Es passiert nicht häufig, dass Nintendo-Entwickler tiefe Einblicke in den Entwicklungsprozess der neuesten Spiele gewähren. Umso aufregender also, wenn es denn so kommt – wie im vergangenen März während der Game Developers Conference 2024. Führende Köpfe des Zelda-Teams haben zu einem Vortrag namens „Tunes of the Kingdom: Evolving Physics and Sound“ geladen, bei dem sie darüber sprachen, wie man Spielphysik und Sounddesign in The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom weiterentwickelt hat, um den hohen Anforderungen des Spieldesigns gerecht zu werden. Wir haben die spannendsten Details für euch zusammengefasst.
Weiter, größer, besser
Der erste Redner ist Takuhiro Dohta. Der erfahrene Programmierer ist seit 2003 bei Nintendo und wirkte schon an einer Vielzahl von Mario- und Zelda-Spielen mit. Für Breath of the Wild und Tears of the Kingdom fungierte er als Technical Director. Herr Dohta erklärt zuallererst, dass sich das Team für den neuesten Serienteil vorgenommen hat, auf den Kernideen von Breath of the Wild aufzubauen. Das heißt, eine noch größere nahtlos verbundene Spielwelt zu erschaffen sowie ein erweitertes multiplikatives Gameplay zu ermöglichen. Mit multiplikativen Gameplay ist hier gemeint, dass Spielsysteme ineinander übergreifen und so verschiedene Spielweisen erlauben.
Oktorok-Ballons spielten in Breath of the Wild keine große Rolle, bildeten aber den Nährboden für Tears of the Kingdom
© 2024 Informa PLC / Nintendo Co., Ltd.
Wie wir schon aus Interviews wissen, hat Director Hidemaro Fujibayashi zu Beginn der Entwicklung damit experimentiert, Objekte aus Breath of the Wild zusammenzustecken und so neue Formen von Gameplay zu schaffen. Das Konzept bot großes Potenzial und wurde schlussendlich zum Fokus der spielerischen Gestaltung. Im finalen Spiel haben diese anfänglichen Ideen die Form von Ultra-Hand und Synthese, zwei von Links Fähigkeiten, angenommen. Diese neu hinzugekommene spielerische Freiheit erwies sich für andere Bereiche der Entwicklung jedoch als große Herausforderung, etwa für die Programmierung der Spielphysik und für das Sounddesign.
Physik ist überall
Hier tritt Takahiro Takayama ans Mikrofon. Auch er ist langjähriger Programmierer bei Nintendo und wirkte zuvor an Titeln wie Mario Kart Wii, Wii Fit Plus und Nintendo Land mit. Für Breath of the Wild und Tears of the Kingdom übernahm er die Rolle des Physics Programming Lead. Als er von den ambitionierten Plänen für das Sequel hörte, wusste er, dass viel Arbeit auf das Programmierteam zukommen würde. Wieso, zeigt Herr Takayama anhand von Aufnahmen aus der frühen Entwicklung: Elemente aus Breath of the Wild zu kombinieren, führte an allen Ecken zu unzähligen Problemen. Selbst ohne Ganondorf wäre Hyrule so dem Untergang geweiht.
Damit die Schrein-Rätsel ordnungsgemäß funktionieren, war große Präzision gefragt
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Um der enormen Freiheit der Ultra-Hand-Fähigkeit standzuhalten, musste die Spielwelt unter der Haube komplett überarbeitet werden. Objekte durften sich nicht mehr anhand von festgelegten Animationen bewegen, sondern mussten vollständig physikbasiert agieren. Dies galt zum Beispiel auch für die Türen oder Tore, die man in Schreinen findet. Diese werden im finalen Spiel durch einen für den Spieler unsichtbaren Motor geöffnet und geschlossen. Wenn man nun etwas unter das Tor stellt, bleibt es zum Teil geöffnet, was eine alternative Lösung des Rätsels darstellt. Genau soetwas wollte man mit dem erweiterten multiplikativen Gameplay erreichen.
Bei der Überlegung, wie man das multiplikative Gameplay auf noch andere Weise erweitern könnte, kam man zum Schluss, dass ein System benötigt wird, welches einzigartige Interaktionen von Spielelementen ermöglicht, anstatt diese strikt vorzugeben. Das Resultat daraus sind die Sonau-Bauteile. Anstatt den Spielern wie in Breath of the Wild ein Motorrad zu geben, erhalten sie in Tears of the Kingdom die einzelnen Komponenten, um sich eines selbst zusammenzubauen. Damit all das so realistisch wie möglich funktioniert, haben die Programmierer eng mit Artists und Designern zusammengearbeitet, um Parameter wie Masse und Material aller Objekte festzulegen.
