Seite 1
Große Rennserien brauchen Zeit. Viel Zeit, um zu reifen – was nicht zuletzt Gran Turismo und Forza Motorsport beweisen. Nach fünf Teilen wurde es still um Codemasters Offroad-Saga. Und nach einer zweieinhalb Jahre dauernden Pause kommt die Colin McRae-Reihe endlich wieder in die Gänge – doch eines vorweg: Wiedersehen macht Freude.
Der Namenszusatz Rally wurde durch DiRT ersetzt, da der Fokus mehr denn je auf variantenreichen Offroad-Wettbewerben liegt. So tretet Ihr zu CORR, Rallyecross, Rallyeraid und Hillclimb-Events an – mehr denn je kämpft Ihr nicht nur gegen die Zeit, sondern gegen andere Vehikel. Doch diese zeigen sich von ihrer allzu menschlichen Seite: Die aggressiven KI-Piloten geben nur ungern eine Position auf, riskieren bisweilen zu viel und drehen sich auch mal von der Strecke. Die teils schwierig zu beherrschenden Wagenklassen reichen von Buggys, Pickups über Trucks bis hin zu klassischen Boliden vom Schlage eines Audi Quattro oder Lancia Delta Integrale. Dennoch kommen auch konservative Fans zum Zuge, denn das serientypische Element – Zeitfahrten in Form von Einzelrallyes – ist immer noch dabei. Verschlungene Feldwege in Großbritannien, Spanien, Italien oder Japan warten auf Euch.
Doch zunächst beginnt es ganz harmlos in der Karriere, die nach Pyramidenvorbild aufgebaut ist und Euch zum Start ans untere Ende setzt. Könnt Ihr die Spitze nach elf Wettbewerbsstufen erklimmen? Für Fairness ist gesorgt, denn vor jedem Rennen darf der Schwierigkeitsgrad bestimmt werden, der das Preisgeld entsprechend erhöht oder verringert. Letzteres wird dringend benötigt, um Eure Garage mit edlen und teuren Boliden zu bestücken.
Bevor Ihr Eure Wettbewerbsfähigkeiten beweist, dürft Ihr Shakedown (Testfahrt) starten und an Federung, Getriebe, Bremsen, Abtrieb oder Stabilisatoren herumschrauben. Wie sich allerdings herausstellt, sind ausgiebige Modifikationen am Setup kaum nötig.
Seite 2
Denn das Fahrverhalten hat sich im Vergleich zu den Vorgängern etwas in Richtung Arcade verlagert. Das wird Rallye-Neulingen einen schnellen Einstieg verschaffen, Colin McRae-Veteranen aber sauer aufstoßen, da es weniger Finessen in Sachen Handling gibt. Dieses wurde deutlich vereinfacht: Der Wagen reagiert schnell auf Brems- und Lenkmanöver, egal auf welchem Bodenbelag. So korrigiert Ihr so manche Fahrfehler und überhöhte Geschwindigkeit, bevor ein Abflug passiert. Da der eigene Wagen schnell Grip bekommt, sind ausgiebige Drifts zumindest bei den herkömmlichen Rallye-Klassen kaum möglich – ganz anders als bei den spaßigen Buggy-Fahrten.
Ebenfalls hilfreich zur Seite stehen Euch ein Streckenradar oder wahlweise die bekannten Pfeilangaben für die kommende Kurve. Ebenso plappert der Beifahrer die nicht mehr ganz so ausführlichen Ansagen in Euer Ohr – nur bei einzelnen Wettbewerben wie Hillclimbs müsst Ihr auf den hilfreichen Kommentar verzichten.
Und da heißt es aufpassen: Denn trotz einfacherem Handling sollten Crashs nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Je nach Schwierigkeitsgrad könnt Ihr nämlich Euren Boliden komplett zerstören – ohne Option, das Rennen erfolgreich zu beenden. Schnell demoliert Ihr die Karosserie, beschädigt die Aufhängung oder keilt Euch schlimmstenfalls ein. Fies platzierte Streckenhindernisse wie Felsen, Bäume oder Steilabhänge freuen sich nämlich über jeden unvorsichtigen Fahrer.
Dabei wird die Detailversessenheit der Entwickler deutlich, denn die überaus originalgetreuen Wagen sind nicht nur oberflächlich ausmodelliert. Auch das gesamte Interieur inklusive Kofferraum und Beifahrer wurden ausgearbeitet. Bei Buggys dürft Ihr sogar die korrekt arbeitende Federung während der Fahrt bewundern. Die Streckenoptik dagegen reicht von imposant bis Durchschnitt. Der Licht-Schatten-Wechsel wurde hübsch wie plastisch umgesetzt. Dagegen wirken insbesondere Rundkurse teilweise zu trist. DiRT macht zudem ausgiebig Gebrauch von einem Weichzeichnereffekts, was eine durchweg verwaschene Grafik zur Folge hat.
Beim Pistendesign selbst gibt‘s wenig zu bemängeln: Verschiedene Witterungen und der serientypisch fordernde Pistenaufbau lassen wenig Wünsche offen. Dazu gesellen sich landschaftlich interessante Hillclimbs – allen voran die berüchtigte Pikes-Peak-Piste mit über acht Minuten Fahrtlänge. Vorbildlich: Sechs Ansichten (davon zwei verschiedene Cockpitperspektiven) setzen die Bildschirmaction passend in Szene.
Im Onlinemodus tretet Ihr schließlich gegen unsichtbare Gegner an – lediglich die aktuell angezeigte Platzierung gibt Ansporn. Nett: Über die als Nächstes zu befahrende Strecke dürfen alle Teilnehmer demokratisch entscheiden.
Meinung
Thomas Stuchlik meint: Endlich ein spaßiges Rallye-Spiel für Next-Gen! Codemasters hat es wieder geschafft, ans Pad zu fesseln. Nach der anfänglichen Enttäuschung über das vereinfachte Fahrverhalten können mich die ausgefeilten Rallye-Kurse dennoch begeistern. Das Fahrgefühl stimmt, auch die Optik gefällt mit Licht-Schatten-Spielereien. Die teils zu späten Beifahreransagen sind dank Radar verschmerzbar. Anfänger finden schnellen Einstieg, Profis vermissen etwas Tiefgang. Dennoch: Colin McRae DiRT bringt viel Fahrspaß und sucht im Offroad-Bereich seinesgleichen.
Ulrich Steppberger meint: Wenn Colin McRae auf einer Packung steht, dann bürgt das für Qualität – da macht auch DiRT keine Ausnahme. Zwar hat das Next-Gen-Debüt mit langen Ladezeiten und gelegentlichem Tearing zu kämpfen, auch die Bildrate geht bei Rennen mit mehreren Gegnern sichtlich runter. Trotzdem sehen die Querfeldeinfahrten immer gut aus, besonders wenn Ihr in den schicken Cockpit-Perspektiven rumflitzt. Die eingängige Steuerung ist für mich ebenso ein dickes Plus wie die originellen Wettbewerbsvarianten, auch wenn diese teilweise etwas kurz kommen.
Wertung
54 Strecken
46 Autos
100 Lackierungen
9 verschiedene Offroad-Wettbewerbe
pyramidenförmiger Karriere-Modus mit 66 Events
Die Rückkehr des Offroad-Königs: ”DiRT” brilliert beim Streckendesign und überrascht mit arcadelastigem Fahrverhalten.
Singleplayer86MultiplayerGrafikSound