Call of Duty 4: Modern Warfare – im Klassik-Test (DS)

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Spiel:Call of Duty 4: Modern WarfarePublisher:ActivisionDeveloper:Infinity WardGenre:Ego-ShooterGetestet für:DSErhältlich für:DSUSK:18Erschienen in:1 / 2008

Auch ohne meterhohe Blutfontänen, abgetrennte Gliedmaßen oder mutierte Ekelzombies kann ein Spiel brutal und schockierend sein. So gesehen in einer Mission von Call of Duty 4. Hinter der Bordkanone eines Flugzeugs verfolge ich hektisch durcheinander laufende Menschen, die versuchen, den rettenden Waldrand zu erreichen. Ich zögere kurz, drücke aber ab und beobachte, wie eine gewaltige Explosion die Flüchtenden niederstreckt. Trotz Gegner in Ameisengröße und Schwarzweiß-Optik spüre ich die Härte des Krieges.
Eine völlig andere Spielerfahrung erlebte ich auf einer Mission in der Ukraine: Mit einem Kollegen stand eine unglaublich atmosphärische Schleichtour im strahlenverseuchten Tschernobyl auf dem Programm. Die Aufgabe: unbeschadet an dutzenden, schwer bewaffneten Söldnern vorbeizukommen, ohne Alarm auszulösen.

Mit einem Kameraden robbte ich durchs hohe Gras und bebte vor Spannung, als nur wenige Zentimeter entfernt die russische Patrouille vorbeischlenderte. Wir waren ein perfektes Team: Schaltete ich eine Wache mit einem gezielten Sniperschuss aus, folgte nur wenige Sekunden eine zweite tödliche Kugel aus dem Gewehr meines Begleiters. Als wir die feindlichen Soldaten umgangen hatten, war endlich ein wenig Zeit für einige bewundernde Blicke: In kühle Grautöne getaucht, reckten sich Betongerippe dem traurigen Himmel entgegen. Ein riesiger Versammlungsplatz, ganze Häuserblocks, ein Schwimmbad – leer, ausgestorben, tot. Gar nicht so leicht, in dieser Umgebung nicht befangen oder bedrückt zu sein.

Doch bereits der nächste Auftrag vertrieb diesen Anflug von Melancholie in mir: Wenn Kugeln durch die Luft fliegen, Autos explodieren, Granaten explodieren und Menschen sterben, wird meine HD-Glotze zum Fenster mit Blick auf die Front. Noch nie zuvor ist es einem Entwicklerteam gelungen, die Intensität des Krieges so beeindruckend, so brutal, so schonungslos an den Spieler zu bringen. Verantwortlich dafür ist natürlich in erster Linie die sensationelle Grafik: Beleuchtung, Detailgrad, Animationen und Effekte setzen Maßstäbe, famos inszenierte Zwischensequenzen und die aufwühlende Soundkulisse tun Ihr Übriges – heraus kommt das bestinszenierte ­Videospiel aller Zeiten.

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Verbunden mit diesem ungekannten Realismusgrad ist aber auch eine große Verantwortung: Wie zeige ich als Entwickler den Krieg? Stelle ich ihn in Frage, lasse ich ihn unkommentiert stehen oder rücke ich das letale Räuber- und Gendarmspiel gar in ein gutes Licht? An genau dieser Stelle hat Infinity Ward versagt – auf ganzer Linie. Die selbstgerechten, gnadenlosen Sprüche ­Eurer Kameraden peitschen Euch durch die knapp zehnstündige Kampagne. Gnade für den Feind ist ein Fremdwort – ’Wir machen keine Gefangenen’ lautet die Devise. Bombardiert Ihr aus luftigen Höhen ein kleines Dorf, ist das Spiel dank Wärmebildsicht kaum mehr von echten Filmaufnahmen zu unterscheiden – Treffer werden von johlenden Zurufen Eurer Kollegen begleitet. Landet Ihr einen blutigen Kopfschuss mit dem Scharfschützengewehr, raunt Euch der Kamerad ein begeistertes ’wunderschön’ ins Ohr. Dem Spielspaß sind die Glorifizierung der Gewaltanwendung und der himmelschreiende Hurra-Patriosmus der ’Guten’ allerdings zu keinem Zeitpunkt abträglich, ein verantwortungsvoller Umgang mit der pikanten Thematik sieht aber anders aus.