Das Design der Räder im Laufe der Entwicklung
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Ein realistischerer Sound für Hyrule
Die Zusammenarbeit der verschiedenen Entwicklungsabteilungen war entscheidend, um das Spiel in seiner jetzigen Form realisieren zu können. Dazu gehört auch das Sound-Team, verantwortlich für alle möglichen Geräusche, Soundeffekte und Musikstücke im Spiel. Mehr dazu verrät Junya Osada, ein langjähriger Sound Designer bei Nintendo, der unter anderem an Animal Crossing: Wild World, Wii Music, Zelda: Spirit Tracks, Zelda: Skyward Sword als auch Nintendo Land mitwirkte. Seit Breath of the Wild fungiert er als Programming Lead der Zelda-Spiele und beteiligt sich an der Entwicklung der hauseigenen Sound-Bibliothek und der Sound-Tools.
Eines dieser intern entwickelten Tools wird dazu genutzt, um interaktive Musik auf einfache und übersichtliche Weise kreieren zu können. Interaktive Musik ist schon lange Teil der Zelda-Reihe und Tears of the Kingdom stellt da keine Ausnahme dar. Im Kampf gegen Frosgeira etwa baut sich die Musik im Laufe der Bossphasen immer weiter auf. In Schreinen dagegen wird die Musik leiser, wenn das Spiel merkt, dass der Spieler an einem Rätsel hängt. Das Tool erlaubt es, Spielereignis und Musik einfach miteinander zu verknüpfen und Musikstücke bis aufs kleinste Detail feinzutunen. Das Tool ist tatsächlich so praktisch, dass sämtliche Musikstücke damit erstellt wurden.
Nintendos hauseigenes Tool für interaktive Musik
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Für den neuen Ableger wurde besondere Mühe investiert, um Sounds im dreidimensionalen Raum so realistisch wie möglich klingen zu lassen. Dem Team reichte es nicht mehr aus, Sounds durch nahe oder ferne Aufnahmen und durch dumpfe oder hallende Filter räumliche Tiefe zu geben. Spieler sollten anhand des Sounds hören können, wie weit weg er ist, aus welcher Richtung er kommt und in was für einer Umgebung er ist – zum Beispiel in einer Höhle. Damit das funktioniert, müssen Sounds universellen Regeln folgen und genaustens abgestimmt sein. Diese Werte per Hand festzulegen, wäre mit Hinblick auf das multiplikative Gameplay jedoch nahezu unmöglich.
Ähnlich zur Spielphysik braucht es also auch beim Sound ein System, welches die nötigen Informationen automatisch berechnet. Das Sound-Team setzt hierbei grundlegend auf „ray casting“. Das heißt, dass von Link Strahlen („rays“) ausgehen, welche seine Umgebung analysieren. Wo befinden sich Wände, wie sind diese ausgerichtet, wie dick sind diese, wie viel Sound lassen sie durchkommen und wie groß ist der Raum, den sie bilden? Basierend darauf wird den Sounds Hall oder Echo hinzugefügt. Um für ein realistisches Klangbild zu sorgen, ist aber auch wichtig zu berücksichtigen, wie Sounds durch Objekte reflektiert, absorbiert und übermittelt werden.
Ein Beispiel dafür, wie Sounds ihren Weg zu Link finden
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Um dies zu bewerkstelligen, hat man die gesamte Spielwelt in Voxel aufgeteilt, welche bestimmte Informationen beinhalten. Hier geht es zum Beispiel darum, ob sich der Punkt innen oder außen und nahe oder fern von Wasser befindet. Sounds suchen sich dann anhand dieser Voxel und mithilfe eines Algorithmus ihren Weg zu Link und klingen ganz unterschiedlich, je nach dem wo er sich befindet. Und was die nahezu unendlich vielen Kreationen durch Ultra-Hand anbelangt: Hier kombiniert man schlicht mehrere grundlegende Sounds wie das Drehen von Rädern oder das Quietschen von Verbindungsstellen, anstatt ein eigenes Geräusch für zum Beispiel einen Wagen zu haben.
Fazit der Präsentation
Zum Schluss zieht Herr Dohta ein Resümee: Anstatt sich etwas Spaßiges auszudenken, erschaffe ein System, das spaßige Dinge ermöglicht. Anstatt die Bewegung jedes Objekts festzulegen, erschaffe ein System, das Objekte bewegen lässt. Anstatt jeden hörbaren Sound zu kreieren, erschaffe ein System, das es so klingen lässt. Durch diese Überlegungen konnten Spielphysik und Sound weiterentwickelt werden. Wenn ihr euch jetzt für noch mehr Details aus dem Talk der Entwickler von Tears of the Kingdom interessiert, dann schaut doch einmal im offiziellen Archiv der Game Developers Conference vorbei, wo ihr die Aufnahme der Präsentation in ganzer Länge ansehen könnt.
Takuhiro Dohta fasst zusammen
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