Echt traurig: Wer jetzt erstmals ein MMORPG ausprobiert, wird nie die Faszination der Veteranen nachfühlen

Das Internet hat sich in den vergangenen 20 Jahren drastisch verändert, und das hat auch Auswirkungen darauf, wie wir Online-Rollenspiele wie World of Warcraft erleben. Einen Teil seiner Faszination hat das Genre im Laufe der Dekaden leider verloren. MeinMMO-Redakteur Karsten erinnert sich an seine Anfänge zurück.

Die Welt ist im Wandel. Ich spüre es im Internet, ich spüre es in MMORPGs. Vieles, was einst war, ist verloren. Zum Glück lebt noch der eine oder andere, der sich erinnert. Und mit diesem bekannten Zitat aus Leipzig, lange Zeit auch bekannt als Mittelerde („hust“), startet er, mein nostalgischer Trip in die Vergangenheit. Unser Ziel: die späten 1990er.

Schließt die Augen und stellt euch eine Zeit vor, in der die meisten Menschen auf dem Planeten noch nie oder bisher nur sehr selten online waren – laut Landesmedienzentrum nutzten 1997 gerade einmal 6,5 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren regelmäßig irgendwelche Online-Dienste.

Kein Wunder: Es gab noch kein Facebook, kein Twitter, kein TikTok, kein MeinMMO. Gute PCs waren kostspielig. Gleiches galt mangels Flatrate-Angeboten für das Internet selbst. Jede Online-Minute trieb die monatliche Telefonrechnung in die Höhe. Kein Spaß mit einem langsamen Telefonmodem von damals (DSL oder gar Glasfaser waren noch pure Fiktion).

Analoger Multiplayer zum Anfassen

Ich habe damals natürlich dennoch auf den unterschiedlichsten Plattformen und bei jeder Gelegenheit zusammen oder gegen meine Kumpels Spiele gezockt. In meinem Fall war eine Multiplayer-Partie seinerzeit jedoch mit Couch- oder Desktop-Koop gleichzusetzen: Wir saßen gemeinsam vor einem Bildschirm und teilten uns die oft nur spärlich vorhandenen Joysticks und Controller.

Später richteten wir an Wochenenden regelmäßig kleine Lan-Partys im Keller eines Freundes aus, um Diablo 2, Command & Conquer: Generals oder Warcraft 3 hoch und runter zu spielen. Aber auch da waren wir stets offline.

Die erste Online-Erfahrung mit Games dürfte bei mir irgendwann nach 2002 gewesen sein, mit den teils großartigen Inhalten, die Spieler im mächtigen Editor von Warcraft 3 erstellt und über das Battlenet verfügbar gemacht hatten. Defense of the Ancients, anyone?!

In Meridian 59 tickte das MMORPG-Genre noch anders als heute.

Die ersten Online-Welten locken

Das Genre der Online-Rollenspiele nahm hier im Westen mit Klassikern wie Meridian 59, The Realm Online (beide 1996) oder Ultima Online (1997) Fahrt auf (auf Exoten wie das Roguelike Island of Kesmai von 1985 oder das Neverwinter Nights von Don Daglow aus 1991 sowie die diversen Hits aus Asien gehe ich sicherlich an anderer Stelle mal genauer ein).

Es folgten weitere wichtige Meilensteine wie zum Beispiel ein EverQuest, Asheron’s Call (beide 1999), Dark Age of Camelot (bei uns 2002) oder auch ein EVE Online und Star Wars Galaxies (beide 2003). Was haben all diese Spiele gemeinsam? Nun, sie wurden zwar sukzessive von zunehmend mehr Spielern gezockt, sprachen aufgrund der eben beschriebenen Rahmenbedingungen aber weiterhin nur eine sehr spitze Zielgruppe an.

Flächendeckend wuchs die Verbreitung schneller und bezahlbarer Internetzugänge in den deutschen Privathaushalten erst in der Mitte der 2000er, wovon dann vor allem World of Warcraft, aber auch nachfolgende MMORPGs wie ein Herr der Ringe Online oder ein Guild Wars profitieren sollten. Entsprechend viele Fans des Genres erlebten mit dieser Generation ihr persönliches „erstes Mal“.

Ein magischer Moment, der sich einbrennt

In dieser Pionierzeit erstmals die Welt eines Online-Rollenspiels zu betreten, war unvergesslich. Klar, weil man online war und überall auf andere Spielercharaktere treffen konnte, um gemeinsam loszuziehen, sich zu bekämpfen oder einfach nur zu chatten (MMORPG-Chats waren quasi die Vorgänger heutiger sozialer Netzwerke). In welchen anderen Spielen war das damals schon möglich?

