Blue Dragon – im Klassik-Test (360)

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Spiel:Blue DragonPublisher:MicrosoftDeveloper:MistwalkerGenre:RollenspielGetestet für:360Erhältlich für:360USK:12Erschienen in:10 / 2007

Rollenspieler halten es am ehesten mit Sony, womöglich noch mit Nintendo, doch kaum einmal mit Microsoft – so lautet eine Faustregel der gerade abgelösten Konsolen-Generation. Die Japaner produzierten in der Regel die besseren und auf jeden Fall wesentlich interaktiveren Helden-Epen als der mit überwiegend westlichen Software-Lieferanten verbündete Xbox-Konzern. So ist eines der klaren Etappenziele für die Eroberung des Next-Gen-Marktes die Etablierung einer tragfähigen RPG-Basis für die Xbox 360. Das vielversprechendste Projekt der amerikanischen Rollenspiel-Offensive ließ die Fans aus den Final Fantasy– und Dragon Quest-Lagern aufhorchen. Der Produzent der besten Final Fantasy-Teile kümmerte sich um die Story, das Charakterdesign stammte vom Dragon Ball-Erfinder und die Musik komponierte der Vater sämtlicher Final Fantasy-Soundtracks!

Die hohen Erwartungen konnte die endlich eingetroffene Test-Version des ersten richtigen Nippon-Rollenspiels für die Xbox 360 zwar nicht erfüllen, dafür ist der Schlumpf-farbene Drachen für etliche Überraschungen gut – negative wie positive. Eine ziemlich kalte Dusche für Toriyama-Jünger dürfte das Charakter-Design und die generelle optische Qualität darstellen: Bereits in den ersten Spielminuten, wenn der jugendliche Held Shu mit seinen beiden Freunden, der resoluten Kluke und dem Streber Jiro, gegen einen den Wüstensand durchpflügenden Riesenhai antritt, wird klar, dass Blue Dragon technisch im Mittelmaß versinkt und der Stil von Dragon Ball bzw. Dragon Quest nicht automatisch kindlich-niedlich wirkt, sondern schnell auch einmal kindisch-nervig rüberkommen kann. Bis auf einige Tiefenunschärfe-Effekte dominieren eintönige Farbpaletten und strukturlose Texturen die ersten Szenarien. Erst in der zweiten Hälfte der ersten von drei Spiel-DVDs geht es z.B. in einer Korallenhöhle etwas farbenfroher zu.

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Insgesamt braucht Blue Dragon einige Zeit, um in Fahrt zu kommen. Das weitgehend von Final Fantasy adaptierte Spielsystem wirkt anfangs wie ein altbackener Abklatsch: Shu hechelt stellvertretend für die gesamte Party durch die Ruinen eines antiken Hospitals, neblige Todeswälder oder eine triste Weltkarte. Nach den ersten hundert Rundenkämpfen und der Aktivierung der blauen Kampfschatten, die stellvertretend für die juvenilen Heroen in den Kampf ziehen, klart die Stimmung auf: Die Möglichkeit, unterschiedliche Monster per blauem Angriffsareal zu einem Massenkampf zusammenzufassen, löst nervige Zufallsbegegnungen ab. So könnt Ihr optimal vorbereitet mehrere Scharmützel hintereinander abwickeln, wofür es Kampfboni gibt, und verfeindete Monster aufeinander hetzen. Viele Aktionen wie Zauber oder Kampfkunst-Attacken steuert Ihr über Aufladebalken, was Dynamik ins Menügeklicke bringt.

Habt Ihr die ersten Siege errungen, könnt Ihr Euren Kampfschatten unterschiedliche Klassen zuweisen. Diese entsprechen im Großen und Ganzen ebenfalls denen aus vielen Final Fantasy-Teilen. Wechselt Ihr später die Klasse, behaltet Ihr bereits gelernte Klassenfähigkeiten und könnt mit diesen die Skill-Slots Eurer Charaktere belegen. So erschafft Ihr heilende Schwertmeister, Mönche, die mit Feuerbällen schmeißen oder tüchtige Nahkampf-Schwarzmagier. Habt Ihr den schleppenden Anfang erst einmal hinter Euch, pegelt sich der blaue Drache auf einem soliden spielerischen Niveau ein. Gleiches gilt für die Musik. Problematisch bleibt das Charakterdesign, das gut zur leider simplen Story passt. Holzhammerhumor mit kreischenden Nervzwergen, Monster in Form von Kotwürsten, die nach dem Kampf eben solche hinterlassen und ein Oberbösewicht, der aussieht wie eine lila angelaufene Oma mit spitzen Ohren, sind von einer kindlich-sympathischen Märchenwelt à la Dragon Quest 8 meilenweit entfernt. Die Testversion war noch in Englisch, die Verkaufsversion wird komplett eingedeutscht.

Meinung

Max Wildgruber meint: Dafür, dass Blue Dragon seine illustre Schöpfer-Dreifaltigkeit als Qualitäts-Garanten vor sich herträgt, als wären Sakaguchi, Uematsu und Toriyama die heiligen drei Könige des Spieldesigns, sind Story, Charakter-Design und Musik des blauen Drachen drei enttäuschend mittelmäßige Angelegenheiten. Während aber Motivationskurve und Soundtrack insgesamt befriedigend abschneiden, muss ich mich über Toriyama-sans Beitrag nach wie vor ärgern. Der Anime zum Spiel wirkt seltsamerweise lange nicht so seelenlos und nervig wie die 3D-Fassung der Charaktere. Toriyama-Jünger und Xbox-360-Rollenspieler mit Nippon-Entzugserscheinungen sollten Blue Dragon eine Chance geben. Alle anderen warten auf Lost Odyssey.

Wertung

» klassische Rundenkämpfe mit Monster-, Fight- und Stapelkampf-Funktion
Spielsequenzen mit Sprachausgabe
umfangreiche Spielwelt auf drei DVDs
Design, Musik und Story von drei Veteranen der RPG-Szene

Oldschool meets Next-Gen: klassische RPG-Unterhaltung mit netten Einfällen und manch nervigem Detail. Technisch leider belanglos.

Singleplayer78MultiplayerGrafikSound

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