Assassin’s Creed – im Klassik-Test (PS3)

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Spiel:Assassin’s CreedPublisher:UbisoftDeveloper:Ubisoft MontrealGenre:Action-AdventureGetestet für:PS3Erhältlich für:360, PS3USK:16Erschienen in:1 / 2008

’High Concept’ bezeichnet Filme und TV-Serien, deren Inhalt sich in zwei Sätzen ­zusammenfassen lässt und die durch perfekt durchgestylte Bilder beeindrucken. Die Arbeit des Erfolgs­produzenten Jerry Bruckheimer (”Pearl Harbor“) beispielsweise steht für High Concept in Reinform, dasselbe gilt nun auch für Jade Raymond und Assassin’s Creed.

Hier der Beweis in zwei Sätzen: Ihr erkundet neun Stadteile der ­Metropolen Damaskus, Jerusalem und Akkon zur Zeit des Dritten Kreuzzuges und löst kleinere Aufträge, um nacheinander neun Zielpersonen auszuschalten. Ihr klettert problemlos auf alles, was Ihr seht und schaltet an Aussichtspunkten neue Karten­bereiche frei, flitzt über die Dächer und fechtet reaktionsbasierte Simpelkämpfe aus. ­Geschafft – Spiel beschrieben.

Die rudimentäre Story hat zudem einen gewitzten SciFi-Kniff, der gleich zu Beginn enthüllt wird. Der krasse Cliffhanger am Ende des Spiels macht außerdem unmissverständlich klar, dass die Geschichte in weiteren Episoden fortgeführt werden soll. Aber noch ist das Zukunftsmusik, ebenso wie die Story des Spiels: Euer Avatar heißt nicht etwa Altaïr, sondern hört auf den modernen Namen Desmond Miles. Der erwacht als Gefangener in einer High-Tech-Anlage, wo er als Versuchskaninchen einer mysteriösen Vereinigung missbraucht wird. Mit Hilfe einer futuristischen Apparatur namens ’Animus’ sollen genetisch vererbte Erinnerungen von Desmonds Assassinen-Ahnen aufgespürt werden. Hier kommt der bekannte Kuttenträger ins Spiel, denn nachdem sich Desmond in den Animus eingeloggt hat, simuliert der die mittelalterlichen Missionen ­Altaïrs, die Desmond möglichst akkurat nacherleben soll. Doch gleich in der einführenden Mission verpatzt Altaïr einen Auftrag und wird von seinem Ordensführer degradiert.

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Um Euch erneut Rang und Namen zu verdienen, reist Ihr im Auftrag des Meisters zu Fuß und hoch zu Ross über die großzügig angelegte Oberwelt und steuert eine von drei altertümlichen Großstädten an. Dort besucht Ihr das örtliche Assassinenbüro, lasst Euch von der Zielperson berichten und macht Euch auf, die Stadt zu erkunden. Da Altaïr in Ungnade gefallen ist, muss er sich den Segen seines Ordens verdienen und drei von sechs möglichen Aufklärungsmissionen absolvieren. Sucht also Informanten auf, die Euch unter irgendeinem Vorwand Hilfe abnötigen. Der eine hat ein geschundenes Bein, einem anderen schmerzt der Rücken – kein Witz! Mal tötet Ihr unter Zeitdruck unbemerkt ein paar Opfer, ein anderes Mal absolviert Ihr einen Hindernisparcours, um Flaggen einzusammeln. Alternativ beklaut Ihr bestimmte Passanten, um wichtige Dokumente zu erhaschen oder prügelt die gewünschten Fakten aus einem Spitzel heraus. Habt Ihr genügend recherchiert, geht’s zurück ins Büro, kurz den Segen abgeholt, dann weiter zum heimtückischen Meuchelmorden. Folgt der Karte, spürt Euer Opfer auf und erledigt es.

Für Euren Fortschritt unbedeutend ist das Retten von Bürgern in Not. Zettelt einen Kampf mit den unruhestiftenden Soldaten an, zur ­Belohnung winkt die Solidarität kleiner Partisanengruppen. Der Nutzen: Solltet Ihr jemals durch das Viertel der Gang flüchten, stellen sich Eure neuen Freunde den Verfolgern in den Weg. Mitunter ist das recht praktisch, denn die Häscher sind verdammt hartnäckig. Gerade nach ­geglückten Attentaten jagen sie Euch erbarmungslos durch die Straßen und über die ­Dächer der Stadt.

Eigentlich solltet Ihr Euch möglichst unauffällig durch die Stadt bewegen – so ist es Credo Eures Ordens. Zivilisten sollen nicht getötet werden, tut Ihr es dennoch, verliert Des­mond schrittweise den guten Draht zu seinem Ahnen. ’Synchronizitätsanzeige’ heißt der sich regenerierende Energiebalken in Assassin’s Creed. Außerdem werden Wachen auf Euch aufmerksam und es kommt zum Kampf. Der gestaltet sich überraschend simpel, wenn auch nicht immer einfach: Haltet die rechte Schultertaste gedrückt, um zu blocken, betätigt einen weiteren Button, um anzugreifen. Sobald Ihr das notwendige Update errungen habt, ist ­Timing gefragt: Kombiniert die beiden Tasten, um einen blutigen Konter-Angriff mit Kurz- oder Langschwert zu starten. Assassinendolch, Würfe und Verteidigungsbrecher dazu, fertig ist das Kampfsystem.

