Chefredakteurin Leya erinnert sich, wie sie früher von League of Legends besessen war.
Wir schreiben das Jahr 2016 und ich bin 26 Jahre alt.
Ich befinde mich in der Dachwohnung meines Ex-Freundes, von wo aus ich das Panorama der holländischen Stadt Leeuwarden überblicke. Es ist Hochsommer und ich sehe die Vorgärten der typischen kleinen Häuser mit den großen Fenstern blühen.
Ich studiere Marketing in Holland, habe wenig Geld, aber mehr Freizeit als heute. Zu der Zeit spiele ich verdammt viel League of Legends. Mein PC, der aus alten gespendeten Hardware-Komponenten aus meinem Freundeskreis besteht, schafft das Spiel locker und es ist kostenlos.
Ich spiele League of Legends aber nicht nur, weil es auf schwacher Hardware gut genug läuft und in mein Studentenbudget passt. Kein anderes Spiel hat es geschafft, mich so in diesen konstanten Tunnel zu ziehen, in dem ich ein Match nach dem anderen spiele und alles um mich herum vergesse.
Immer auf der Jagd nach dem nächsten Gewinn und dem nächsten besseren Platz in der Rangliste.
Wenn das Wasser zu den Füßen läuft
Mein damaliger Freund arbeitete bereits und verließ jeden Tag für mehrere Stunden die Wohnung, um im Büro an Videospielen zu arbeiten.
Während ich an meinem Kaffee nippe und noch überlege, ob ich mich an meine Hausarbeit für die Uni setzen soll, habe ich unbewusst schon den Client für League of Legends geöffnet. Es ist niemand online, den ich kenne, aber ich habe Lust, die Rangliste zu erklimmen. Ich beginne allein, nach einem Match zu suchen.
Mein Kaffee ist leer und ich brauche die Tasse jetzt nicht mehr. Ich gehe in die Küche und stelle sie ins Spülbecken. Damit der Kaffeesatz nicht eintrocknet, drehe ich den Wasserhahn auf und fülle die Tasse mit Wasser. Währenddessen bin ich in Gedanken schon beim Spiel und überlege, welchen Champion ich spielen möchte.
Ich höre das markante Ping, das mir sagt, dass ich ein Spiel gefunden habe. Schnell laufe ich zum PC, um das Match anzunehmen, setze meine Kopfhörer auf und schon bin ich mitten in einem Spiel.
Ich kann nicht sagen, wie lange ich spiele. Ich bin im Sog und spiele ein Match nach dem anderen.
Irgendwann spüre ich etwas Nasses an meinen Füßen, die in Socken stecken. Als ich nach unten schaue, um die Quelle zu finden, sehe ich, wie eine Pfütze immer näher an meine Füße herankriecht. Verwundert nehme ich den Kopfhörer ab, höre ein Plätschern, drehe mich im Bürostuhl um und sehe das Unheil:
Das ganze Wohnzimmer steht unter Wasser!
Ich habe vergessen, den verdammten Wasserhahn zuzudrehen. Schnell eile ich in die Küche, während es unter meinen Füßen pitscht und patscht. Im Augenwinkel sehe ich noch, wie das Wasser auch fröhlich die Treppe in den Hausflur herunterplätschert.
Zuerst drehe ich den Wasserhahn zu. Zu dem Wasser unter mir gesellen sich schnell meine Tränen, die mir von der Wange laufen. Das Wasser steht einfach gut einen Zentimeter in der Wohnung. Sofort frage ich mich, was mein Freund davon halten wird, dass ich seine ganze Wohnung unter Wasser gesetzt habe.
Abhilfe schaffen viele Handtücher und ein Bier in der Abendsonne
Nachdem ich mich innerlich gesammelt habe, sammle ich in Windeseile alle Handtücher, die ich irgendwie auftreiben kann. Ich nehme mit den Tüchern auf, was aufzusaugen ist. Ich öffne die Fenster in der Hoffnung, dass es beim Trocknen hilft.
Ich merke, dass es so viel Wasser ist, dass ich es nicht mit den Handtüchern aufwischen kann. Auch die Armaturen in der Küche sind voll. Ich schrubbe so lange, bis ich keine Handtücher mehr habe.
Der Rest muss dann wohl irgendwie so trocknen. Mein schlechtes Gewissen kennt gerade keine Grenzen. Mir fällt nichts Besseres ein, als in den Supermarkt zu gehen und das Lieblingsbier meines damaligen Freundes zu holen.
Geknickt laufe ich mit meinem Einkauf zurück und packe das Bier in den Kühlschrank. Alles ist noch feucht.
Ich höre, wie sich der Schlüssel im Schloss dreht. Ich atme tief durch und gehe zur Wohnungstür, um meinen Freund abzufangen. Als ich ihn sehe, muss ich vor Scham weinen. Ich erkläre ihm, was passiert ist, und nun stehen wir beide in einem feuchten Wohnzimmer, in dem überall nasse Handtücher liegen.
Er spielt zu der Zeit genauso gerne League of Legends wie ich und versteht, wie einen dieses verdammte Spiel in seinen Bann ziehen kann. Mit einem Grinsen hebt er die Handtücher auf und wirft sie in die Badewanne. Die Wohnung muss jetzt lufttrocknen.
Ich bin erleichtert und wir fangen über die bescheuerte Situation zu lachen an. Über sein Lieblingsbier freut er sich dann sehr.
Den Rest des Abends sitzen wir auf der Fensterbank und lassen die Füße aus dem Fenster baumeln. Jetzt haben wir die feuchte Wohnung im Rücken und machen uns keine Gedanken mehr darüber. Zu gut schmeckt das kühle Bier, während wir auf die Vorgärten der Nachbarn in der sommerlichen Abendsonne blicken.
Auf durchzockte Nächte und ein kühles Bier
Später sollte der Vermieter noch die Küchenzeile austauschen, damit sich kein Holz durch die Feuchtigkeit verzieht. An dieser Stelle gibt es eine Ehrennennung an Mama und Papa, die mir eingebläut haben, wie wichtig es ist, eine Hausratversicherung zu haben. Das wäre sonst sehr teuer geworden.
Die Beziehung endete ein paar Jahre später aus anderen Gründen als der Überschwemmung der Wohnung. Aber diese Erinnerung ist mir als eine der schönsten aus dieser Zeit im Gedächtnis geblieben.
Sie erinnert mich an eine unbeschwerte Zeit. An durchzockte Nächte mit Freunden, immer auf der Jagd nach dem nächsten Rang in League of Legends.
An ein kühles Bier auf der Fensterbank in der Abenddämmerung. Die Beine aus dem Fenster baumelnd.