Dabei hätte das die abwechslungsreiche Schießerei zu keinem Zeitpunkt nötig: Während Ihr im gnadenlosen Häuserkampf von Deckung zu Deckung huscht, eine Anhöhe gegen den Feind verteidigt oder aus dem Hubschrauber eine orientalische Stadt unter Beschuss nehmt, kommt die spielerische wie optische Abwechslung nie zu kurz. Dabei wechselt Ihr regelmäßig die Hauptcharaktere: Die Story um Terrorbekämpfung, Nuklearwaffen & Co. erlebt Ihr als britische SAS-Einsatzkraft und als US-Army-Soldat. Die Abfolge der Missionen ist ebenso streng vorgegeben wie der Ablauf eines Einsatzes selbst – von Euren Kollegen angetrieben, bewegt Ihr Euch stets im Team durch die oft recht eng gesteckten Areale. Wer seinen KI-Spezis nicht folgt, hat kaum Aussicht auf Erfolg: Zum einen weil viele Ereignisse gescriptet sind und Ihr ohne ihr Zutun feststeckt. Zum anderen, weil Euch die Kameraden eine echte Hilfe sind, ohne die Ihr die Schlachten meist nicht über­leben könnt.

Natürlich alle Fakten zum herausragenden Multiplayer-Modus – diese Infos findet Ihr auf der dritten Testseite. Mehrspieler-­Gefechte sind auch in der DS-Version von CoD 4 drin – sogar mit nur einem Modul. Die Handheld-Schlachtplatte schlägt sich im Rahmen der technischen Möglichkeiten überraschend gut – die Areale wurden speziell ­angepasst, die Steuerung ist akkurat. Darüber hinaus glänzt die Mobilversion mit feiner Sprachausgabe und kleinen Minispielen bei der Bombenentschärfung. Im Gegensatz zu den großen Brüdern ist Abwechslung jedoch Mangelware.

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Scheinbar hatten die Entwickler keine Lust auf die x-te beliebige Standard-Mehrspieler-Knallerei. Da blieben ihnen nur zwei Möglichkeiten: entweder ganz weglassen oder besser machen. Zum Glück für alle Freunde kerniger Online-Shootouts entschied sich Infinity Ward für die zweite Variante. Denn gleich mehrere Eigenheiten machen die Multiplayer-Erfahrung von Call of Duty 4: Modern Warfare so besonders. Neben fünf Standardklassen wie Allrounder, Sniper & Co. gibt’s einen Klasseneditor – dort bastelt Ihr Euch Euren Wunschsoldaten zusammen. Zig Primär- und Sekundärknarren, verschiedene Granaten, Waffenaufsätze und Tarnfarben dürfen hier fast nach Belieben kombiniert werden.
Hinzu kommen drei Slots für die so genannten Extras: Damit macht Ihr Euch schneller, widerstandsfähiger oder geschickter. Zusätzliche Gimmicks wie das Hinterlassen einer Granate nach dem Tod oder das verbesserte Schießen durch die Wand sorgen für viel Abwechslung und Tiefe. Je mehr Vorgaben (’Lande 20 Kills mit der Shotgun’, ’Laufe 26 Meilen’) Ihr während der Matches quasi im Vorübergehen erfüllt, desto mehr Extras, Tarnfarben, Ballermänner und Modi schaltet Ihr frei. Verfügbar ist dieser prächtige Editor aber erst ab einem bestimmten Level – wer basteln will, muss schon einige Erfahrungspunkte auf seinem Konto haben. Doch keine Sorge, fünf Online-Matches sollten ausreichen – dann seid Ihr aber längst suchtgefährdet, so gut ist Call of Duty 4 als Mehrspieler-­Shooter.

18 aufwändig gestaltete Karten, die meist von Levels der Solokampagne inspiriert sind, laden zu Deathmatches, Teamkämpfen oder anderen Varianten wie ’King of the Hill’ oder ’Domination’ ein.

