Need for Speed ProStreet – im Klassik-Test (360)

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Spiel:Need for Speed ProStreetPublisher:Electronic ArtsDeveloper:EA Black BoxGenre:RennspielGetestet für:360Erhältlich für:360, PS2, PS3, WiiUSK:6Erschienen in:12 / 2007

“Mein Maserati fährt 210,
schwupp, die Polizei hat’s nicht gesehn,
das macht Spaß!
Ich geb’ Gas, ich geb’ Gas!”

Markus: “Ich will Spaß”

Was 1982 in den Jubeljahren der Neuen Deutschen Welle das Radio beherrschte, beherzigten in der Folgezeit wenige Rennspiele so erfolgreich wie Need for Speed. Es macht einfach Spaß, mit noblen Sportflitzern Gesetzeshütern ein Schnippchen zu schlagen. Kombiniert mit dem Tuning-Trend nach dem Jahrtausendwechsel war das endgültige Rezept zur Eroberung des Massenmarkts gefunden. Seit dem ersten Underground von 2003 gingen alle zwölf Monate hundertausende Exemplare alleine in Deutschland über die Ladentheken.

Ideenrecycling nach Schema F kann aber auch langweilen. Als Beweismittel diente letztes Jahr Need for Speed Carbon, das prompt die Quittung kassierte: In unseren Breitengraden sank das Interesse bei der Käuferschaft, Nacht- fahrten hatten somit erst einmal ausgedient. Da trifft es sich gut, dass EA Black Box in Kanada schon länger mit dem Gedanken spielte, eine neue Richtung einzuschlagen. Das Resultat heißt Need for Speed ProStreet und unterscheidet sich so deutlich von den Vorgängern, dass sich einige Serienkäufer darüber wundern dürften. Es wird spannend, wie diese gewagte Neuorientierung bei den Fans einschlägt.

Um zum guten Markus zurückzukommen: Maseratis gibt es bei Need for Speed ProStreet zwar keine, aber dafür jede Menge an- dere lizenzierte Boliden vom Golf GTI bis zum luxuriösen Lamborghi ni Murciélago. Gar nicht blicken lässt sich dagegen die Polizei, denn die passt nicht zur neuen Thematik. Illegale Highspeed-Duelle haben ausgedient, weil die dafür nötige Spielwiese fehlt: Ihr fahrt nur noch auf eigens dafür angelegten Rennkursen, die offene Stadt ist ein Ding der Vergangenheit! Allein der Gedanke mag schockierend klingen, aber es passt alles zusammen: Diesmal sollt Ihr als Neuling in der Street-Racing-Szene den Weg nach oben schaffen und in der geht nun mal alles mit rechten Dingen sowie ohne Gefährdung arglosen Zivilverkehrs zu. Das orientiert sich an realen Veranstaltungen, ist aller dings im Gegensatz zum sehr ähn lich gelagerten Juiced 2 nicht mit einer offiziellen Lizenz gekoppelt. Stattdessen fahrt und qualifiziert Ihr Euch für fiktive ‘Renntage’, bei denen Ihr in verschiedenen Disziplinen fleißig Punkte sammelt.

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Wie ernst es Electronic Arts mit der neuen Ausrichtung ist, seht Ihr nicht nur am Fokus auf den sportlichen Wettkampf. Zwar gibt es eine einfach gestrickte Rahmenhandlung (werdet immer besser, fordert die Champions heraus usw.), doch die wird quasi ‘im Vorbeigehen’ erzählt. Aufgebrezelte FMV-Sequen- zen bleiben aus, an den einzelnen Veranstaltungsorten gibt’s besten- falls kurze Echtzeitschnipsel oder der DJ führt im Hintergrund Interviews mit Teilnehmern, die sich zu Euch äußern.

