Der Internet-Mob hat mal wieder eine Entwicklerin verjagt – Ich hoffe, ihr schämt euch

Die Entwicklerin von „The Coffin of Andy and Leyley“ wurde aus dem Internet vertrieben. Der Grund? Trans-Feindlichkeit und Tabubrüche in ihrem Spiel.

Wer meine Beiträge liest, der weiß, dass ich auch gerne mal in kuriose Spiele reinschnupper. Egal ob das sonderbare Pony-Horror-Spiele sind, seltsame Sukkubus-Gewaltexzesse oder Visual Novels mit richtig bösartigem Ausgang.

Mein letztes derart „besonderes“ Spiel war „The Coffin of Andy and Leyley“, dessen erste beiden Kapitel ich verschlungen habe. Es ist ein Spiel mit tollen Charakteren, exzellenter Story und einigen spannenden Tabubrüchen, die zu den sonderbaren Charakteren passen – es geht unter anderem um Kannibalismus und auch eine sich anbahnende, inzestuöse Beziehung.

Ich habe jede Minute des Spiels geliebt. Ich mochte die Tabubrüche, ich fand die Geschichte spannend und sie hat mich die ganze Nacht nicht losgelassen. Es war eine abgedrehte Mischung aus Psycho-Horror mit kleinen Rätseln und toller Story.

Tja, doch offenbar können wir im Internet einfach keine guten Dinge haben. Denn im Steam-Forum des Spiels hat der Publisher die folgende Nachricht gepostet:

Auf Anfrage der Hauptentwicklerin hat Kit9 Studio den Titel The Coffin of Andy and Leyley übernommen. Unser Team aus Freelancern wird das Programmieren, das Community-Management, die Kunden-Betreuung, laufende Verträge und Rechtsstreitigkeiten übernehmen. Die ursprüngliche Entwicklerin wird weiterhin die Kunst und Story zum Spiel beitragen. Wir werden unser Bestes unternehmen, um sie zu unterstützen, das Spiel zu erschaffen, das sie erschaffen will.

Bedauerlicherweise hat die Entwicklerin sich dazu entschieden, ihre Online-Aktivitäten dauerhaft und vollständig einzustellen. Die beste Möglichkeit, um eure Unterstützung zu zeigen, ist es, indem ihr die Diskussionen auf das Spiel lenkt und nicht auf die Entwicklerin. Sie möchte in Ruhe gelassen werden.

Es wird keine Kommunikation oder Weitergabe an Informationen an die Entwicklerin von hieran geben. Sie hat sich dazu entschieden, komplett im Dunkeln zu bleiben und die Arbeit zufrieden offline fortzusetzen.

Abgesehen davon, dass Kit9 Studio die Rolle als Besitzer und Publisher übernimmt, wird die Entwicklung von The Coffin of Andy and Leyley ohne Planänderungen fortgesetzt. (…)

Als ich das gelesen habe, ist mir erstmal die Kinnlade heruntergefallen. Ich hatte schon beim Release mitbekommen, dass die Entwicklerin mit einiger Kritik gerechnet hatte und sogar geahnt hat, dass sich Leute aufregen werden.

Die Mutter schaut kritisch – denn Leyley macht sich an ihren Bruder Andy ran.

Wie kam es dazu? Die genauen Gründe für das Zurückziehen der Entwicklerin zu finden, ist nicht so ganz einfach, da viele der Beiträge inzwischen gelöscht wurden. Zusammengefasst lässt sich aber wohl sagen:

Einige Nutzer der Plattform „Soyjack Party“, in vielen Bereichen quasi eine widerliche Mischung aus Twitter und 4chan, haben die Entwicklerin massiv beleidigt und bedroht. Der Grund dafür ist zum einen die Inzest-Beziehung, die im Spiel bisher nur angedeutet wird (und aktiv vom Spieler herbeigeführt werden muss) und die Vermutung, dass es sich bei der Entwicklerin Nemlei um eine Transfrau handelt.

Ja, das reicht offenbar schon, um Leute massiv zu attackieren.

Neben Morddrohungen soll auch Doxing stattgefunden haben – also das Veröffentlichen von RL-Informationen, wie etwa der Wohnadresse.

Es wurde also ein Umfeld der Angst geschaffen, um die Entwicklerin so stark einzuschüchtern, dass die Entwicklung an dem Spiel eingestellt wird.

Das ist zwar (zum Glück) nicht gelungen, aber jemanden dazu zu bringen, sich aus dem Internet vollkommen zurückzuziehen und nicht einmal mehr mit den Fans sprechen zu wollen, ist schon ein ziemliches Brett.

Man sollte bedenken, dass wir hier von einem Spiel reden, dessen Inhalte zwar (durchaus berechtigt) kontrovers diskutiert werden, aber das auf Steam über 97 % positive Bewertungen hat – es ist einfach ein gutes, durchdachtes Spiel.

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The Coffin of Andy and Leyley war für mich eine der „kleinen großen“ Überraschungen des Spiele-Jahres 2023 und gehört definitiv zu den interessantesten Games, die ich in diesem Jahr spielen durfte. Dass man in bester Twitter-Mob-Manier versucht hat, eine Entwicklerin mundtot zu machen, nur damit ein Spiel nicht weiterentwickelt wird, zu dessen Konsum niemand gezwungen wird, ist vor allem eines: Ein Armutszeugnis für alle, die dazu beigetragen haben. Ihr seid echt ganz arme Würstchen.

In diesem Sinne: Ganz große Leistung, mal wieder jemanden aus dem Internet vertrieben zu haben. Ich hoffe inständig, dass alle Verantwortlichen ihre gerechte Strafe bekommen.

Vor einigen Monaten wurde schon in einem anderen Fall eine Frau aus dem Internet vertrieben – eine Synchronsprecherin des JRPG-Hits Persona 5.

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