Halo 3 – im Klassik-Test (360)

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Spiel:Halo 3Publisher:MicrosoftDeveloper:BungieGenre:Ego-ShooterGetestet für:360Erhältlich für:360USK:18Erschienen in:11 / 2007

Wer immer schon wissen wollte, welcher Inspirationsquellen sich Halo bedient, bekam im Frühjahr 2007 eine Antwort: In opulente Bilder gekleidet, erzählte der Hollywoodstreifen “300“ die Geschichte des spartanischen Heeres, das sich im Verbund mit anderen griechischen Streitkräften im Jahre 480 v. Chr. der zahlenmäßigen Übermacht der Perser entgegenstellte. Obgleich der Film ein gnadenlos überzeichnetes Bild der Spartaner erschuf, vermittelte er doch auch dem letzten Geschichtsmuffel einige interessante Fakten: Schon nach der Geburt wurden die männlichen Kinder einer Selektion unterzogen – nur die stärksten sollten die ‘Agoge‘, die spartanische Erziehung, erfahren. Mit unnachgiebiger Härte und militärischem Drill sollte so eine Kriegerelite geschaffen werden, die in der Lage war, Sparta zu verteidigen. Gut 3.000 Jahre später wiederholt sich die Geschichte: Um sich gegen Alienrassen zur Wehr setzen zu können, werden im Halo-­Universum 75 Kinder auserwählt.

Sie sollen mittels Gen-Doping zu ’Spartans‘ werden – Ausnahmekämpfer, die der Menschheit das Überleben im 26. Jahrhundert ­sichern. Ihr Engpass bei den Thermopylen ist die prachtvolle Ringwelt Halo, ihr König Leonidas ist Spartan 117, der Master Chief. Gut verpackt im MJOLNIR-­Anzug (in der nordischen Göttersage Edda der Name für den Hammer des Donnergottes Thor) gibt er Aliens, Floodparasiten und anderem Übel seit
nunmehr drei Episoden Saures.

Die Namensgleichheit zum Gottes­hammer ist sicher nicht zufällig, stellt diese Rüstung doch eine der wichtigsten Waffen des Master Chiefs dar: Nur dank der regene­rativen Schildenergie ist es dem Mann, der vormals auf den Namen John hörte, überhaupt möglich, seinen Feinden zu trotzen. Welche Auswirkungen dieses damals neuartige ­Energiesystem auf das Action-Genre hatte, sollte mittlerweile ­jedem Gamer bekannt sein: Seit Halo – Kampf um die Zukunft (im Original Halo – Combat Evolved) ist es schick, den Ballerhelden nicht mehr mit heilenden Medipacks am Leben zu erhalten, sondern ihm eine sich regenerierende Lebens­energie zur Seite zu stellen.

Natürlich fußt auch Halo 3 auf diesem Grundprinzip: Habt Ihr ­einige Treffer geschluckt, marschiert die Energie Eurer Schilde stramm ­gegen null – dann heißt es, schleunigst Deckung aufsuchen. Im Schatten eines Baumes oder hinter einer Hauswand für einige Sekunden die virtuellen Glieder geschont, seid Ihr schnurstracks wieder fit für die nächsten Schießereien. Davon gibt‘s im dritten Teil – welch‘ Überraschung – nämlich jede Menge. Ihr verwandelt die wie immer nervigen, kleinen Alienquäker mit einer gezielten ­Salve in einen wild gackernden ­Hühnerhaufen, sprengt dicken Brute­brocken die ­auf Hochglanz polierte Rüstung vom Leib oder rammt einem Feind das Pa­r­tikelschwert zwischen die Rippen.

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Wer fürchtet, die MAN!AC könnte ihm die Spannung verderben, den ­finalen Boss beim Namen nennen und das Ende mal schnell in einem Nebensatz spoilern, darf aufatmen. Wir haben Halo 3 mit Genuss durchgezockt, die in vielen Echtzeitsequenzen erzählte Story in uns aufgesogen und werden den Teufel tun und Euch dieser Erfahrung ­berauben. Wer die Vorgänger ­gespielt hat, kann auch so erahnen, dass im Spielverlauf Namen wie Cortana, Artefakte, Prophet oder Allianz auftauchen werden.

Wie schon in Teil 2 bereist Ihr auch in der dritten Episode ganz unterschiedliche Umgebungen: Ihr schlagt Euch durch dichten Dschungel, steigt in unterirdische Labyrinthe hinab, marschiert durch klirrend kalte Gebirgszüge und trostlose ­Wüsten, streift in verwaisten Raumbasen umher, nehmt an Luftschlachten teil und braust mit dem Warthog über die grasgrüne Pampa. Ebenso vielfältig wie die optischen Kulissen präsentiert sich das Missionsdesign: Mal tapst Ihr einsam und verlassen durch ein atmosphärisches Schachtsystem, mal kämpft Ihr im Verbund mit vielen Kollegen. Ihr müsst Luftabwehrstellungen ausschalten, Festungen verteidigen oder Verbündete aus dem Kerker befreien. Natürlich gehören auch Spritztouren in der Halo-Serie zum guten Ton: Zu altgedienten ­Vehikeln wie dem ’Ghost‘-Flitzer oder dem ’Scorpion‘-Panzer gesellen sich einige neue Gefährte.

