Ihr habt Angst vor dem großen Baldur’s Gate 3? Profitipp: Braucht ihr nicht

Baldur’s Gate 3 ist für viele überwältigend. So sehr, dass sie es gar nicht beginnen. Ein großer Fehler, findet MeinMMO-Dämon Cortyn und erklärt, was ihr verpasst.

Dass Baldur’s Gate 3 ein großartiges Spiel ist, das jede und jeder mal gespielt haben sollte, das brauche ich niemandem mehr erzählen. Es ist ein riesiges RPG mit unzähligen Möglichkeiten und unterschiedlichen Optionen, wie die Story ausgehen kann. Viele berichten davon, dass ein einziger Durchgang 150, 200 oder noch mehr Spielstunden dauert.

Doch genau dieser Umfang ist nicht nur so faszinierend, sondern für viele auch einschüchternd. In meinem Freundeskreis habe ich einige leidenschaftliche Gamer, die regelrecht „Angst“ vor Baldur’s Gate 3 haben.

„Ist das Spiel nicht so riesig, dass man da wochenlang dransitzt?“ oder „Muss man da nicht mega aufpassen, dass man alles mitkriegt?“ sind Fragen, die ich mehr als einmal gehört habe.

Kein Wunder – selbst wenn man sich nicht sonderlich für Baldur’s Gate 3 interessiert, stolpert man beim Surfen durch das Internet auf unzählige, seitenlange Guides mit genauen Anweisungen, was man für eine bestimmte Waffe oder eine ganz spezielle Szene tun muss oder sollte.

Was viele dadurch aber übersehen: Nichts davon ist wichtig. Nichts davon ist relevant, um Spaß in Baldur’s Gate 3 zu haben. Nichts davon ist notwendig, wenn ihr einfach eine gute Geschichte erleben wollt, die von vorne bis hinten stimmig ist.

Wenn die Designerin Anna Guxens von Larian also sagt, dass man „nicht von den Systemen eingeschüchtert sein soll, weil sie so entwickelt sind, dass man einfach immer damit Spaß haben kann“, dann ist das die reine Wahrheit. Eine Wahrheit, die man als Gamer aber erst einmal akzeptieren muss (via gamereactor.eu).

Das Scheitern wieder lernen – Denn es gehört dazu

Wir Gamer sind manchmal anstrengend, vor allem für uns selbst. Wenn es irgendwo eine ungeöffnete Kiste gibt oder ein Kampf auch nur minimale Verluste mit sich brachte, dann suchen wir die ganze Umgebung ab oder laden neu, um letztlich etwas „perfekt“ abzuschließen.

Genau damit steht man sich in Baldur’s Gate 3 allerdings selbst im Weg. Denn Vieles in dem Spiel wird durch Würfel entschieden. Nur, wenn ihr über einen bestimmten Wert kommt, dann gilt die jeweilige Aktion als geglückt, ansonsten als gescheitert.

Der Clou an der Sache: Das ist exakt so gewollt. Baldur’s Gate 3 ist mit dem Gedanken konzipiert worden, dass ihr mal mit Bravour besteht und ein anderes Mal ruhmlos scheitert. Es gibt (in den allermeisten Fällen) kein „Game Over“, weil ihr einen Würfel-Wurf nicht bestanden habt. Es hat negative Folgen – und sei es nur, dass ein NPC euch nicht traut oder ihr eine bestimmte Aktion nicht schafft.

Es geht immer irgendwie weiter und häufig auf sehr lustige Art und Weise. Denn die eigenen Helden auch mal scheitern zu sehen, macht sie nur noch sympathischer und macht die glorreichen Siege umso süßer und bedeutsamer.

Manchmal dürfen Dinge auch mächtig scheitern. Es macht das Spiel nur besser.

Scheitern ist einfach ein fester, geplanter Bestandteil der Spielerfahrung. Das Scheitern ist nicht nur gewollt, es ist gewünscht und von den Entwicklern beabsichtigt. Denn eine Vielzahl von Dialogen und überraschenden Wendungen gibt es nur, wenn ihr scheitert.

Damit meine ich gar nicht, dass ihr „niemals neu laden“ sollt. Das haben wir bei unserem Durchlauf auch gemacht, und zwar immer dann, wenn wir der Ansicht waren, dass das Spiel uns jetzt wirklich unfair behandelt hat.

Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Bei einer Quest muss man den Druiden Halsin beschützen, während er ein Ritual durchführt und von allen Seiten attackiert wird. Während mein Mitspieler die linke Flanke mit Schattenherz und seinem Charakter beschützt, halte ich die rechte Flanke mit einer Flammenwand meiner Zauberin und Karlachs Nahkampf-Fähigkeiten.

Nachdem der Kampf endet, startet sofort eine Zwischensequenz, Halsin bedankt sich für unsere Hilfe und will, dass wir ihn im Lager treffen. Die Sequenz endet und Halsin stiefelt sofort los – nur um innerhalb von 2 Sekunden in meiner Flammenwand zu stehen, da in Zeitlupe weiterzugehen und quasi sofort zu sterben, bevor ich vom Spiel überhaupt die Gelegenheit bekam, den kanalisierten Zauber abbrechen zu können.