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Wer nicht kämpft, der flüchtet und versucht, aus dem Blickfeld seiner Jäger zu gelangen, um dann in Strohhaufen oder Dachpavillons unterzutauchen. Oder Ihr setzt Euch unauffällig auf eine Bank, denn da sucht keiner! Gerade das Flüchten ist eines der spannendsten Elemente im Spiel. Zwei Tasten gedrückt halten und ­Altaïr rempelt sich durch die Massen, springt und rennt atemberaubend animiert über die Dächer und klettert an fast jeder Oberfläche empor. An jedem noch so kleinen Vorsprung, Balken oder Stein hält er sich fest, ­dirigiert wird mit dem linken Stick. Simple Jump’n’Run-Einlagen, überschaubare Kampfsteuerung, eine Mission wie die andere – was ist so toll an Assassin’s Creed?

Die Grafik macht’s: Die Spielwelt ist ohne Übertreibung eine der schönsten, die je in einem Videospiel zu sehen war. Die drei Städte unterscheiden sich primär durch einen schicken Farbfilter, auch die Architektur gestaltet sich anders. Darüber hinaus strotzt jede der Metropolen vor Liebe zum Detail – wenn erst eine vorüberziehende Wolke ihren Schatten auf Altaïr wirft, kommt Ihr aus dem Staunen nicht heraus. Ob langsam durch die Massen gleiten oder im Schweinsgalopp Passanten umrempeln, über Dächer hetzen, oder Klettern in engen Gassen – ­alles steckt voller Leben und wird von der Bevölkerung kommentiert. ­Leider hapert es an Variation bei den Sprachsamples und außer einigen Kreuzrittern und Flaggen gibt’s nichts zu entdecken.

Assassin’s Creed ist also ein High-Concept-Titel, der in puncto simpler Steuerung, Grafik und Ambiente Maßstäbe ­setzt und vorrangig durch die ­Anmut der imposanten Mittel­alterwelt motiviert. Wer hin­gegen Wert auf spielerischen Tiefgang legt und auf Abwechslung nicht verzichten möchte, der sucht besser woanders. Alle anderen sollten dieses Spiel auf jeden Fall einmal gesehen haben.

Meinung

Michael Herde meint:
Allein beim Schneiden des DVD-Berichts bin ich immer wieder ins Schwärmen gekommen. Wenn ich von sanften Klängen begleitet auf meinem Pferd gemächlich nach Jerusalem reite, ist die Welt in Ordnung und beinahe vergesse ich, dass ich mich zwischenzeitlich auch recht gelangweilt habe. Assassin’s Creed macht zwar das, was es macht, sehr gut, aber es macht einfach zu wenig. Der immer gleiche Missionsablauf und die Kampf- bzw. Bewegungssteuerung sind mir zu banal. In dieser Spielwelt steckt deutlich mehr!
Unfreiwillige Komik beispielsweise, die aus den sich häufig wiederholenden Sprachsamples resultiert. ”Dieb, elender Lump”, rufen manche Soldaten fast im Sekundentakt. Davon abgesehen hält sich der Sound angenehm zurück und unterstreicht die exzellente Präsentation dieses Spiels.

André Kazmaier meint: Anfangs kannte meine Euphorie kaum Grenzen, denn in vielen Bereichen setzt die Meuchelmär neue Akzente: Die Free-Running-Einlagen erreichen in Sachen Dynamik ein neues Level, die Klettereien laufen extrem realistisch ab und eine solch lebendige Stadt gab es noch nie zu bewundern. Optisch ist Assassin’s Creed sowieso über jeden Zweifel erhaben: Die Städte sehen atemberaubend aus und die Inszenierung versprüht beispielloses Film-Flair. Dafür scheint die Zeit bei der Entwicklung nicht für ein abwechslungsreiches Missionsdesign ausgereicht zu haben: Jeder Auftrag läuft gleich ab – das langweilt irgendwann. Was sich die Entwickler beim Schluss gedacht haben, ist mir auch ein Rätsel: Monotone Massengefechte am laufenden Band und der üble Cliffhanger ziehen den Gesamteindruck für mich noch weiter herunter.

Ulrich Steppberger meint: Assassin’s Creed ist vielleicht nicht ganz die erhoffte spielerische Offenbarung geworden, aber eins wird niemand bestreiten: Grafisch hat Ubisoft wirklich alle Register gezogen – wer von der brillanten Inszenierung des nahöstlichen Mittelalters nicht hingerissen ist, braucht dringend eine Brille. Schade nur, dass dafür wohl bei den Audio-Aufnahmen gespart wurde, so oft, wie sich die immer gleichen Sprüche wiederholen… Apropos wiederholen: Die Aufträge sind in der Tat stets sehr ähnlich, aber mich stört das weniger. Dank der tollen Steuerung und Atmosphäre hat mich Altaïrs Abenteuer trotzdem gefesselt.

Jan Königsfeld meint: Altaïrs beziehungsweise Desmonds Abenteuer konnte mich nicht in seinen Bann ziehen. Mir bietet das handwerklich erstklassige Werk außer den wirklich beeindruckenden Wandkraxeleien zu wenig. Die Geschichte riss mich nicht mit – daran tragen sicherlich auch die trist in Szene gesetzten Labor-Sequenzen Schuld. Die Gefechte sind hübsch anzusehen, fühlten sich für mich aber etwas undynamisch an. Schade, dass mir dieses audiovisuelle Meisterwerk nicht gefallen mag.

Wertung

erkundet 3 Großstädte + Königreich
deutsche Sprachausgabe durchwachsen
einfache Kletter-, Sprung- und Kampf- steuerung
9 Zielpersonen stehen auf Eurer Liste
Missionen sind sehr ähnlich aufgebaut

Atemberaubend schöner Ausflug in die Zeit der Kreuzzüge, der in spielerischer Hinsicht viel Potenzial verschenkt.

Singleplayer82MultiplayerGrafikSound

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