Gefahren wird rund um die Welt in einem Mix aus echten Schauplätzen wie dem amerikanischen Infinion Speedway oder thematisch inspirierten Fantasie-Lokalitäten, zu denen auch der deutsche ‘Autobahnring’ gehört. Während frühere Need for Speeds viel Wert darauf legten, die Umgebungen möglichst stylisch zu gestalten, bricht ProStreet auch mit dieser Tradition: Oft sind die Landschaften erstaun- lich karg gehalten und mit wenigen Objekten bestückt. Bei einem Highway durch die Wüste Nevadas passt das, teilweise wünscht man sich aber etwas mehr Eye-Candy. Geschmacksabhängig geriet die Farbpalette: Statt kräftiger Töne dominieren Pastell- und Grau-Mischungen, bei denen wohl bewusst die Sättigung runtergedreht wurde. In sich stimmig ist das durchaus, jedoch nicht jedermanns Sache.

Ein uneingeschränktes Lob verdienen dagegen die Fahrzeugmodelle, denn die sind so nahe dran an den Originalen wie noch nie. Der Clou: Eure Boliden nehmen richtigen Schaden, der sich situationsbedingt bemerkbar macht. Konkret heißt dies, dass zum einen Fahrverhalten und Leistung leiden. Zum anderen geht die Karosserie wirklich da kaputt, wo Ihr angerempelt seid und es werden nicht einfach nur vorgefertigte ‘Jetzt bin ich beschädigt’- Texturen eingeblendet (zumindest auf der Xbox 360). Ein weiteres wichtiges Detail: Nach einem Rennen müsst Ihr zur Reparatur in die Tasche greifen, sonst bleibt Euch das Problem erhalten.

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Auf dem Weg zum Ziel müsst Ihr in vier Disziplinen bestehen. Am gewöhnlichsten sind die Grip-Rennen, bei denen es nur um Bestzeiten bzw. Platzierungen geht. Dabei sorgen einige Besonderheiten für frischen Wind: Im Kampf mit der Uhr seid Ihr z.B. trotzdem nicht alleine auf der Piste. Ihr müsst also nicht nur auf den Kurs aufpassen, sondern auch die anderen Vehikel berücksichtigen. Ähnlich geht es bei den Tempofahrten zu, nur dass hier auch mal die kombinierte Höchstgeschwindigkeit zählt und im Vollgasrausch Euer Auto am leichtesten zu Bruch geht. Nicht weniger knifflig sind die Driftläufe: Auf kurzen Streckenabschnitten dürft Ihr kaum Fehler machen, weil sonst nicht genug Punkte in die Wertung kommen. Zum Glück habt Ihr aber drei Versuche, um die meisten Zähler zu machen. Letzteres gilt auch für die Dragsprints, bei denen Ihr vor dem Start in einer kleinen Einlage Eure Reifen aufheizt dabei wird die eindrucksvolle Rauch- und Qualmdarstellung besonders gut in Szene gesetzt. Hierzu übrigens ein kleiner, aber wichtiger Tipp: Schafft Euch bald ein Fahrzeug mit Heckantrieb an, sonst sehr Ihr später kein Land mehr…

Das traditionelle Need for Speed-Prinzip wurde kräftig umgestülpt, die neue Ausrichtung funktioniert aber prima, wenn man sich drauf einlässt an Umfang, Abwechslung und Spieltiefe gibt’s nur wenig zu meckern. Der Umgebungsgrafik hätte zwar etwas mehr Pepp nicht geschadet und auch die obligatorischen Bildratenwackler bleiben nicht aus – so bleiben noch genug Optimierungsmöglichkeiten. Für den ersten Anlauf ist’s aber auf jeden Fall beachtlich, wobei sich das vor allem auf die Xbox-360-Fassung bezieht.

Auf der PS2 schlägt sich ProStreet zwar wacker, man merkt aber deutlich, dass das ambitionierte Konzept dort nur noch be- schränkt funktioniert. So flitzen auf der Sony-Konsole maximal vier Autos gleichzeitig (statt acht), die Online-Optionen sind komplett weggefallen. Außerdem wird der Schaden nicht optisch dargestellt und das Renngeschehen ruckelt spürbar mehr. Weitere Dinge, auf die PS2- Raser verzichten müssen: Beim immer noch unfangreichen Tuning mitsamt dem sich erstmals auf die Leistung auswirkenden Autosculpt wurde die visuelle Darstellung des Windkanals wegrationalisiert, die lebendige Präsentation der Veranstaltungsorte wich einigen Standbildern. Kurz gesagt: (Fast) Alles Relevante ist zwar auch noch auf der PS2 drin, aber teils deutlich abgespeckt wer kann, rast lieber mit Next-Gen-Technik.

