliche Spielstile zu ermöglichen.
Doch gerade beim Tier-Set aus dem neusten Raid und speziell beim Schattenpriester ist das einfach nicht mehr die Wahrheit:
2er Bonus: ‘Schattenwort: Tod’ wird 2 weitere Male mit einer Effektivität von 15 % ausgelöst. Wird zusätzlich 1 weiteres Mal ausgelöst, wenn der Todessprecher aktiv ist oder die Gesundheit eures Ziels geringer als 20 % ist.
4er Bonus: Jedes Mal, wenn ihr Schaden durch ‘Schattenwort: Tod’ erleidet, erhaltet ihr einen Stapel von ‘Todesqual’, was den Initialschaden eures nächsten Einsatzes von ‘Schattenwort: Schmerz’ um 225 % oder den Schaden eures nächsten Einsatzes von ‘Schattengeschoss’ um 50 % erhöht. Bis zu 12-mal stapelbar.
Die Tier-Set-Boni sind so speziell für die Fähigkeit „Schattenwort: Tod“ gemacht, dass es schlicht keinen Sinn ergibt, diese Fähigkeit nicht im Talentbaum zu verbessern.
Das wiederum zwingt den Schattenpriester allerdings in eine sehr enge Talentauswahl. Denn Schattenwort: Tod taucht auch in einigen anderen Talenten auf. Logisch: Wenn man Schattenwort: Tod verbessert, dann muss man zwangsläufig auch die Talente nehmen, die von einem verbesserten Schattenwort: Tod profitieren.
Im Grunde muss man also die „linke Spalte“ des Talentbaumes skillen, also den Geistbeuger (eine beschwörbare Schattenbestie) und das an ihn geknüpfte Talent, das ihn bei jeder Verwendung von Schattenwort: Tod ein wenig AoE-Schaden machen lässt und gleichzeitig seine Dauer verlängert wird.
Hinzu kommt auch noch, dass wirklich jeder ernstzunehmende Guide mir nun dazu sagt: Schmeiß die Leereneruption raus und ersetze sie gegen „Dunkler Aufstieg“ – einen Buff, der den Schaden von Fähigkeiten (wie Schattenwort: Tod) weiter erhöht.
Die Leereneruption ist seit Legion mein absoluter Lieblingszauber. Es gibt keine Fähigkeit im ganzen Spiel, die ein so gutes Gefühl auslöst wie diese „Erhebung“ des Schattenpriesters in seine Leerengestalt. Die Sound-Effekte, die geschleuderten Schattenpartikel, die Zauberanimation – einfach alles fühlt sich rund und gut an. Es ist eine Taste, die man drückt und bei der man sich dann einfach mächtig fühlt – unabhängig von den tatsächlichen Zahlen, die am Ende dabei rumkommen. Die Leereneruption trägt maßgeblich dazu bei, dass sich meine Schattenpriesterin eben wie „meine“ anfühlt.
Aktuelle Guides sind sich da auch leider recht einig. Das ist keine Geschmacksfrage mehr, ob ich die Leereneruption behalten sollte oder nicht – in Verbindung mit dem Tier-Set ist sie einfach nicht zu gebrauchen und verblasst gegen die deutlich effektlosere Alternative, bei der ich albern blinkende Flügelchen auf dem Rücken trage. Ja, danke.
Klar kann man jetzt sagen: Dann spiel das doch nicht. Skill wie du willst und nimm einfach nur die Talente, die Spaß machen, selbst wenn sie gar nicht zum Tier-Set passen. Das ist zwar ein schöner Gedanke, aber eben wenig praktikabel.
Ich gehe immerhin regelmäßig Raids besuchen und bin auch in meiner Gilde in höherstufigen „Mythisch+“-Dungeons unterwegs. Mir ist meine Leistung wichtig. Ich will ein wertvoller Teil der Gruppe sein und nicht jemand, der mitgeschleppt und belächelt wird.
Das ist ein indirekter, sozialer Zwang – und zwar einer, der nicht sein müsste, wenn das Tier-Set nicht dafür sorgen würde, dass eben nur noch eine ganz bestimmte Spezialisierung überhaupt taugt.
Wie kann man die Vielseitigkeit erhalten?
Die ganze Idee von vielseitigen, flexiblen Klassen mit einer großen Auswahl an Talenten ist hinfällig, wenn im Endgame dann ein Tier-Set existiert, das im Grunde sagt: „Skill X oder du spielst deine Klasse falsch“.
Ich sehe hier auch nur wenige gute Lösungen, die das Problem beheben könnten:
Tier-Set-Boni werden wieder abgeschafft. Ja, ich höre euch schon laut schreien.
Tier-Set-Boni werden allgemeiner und geben allgemeingültige Vorteile.
Jede Spezialisierung bekommt mehrere Tier-Set-Boni, aus denen man wählen kann und die unterschiedliche Talente beeinflussen.
Mir ist klar, dass keine dieser Lösungen optimal ist und in jedem Fall mehr Arbeit von Blizzard benötigen würde. Aber es ist auch nicht meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die verschiedenen Talente entsprechend gewürdigt werden. Das ist Aufgabe der Entwickler.
Ich kann nur feststellen, dass Blizzard mir mit dem aktuellen Tier-Set „meine“ Schattenpriesterin weggenommen hat. Spaß macht mir die alte Spezialisierung, die nach des Erhalts des Tier-Sets keinen spielerischen Sinn mehr ergibt.
Ich hoffe, dass es da für The War Within eine bessere Lösung gibt und Tier-Sets wieder zu etwas werden, auf das ich mich freuen kann – denn aktuell sorgen sie jedes Mal nur für ein genervtes „Wie muss ich meinen Spielstil jetzt wieder anpassen?“