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Die zweite Welle rollt an: Herrschte nach dem PS3-Start monatelang Flaute an Konsolen-exklusiven Titeln, steigt nun Sony selbst wieder mit frischer HD-Kost ein. Noch vor den Lair-Drachen geht die rothaarige Amazone Nariko an den Start und will mit dem Heavenly Sword zeigen, dass nicht nur glatzköpfige Spartaner ganze Armeen aufmischen können.
Dabei wird das Mädel nicht gerade freiwillig zur Heldin: Aber um die Reste ihres Klans vor der Expansionswut des bösen Herrschers Bohan (in der englischen Synchro vorzüglich von Andy ”Gollum“ Serkis verkörpert) zu schützen, muss sie die himmlische Klinge zücken. Dass das für Sterbliche nicht besonders gesund ist, merkt Ihr schnell: Am Ende der Eröffnungsmassenschlacht haucht Nariko kurzerhand ihr Lebenslicht aus… um sich dann in einem mysteriösen Jenseits wiederzufinden. Von dort aus habt Ihr allerdings die Chance, die letzten Tage nochmal zu erleben und das Geschehen zum Besseren zu wenden.
Dazu greift Ihr Nariko tatkräftig unter die Arme: Heavenly Sword erfindet das Action-Epos-Rad nicht neu, entsprechend finden sich nicht nur God of War-Fans schnell zurecht. Ihr marschiert mit der Heldin durch linear aufgebaute Levels und macht die meiste Zeit das, wofür so ein großes Schwert bestimmt ist – Feinde plätten, und das in Massen.
Zu diesem Zweck haben die Entwickler Ninja Theory ein ideenreiches Kampfsystem gestrickt: Mit zwei Knöpfen verteilt Ihr Hiebe und verknüpft Attacken, per Schultertaste wechselt Ihr zu alternativen Stilarten. Dann wird entweder besonders wuchtig draufgehauen oder das Schwert in zwei Teile auseinander genommen und dann dank langer Ketten für Fernangriffe verwendet. Geblockt wird übrigens automatisch, nur müsst Ihr die Angriffsstärke des Gegners korrekt erahnen – eine farbige Aura beim Kontrahenten gibt Auskunft. Das klappt meistens gut, ist aber nicht immer exakt, was speziell bei den Bosskämpfen schon einmal für Frust sorgen kann – auch die Einleitung von den schick inszenierten Luft-Combos via Sixaxis-Padschüttelei funktioniert nicht immer so, wie man es sich vorstellt.
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Apropos Sixaxis: Damit könnt Ihr Euch umsehen (braucht Ihr nie wirklich), besagte Attacken starten oder Projektile beeinflussen. Schießt Ihr Pfeile ab oder werft z.B. Schilde und andere Gegenstände, seht Ihr auf Knopfdruck deren Flugweg und könnt diesen beeinflussen. Mit etwas Übung klappt’s sehr gut und sorgt für gewitzte Einlagen, bei denen Ihr große Katapulte zerlegt oder entfernte Bogenschützen erledigt.
Allerdings sind diese Sequenzen wie auch Abschnitte, bei denen Ihr mit Narikos kleiner Adoptivschwester Kai herumschleicht oder kurze Quick-Time-Events absolviert, meist nur als Intermezzo gedacht. Der Löwenanteil aller Levels beschränkt sich auf die anfangs erwähnten Kämpfe, bei denen Ihr fast immer einem ganzen Trupp gegenübersteht.
Mit dem Ideenreichtum und der Abwechslung eines God of War kann Heavenly Sword keinesfalls mithalten, auch wenn einige Einfälle wie der gewitzte Splitscreen-Einsatz gefallen. Trotzdem wirken die meisten Abschnitte recht formelhaft und geben Euch kaum die Freiheit, die ansehnlich dargestellte Umgebung mal zu erkunden – wohl nicht unbedingt verwunderlich, kann Nariko doch nicht springen. Und ganz so episch wie erhofft fällt das Abenteuer ebenfalls nicht aus, denn dazu fehlt es an Umfang – zwar klingen sechs Kapitel ganz respektabel, doch die späteren Levels sind reichlich kurz, so dass Ihr nach etwa acht Stunden das (gelungene) Finale erlebt.
Das ist zweifelsohne wenig, aber dafür bekommt Ihr eine sehenswerte Inszenierung zu sehen, die aber auch nicht ohne Kratzer im Lack wegkommt: Das optische Kronjuwel ist die Maßstäbe setzende Gesichtsmimik der Hauptcharaktere, die es so noch nicht zu sehen gab – dagegen fallen die Gliedmaßen manchmal recht eckig aus. Auch die Kampfanimationen sind rundum gelungen, dafür müsst Ihr aber häufiges Tearing und gelegentliche Bildratenwackler in Kauf nehmen.
Meinung
Ulrich Steppberger meint: Vielleicht waren die Erwartungen einfach zu hoch: Heavenly Sword hat zwar einiges auf dem Kasten, als ernsthafter God of War-Konkurrent oder gar Vorzeige-Titel für die PS3-Power taugt Narikos Abenteuer aber nicht. So hat die Grafik einige Höhen, aber auch Tiefen aufzuweisen – auf einer Xbox 360 wäre das Geschehen sicherlich auch machbar gewesen. Und trotz (oder wegen) des geringen Umfangs fehlt es an Tiefgang und Abwechslung: Die wenigen Rätsel fielen arg simpel aus, dafür sorgen die Einlagen mit Kai oder der Schusssteuerung für etwas Pfiff. Insgesamt ist Heavenly Sword ein unterhaltsames und ansehnliches Action-Paket, das Spaß macht – nur eben nichts Besonderes.
Michael Herde meint: Ich bin von Nariko enttäuscht – das beginnt schon bei den über zwei Gigabyte, die das Spiel ungefragt auf die Festplatte packt. Die Animationen sind fein, das Kampfsystem hat Tiefe – das war’s an Lob. Das Leveldesign ist aber schwach: Metzeln, meucheln, kloppen, dann ein paar Knöpfchen drücken oder eine Cut-Scene ansehen, dann metzeln, meucheln, kloppen…
Wertung
6 Kapitel mit insgesamt 43 Levels
durchdachtes, aber etwas überladenes Angriffs- und Kontersystem
Projektilkontrolle mit Sixaxis-Neigung
einige Levels mit anderem Charakter zu spielen
Trotz kleiner Schwächen ein atmosphärisch inszeniertes Fantasy-Epos, das aber in keiner Hinsicht an ”God of War“ rankommt.
Singleplayer75MultiplayerGrafikSound