Meinung

Ulrich Steppberger meint: Was für ein Richtungswechsel: Need for Speed ProStreet befährt neue Pfade, die weit weg von den auf cool und hip getrimmten Vorgängern führen. Ob’s die Stammkundschaft toll finden wird, weiß ich nicht – mir gefällt’s. Durch den gestiegenen Anspruch und die realistischeren Fahrbedingungen braucht Ihr etwas Köpfchen, um vorne zu landen; dank der unterschiedlichen Renndisziplinen ist für Abwechslung gesorgt. Dass es diesmal keine richtige Story gibt, stört mich nicht, der Grafikstil ist allerdings nicht ganz mein Ding: Etwas spartanische Umgebungen lassen sich durch die gewählten Szenarien erklären, aber wieso fällt die Farbpalette so blass aus? Dass die obligatorischen Bildratenwackler wieder mit an Bord sind (allerdings weniger nervig als z.B. bei Carbon), überrascht auch nicht wirklich. Über alle Zweifel erhaben sind dagegen die tollen Automodelle, bei denen besonders die detaillierte Schadensdarstellung hervorsticht. ProStreet ist unverbraucht, fordernd und gibt Need for Speed einen neuen Kick nicht schlecht!

Matthias Schmid meint: Eigentlich wollte ich gar keine eigene Karre aufmotzen – die ebenso umfangreichen wie coolen Tuningoptionen haben mich aber einmal mehr dazu verleitet. Hier noch ein Decal, dort ein schicker Spoiler oder fettere Felgen und am Ende das Ganze mit einer edlen Lackierung garniert – fertig ist mein Traumschlitten. Trotzdem bin ich auf der Strecke nicht traurig, wenn Crashes Beulen und dicke Kratzer hinterlassen, ein solches Schadensmodell gehört eigentlich in jede HD-Raserei. Dass ich mehr als einmal die Bande küsste, liegt am knackigen Fahrverhalten: Die Autos haben Gewicht, brechen gern mal aus und fühlen sich echt an mein Kompliment an EA Black Box. Zwar schmecken auch mir die ähnlich aussehenden und farbarmen Hintergründe nicht, dafür ist auf den Pisten richtig Abwechslung geboten: Reifenzerstörende Drift-Challenges, packende Drag-Rennen und der spaßige ‘Sector-Shootout’-Modus sorgen dafür, dass so schnell keine Langeweile aufkommt. Für mich das beste Need for Speed überhaupt…

Thomas Stuchlik meint: Licht und Schatten: Der neueste Need for Speed-Teil punktet bei mir vor allem in Sachen Fahrspaß, zeigt aber hier und da technische Schwächen. Wie Kollege Ulrich muss ich die farb- wie detailarmen Umgebungen ankreiden. AufPS2 lassen sich in ruckeligerer Grafik gar nur drei Gegner blicken. Das Fahrverhalten.überrascht dagegen Need for Speed-untypisch mit großem Simulationseinschlag: Der eigene Bolide fährt sich sehr wuchtig und reagiert etwas behäbig auf hektische Lenkmanöver. Dennoch gelingen genaue Drifts und exaktes Folgen der Ideallinie mit etwas Einarbeitung sehr gut. So sorgen gerade die Speed Challenges für Nervenkitzel bei Höchstgeschwindigkeit. Ein falsches Lenkmanöver und Ihr seht Euch neben der Strecke wieder – schlimmstenfalls mit Totalschaden.

Wertung

55 Fahrzeuge mit richtigem Schadensmodell
4 Wettbewerbsarten: Grip-, Drift-, Drag- und Temporennen
11 Schauplätze rund um die Welt
aufgemotzte Tuningmöglichkeiten

Gelungener Kurswechsel: auf mehr Realismus und echten Rennsport setzende Raserei, die “Need for Speed” neuen Schwung bringt.

Singleplayer83MultiplayerGrafikSound

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