Anfangs sind aber nur die beiden erstgenannten Modi verfügbar. In der dünnen Anleitung von Call of Duty 4: Modern Warfare findet Ihr zu dieser Fülle an Spielmodi genauso wie zu den anderen Online-Features oder Einstellungsmöglichkeiten leider kein Sterbenswörtchen. Wer drei, fünf oder sieben Kills in Folge abstaubt, freut sich über einen Radarscan (zeigt alle Gegner in der Nähe an), Luftschlag oder Heli-Unterstützung – einmal erworben, bleiben diese praktischerweise auch nach dem Ableben verfügbar. ­Natürlich gibt’s auch ein Party-System à la Halo 3 – spielt Ihr gegen bestimmte Gegner besonders gern, gründet einfach eine Gruppe und zockt weiter zusammen. Damit Ihr auch lange Freunde bleibt, hat Infinity Ward auf das ’Friendly Fire’ verzichtet, sprich Ihr könnt Eure Teamkollegen nicht versehentlich verletzten. Ach ja: Es läuft perfekt flüssig!

Meinung

Matthias Schmid meint: Trotz des nervigen Patriotismus und der allgegenwärtigen Gewaltverherrlichung habe ich Call of Duty 4 genossen wie selten ein Spiel zuvor. Das liegt zuallererst an der bombastischen Optik und der packendsten Präsentation der Videospielgeschichte. Beim Schleichgang in Tschernobyl, der Panzerbefreiung im Sumpf oder den derbsten Häuserschlachten, die ich je gespielt habe, schlägt mein Herz beinahe so heftig wie die Membran im Subwoofer. Wunschlos glücklich bin ich ebenso in puncto Steuerung und Abwechslung – Langeweile, was ist das noch mal? Die Animationen meiner Verbündeten sind superb, die Waffenauswahl lässt keine Wünsche offen. Gerade für mich als Freund von Snipereinsätzen und der geduldigen ’Ballern-Deckung-Nachladen’-Vorgehensweise ist Call of Duty 4 die Erfüllung eines lang gehegten Ego-Shooter-Traums.

Oliver Schultes meint: In puncto dramatischer Inszenierung eines Krieges kann Call of Duty 4 zurzeit kein Game das Wasser reichen. Beim Spielablauf sieht’s allerdings anders aus: Half-Life 2: The Orange Box oder Bio­Shock haben weit mehr auf dem Kasten. CoD 4 steckt Euch nämlich enge Grenzen, in denen Ihr Euch bewegen dürft. Das heißt: Ihr hangelt Euch von einem vorbestimmten Ereignis zum nächsten und nur wenn Ihr unsichtbare Linien überschreitet, geht’s weiter. Das funktioniert meist problemlos (Ihr lauft dem Befehlshaber hinterher), an einigen Stellen nervt’s aber (Ihr müsst unlogischerweise voranstürmen, damit der ganze Trupp folgt). In den chaotischen Massenschlachten geht schließlich oftmals die Übersicht flöten. Aber: Ich meckere hier auf höchstem Niveau!

Michael Herde meint: Stroboskopartiges Mündungsfeuer schneidet durch die Dunkelheit, als ich angeschlagen unter einem Bürotisch kauere – in diesem Moment wurde mir die zynische Kriegstreiberei zu viel und ich spielte BlackSite zur Entspannung. Einen derart intensive Ego-Shooter-Geisterbahn habe ich noch nicht erlebt. Im Sekundentakt brechen gescriptete Höllen­szenarien los und lassen kaum Zeit zum Durchatmen. An sich grandios, wenn der geschmacklose US-Patriotismus nicht so unangenehm wäre.

Ulrich Steppberger meint: Der Hauruck-Patriotismus der Solo-Kampagne stört mich nicht weiter, das muss man eben als gegeben hinnehmen. Schade finde ich eher, dass es keine Koop-Option gibt – gerade online wäre das noch das Sahnehäubchen gewesen. Apropos online, besser als bei CoD 4 geht’s fast nicht mehr. Okay, Halo 3 hat vielleicht zusätzlichen Editor-Schnickschnack, aber Infinity Wards Bombastballerei brilliert auch so mit großartig aussehenden Maps, zahlreichen gelungenen Spielmodi und vielen Extras – das Hochleveln macht deshalb einfach gnadenlos viel Spaß. Selbst mich als bestenfalls mäßig begabten Ego-Shooter-Spieler hat’s richtig gefesselt, da sich die ersten Erfolge schnell einstellten.

Wertung

der bislang intensivste Ego-Shooter
knapp 10 Stunden Spielzeit
Ihr kämpft im nahen Osten sowie in ehemaligen Sowjetunion
Charakter-Editor im Multiplayer-Modus

Die Shooterhölle auf Erden: herausragend inszenierte Edelballerei mit vielen Höhen und kleineren Tiefen – nur für Erwachsene!

Singleplayer74MultiplayerGrafikSound

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