Das war ein Moment, bei dem wir uns beide sagten „Okay, das ist nur dumm. Die Szene spielen wir nochmal.“

Eben nicht, weil wir mit dem Ausgang eines Kampfes oder einem Würfel-Wurf unzufrieden waren, sondern weil es sich schlicht unfair anfühlte, Halsin in die verbündeten Flammen latschen zu sehen, noch bevor die Sequenz vollständig abgeschlossen war.

Mit diesem Ansatz, nur in absoluten Ausnahmefällen etwas zu wiederholen, hatten wir nicht nur ungeheuer Spaß, sondern haben auch viele Szenen erlebt, die wir bei einem „perfekten“ Durchlauf nach Guide wohl niemals gesehen hätten.

Ein (spoilerfreies) Ereignis dieser Art hatten wir im zweiten Akt des Spiels. Nach der Ankunft im Gasthaus unterhielten wir uns ausgiebig mit allen NPCs und brachten damit mehrere Ereignisse in Gang. Diese führten letztlich dazu, dass die Hauptstory plötzlich einen rasanten Schritt nach vorne machte.

Aus diesen Gesprächen und den getroffenen Entscheidungen resultierte dann eine epische Schlacht, in der auf beiden Seiten je 20 bis 40 Kämpfer unterwegs waren – ein richtig langer Kampf mit „Vor und Zurück“, bei dem man um das Überleben jedes NPCs kämpfte und doch nicht alle retten konnte.

Das fühlte sich einfach gut und richtig an. Dabei haben wir niemals bemerkt, dass wir durch diesen Verlauf einige Szenen gar nicht zu Gesicht bekommen haben. Während des Spiels war das vollkommen irrelevant. Wir bemerkten das erst Monate später bei unserem zweiten Durchlauf – und diese “neuen” Szenen haben uns dann genau so fasziniert und den Wiederspielwert nur noch gesteigert.

Manch einer mag hier denken: „Was! Aber dann habt ihr ja tolle Szenen beim Spielen verpasst und das will ich nicht!“ – Und ja, das kann man so sehen. Aber so kam es uns niemals vor. Denn Baldur’s Gate 3 ist so voll mit tollen Szenen, Entscheidungen und unterschiedlichen Verläufen, dass im Flow des Spiels überhaupt nicht auffällt, wenn man hie und da etwas verpasst.

Dieser Druck entsteht nur, wenn man sich vorher ganz genau durchliest, was es denn alles gibt und wie man wirklich so viel wie möglich sieht. Aber dann verschenkt man, so zumindest meine Ansicht, bei einem RPG mit diesem Umfang und dieser Freiheit, ohnehin viel des Reizes.

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Gebt euch einen Ruck und lernt, nicht alles zu bekommen

Letztlich kann ich verstehen, wenn Baldur’s Gate 3 abschreckend und überwältigend wirkt, weil es so groß ist. Aber dieses Gefühl entsteht nur, wenn ihr mit dem Gedanken daran geht, diese Größe in seiner Gänze erleben zu wollen. Das müsst ihr gar nicht. Es ist nicht einmal ratsam.

Falls ihr es noch nicht getan habt, gebt dem RPG von Larian eine Chance. Lasst euch auf die Spielwelt ein und verabschiedet euch von dem Gedanken, aus jeder Situation als Sieger hervorgehen zu müssen oder jeden Würfel-Wurf mit Bravour meistern zu müssen.

Es ist so eine „Gamer-Krankheit“, immer jede Herausforderung bestehen zu wollen und wirklich das letzte Detail der Spielwelt zu erkunden, bevor man weiterzieht.

Das hemmt euren Spaß in Baldur’s Gate 3 nur.

Versucht nicht, eine “Checklise” abzuarbeiten – macht einfach nur das, worauf ihr gerade Lust habt.

Ja, ihr könnt an vielen Orten kleine Geheimnisse entdecken und wenn ihr es krampfhaft darauf anlegt, dann besteht ihr auch jeden Würfel-Wurf, wenn ihr jedes Mal neu ladet.

Aber das macht Baldur’s Gate 3 nicht zu einem besseren Spiel, das Gegenteil ist der Fall.

Wenn die Entwickler also sagen, dass ihr einfach „mit dem Flow“ gehen sollt, dann ist das keine Floskel – es ist etwas, das ins Spieldesign mit eingeflossen ist.

Der riesige Umfang von Baldur’s Gate 3 wirkt gar nicht mehr so einschüchternd, wenn ihr euch von dem Gedanken löst, beim ersten Durchlauf wirklich alles erleben zu wollen. Das ist letztlich gar nicht möglich und sorgt am Ende auch nur dafür, dass ihr mehr an eine „To Do“-Liste denkt, als an die grandiose Story mit liebenswerten Charakteren und jeder Menge toller Wendungen.

Wendungen, die es zum Teil auch nur dann gibt, wenn ihr eben nicht „perfekt“ spielt.

Gebt euch einen Ruck und lasst euch vom Spiel treiben. Ihr werdet es ganz sicher nicht bereuen.

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