Aber auch, weil oft eine riesige, persistente Welt darauf wartete, von den Abenteurern erforscht zu werden, und das in einer Zeit, in der Spiele mit großen, offenen Welten Genre-übergreifend etwas Besonderes waren (und wenn es so etwas gab, dann oft wie bei Elder Scrolls II: Daggerfall, in zufallsgenerierter Form).

Bei meinem ersten Mal kam noch eine weitere Komponente dazu: Als großer Fan von Warcraft 3 war es augenöffnend, das aus der Echtzeitstrategiereihe bekannte Universum – mit all seinen Völkern, Klassen und Zaubern – in World of Warcraft erstmals aus der Third-Person-Perspektive zu erleben. Meine Kinnlade wollte gar nicht mehr hochklappen.

Eine Flatrate hatte ich zu dieser Zeit übrigens noch nicht. Stattdessen suchte mir ein Tool mit dem Namen Smartsurfer rund um die Uhr den gerade günstigsten Internet-Tarif raus. So war das neue, zeitfressende Hobby auch für einen schlecht bezahlten Auszubildenden mit kleiner Wohnung bezahlbar.

World of Warcraft war auch dank der zunehmenden Verbreitung des Internets für viele Spieler das erste MMORPG.

Sprung in die Gegenwart

Folgt mir zurück in die 2020er. Heute ist das Internet deutlich schneller, kostengünstiger und omnipräsent. Kids wachsen mit Smartphones und Tablets, und mit Online-Games wie Roblox, Minecraft, Pokémon Go oder Fortnite auf.

Dazu kommt: Riesige, offene Welten gibt’s mittlerweile über fast alle Genres hinweg. Gleiches gilt für das Zusammenspiel aus Rollenspiel-typischer Charakterprogression, sozialen Features wie Chats oder Gilden und Gruppenherausforderungen wie Dungeons sowie Raids.

Nehmt einfach irgendein modernes Service-Game und ihr werdet in diesem verschiedene Elemente finden, die es in der Kombination einige Jahre lang nur in Online-Rollenspielen gab.

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Die Faszination schwindet

MMORPGs bieten potenziell zwar auch heute noch eine einzigartige Spielerfahrung, etwa durch das Gefühl, Teil einer großen Community zu sein, die auf ihrem Heimat-Server eine wunderbare soziale Eigendynamik entwickeln und dadurch zahlreiche erinnerungswürdige Momente schaffen kann.

Bis zu diesem Punkt muss man aber einiges an Zeit investieren. Zeit, die man auch mit anderen Multiplayer-Spielen verbringen könnte, die deutlich schneller ihre Sogwirkung entfesseln. Falls meine Söhne in ein paar Jahren ihre ersten MMORPGs ausprobieren werden, dürfte ihr „erstes Mal“ daher wohl ganz anders verlaufen als bei mir. Eben ohne die Magie von damals.

Die junge Generation wird heute mit Online-Titeln wie Roblox sozialisiert.

Das macht mich auf eine Art etwas traurig, weil ich gerne an diese Zeit zurückdenke – und ich weiß, dass das auch vielen anderen MMORPG-Fans so geht, die damals mit DaoC, UO, HdRO und Co. angefangen haben. Gleichzeitig ist mir natürlich aber auch klar, dass die junge Generation ihre eigenen ersten Male erlebt, die für sie besonders und magisch sind (und auf die ich alter Sack stirnrunzelnd schaue).

Erinnerungen an die goldene Ära

Als nostalgischen Rauskicker habe ich noch einen launigen Post auf Reddit für euch, in dem ein MMORPG-Fan ein Bild mit zahlreichen Originalverpackungen alter Klassiker veröffentlicht hat. Everquest taucht auf, aber auch Age of Conan, Warhammer Online, Final Fantasy XI, Herr der Ringe Online, Star Wars Galaxies und diverse mehr.

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In den Kommentaren unter dem Post finden sich allerlei spannende Anekdoten. Ein Spieler erinnert sich etwa an seine Zeit im ersten Everquest: Quests wurden dort teils ausgelöst, indem man gegenüber NPC-Charakteren den richtigen Satz in den Chat getippt hat. Klingt absurd aus der heutigen Perspektive, oder?

Ein anderer Reddit-Nutzer schwärmt: „Star Wars Galaxies ist bis heute das immersivste Spiel, das ich je gespielt habe. Da werde ich sofort nostalgisch. Das Spiel verdient ein Remake“. Hey, ich bin sofort dabei!

Wie blickt ihr auf die goldene Ära der Online-Rollenspiele und die MMORPG-Erfahrung von heute? Vermisst ihr auch die Magie von damals? Mit welchem Online-Rollenspiel hattet ihr euer erstes Mal? Verratet es mir in den Kommentaren. Kollegin Jasmin hatte dank ihres ersten MMORPGs übrigens Probleme in der Schule, doch sie bereut nichts

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