Wie ihre vier­rädrigen Pendants steuern sich auch die ­Brute-Boliden ganz hervorragend. Das Eierschalen-Gefühl aus “Halo“ ist längst Geschichte: Mit den beiden Sticks dirigiert Ihr Kampfbuggy & Co. gekonnt über sandige Hügel, zwischen Baumgruppen hindurch oder auch schon mal im Sprung über eine Lücke, die auf einer zertrümmerten Brücke klafft. Während sich die Fahreinlagen zu Beginn sehr in Grenzen halten, klemmt Ihr Euch im späteren Spielverlauf öfter hinters Lenkrad und nehmt an Massenschlachten teil. Praktischerweise richten sich die KI-Kameraden nach Eurem Befehl: Wollt Ihr ans Steuer, rücken die Kollegen auf den Beifahrerplatz. Wisst Ihr in den weitläufigen Außenarealen wegen der manchmal vagen Zielführung nicht, wo’s langgeht, fahren Euch die Kollegen zum Ziel – Ihr ballert derweil mit dem Bord-MG gemütlich Aliens zu Brei oder stört Euch am bisweilen stark sichtbaren Grasaufbau bei höherem Tempo.

Überhaupt werden Technik-Fetischisten wohl nur einseitig glücklich mit Bungies jüngstem Sprössling. Zwar wird Euer Gehör mit wuchtigen Effekten, epischen Melodien, ratternden Waffensounds und einer tollen englischen Sprachausgabe verwöhnt (die deutsche Synchronisation war in unserer Testversion noch nicht verfügbar), wer mit Halo 3 aber eine Grafikbombe erwartet hat, wird in dieser Hinsicht enttäuscht sein. Denn die optische Qualität des Titels schwankt zwischen richtig gut und mittelmäßig. War Halo auf der Xbox einst ein grafischer Vorzeigetitel, wurde dieses Ziel mit Teil 3 klar verfehlt. Noch während Ihr Euch an den fetten Effekten, der konstant guten Bildrate, dem hohen Gegneraufkommen und der feinen Weitsicht erfreut, holen Euch starkes Kantenflimmern, teils grobschlächtige Modelle und etliche Matsch­texturen auf den Boden der Tatsachen zurück. Mit Ausnahme einiger sehr echt erscheinender, organischer Levelabschnitte wirken viele Dinge in Halo 3 ­klobig und eckig.

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Den eigentlichen Spielspaß mindert dieser Negativpunkt aber kaum, schließlich definiert sich das Shooter-Schwergewicht seit jeher nicht ausschließlich über die Grafik. Aufgefallen ist uns zum Beispiel das elaborierte Gegnerverhalten: Aliens entgehen gekonnt Euren Granaten, verschanzen sich hinter Kisten oder Wrackteilen und weichen auch schon mal zurück. Habt Ihr einem Brute-General die Rüstung zerbröselt, tritt der den Rückzug an oder rastet gar völlig aus – dann rettet Euch nur ein flinker Schritt zur Seite vor seinen tödlichen Prankenhieben.

Wie sich die Gegner Eurem Spielverhalten anpassen, hängt zudem vom Schwierigkeitsgrad ab: Während es uns auf ’Leicht‘ möglich war, ohne zu schießen an vielen Feinden vorbeizueilen, leisten die Burschen auf ’Normal‘ schon richtig Widerstand – einige richtig knackige Passagen inklusive. Wer ’Heroisch‘ auswählt, kann sich auf deutlich aggressivere und treffsichere Schergen gefasst machen, auch die Zusammensetzung der Feindgruppen ist dann happiger. Dank zahlreicher, gut gesetzter Rücksetzpunkte bleibt‘s aber meist fair. Knüppelharte Zocker schließlich wagen sich an den ’legen­dären‘ Schwierigkeitsgrad, akzeptieren ­unzählige Tode und sollten enorm frustresistent sein. Demzufolge ­variiert auch die Spielzeit von Halo 3: Seht Ihr auf ’Normal‘ den Abspann bereits nach zirka acht Spielstunden, solltet Ihr schon bei ’Heroisch‘ ungefähr zwölf veranschlagen. Habt Ihr Euer Können falsch eingeschätzt, dürft Ihr jederzeit den Schwierigkeitsgrad ändern – lediglich das aktuelle Kapitel muss dann noch einmal gestartet werden.

Wie schnell Ihr im Spiel vorankommt, hängt natürlich auch von der Wahl der Waffen ab: Halo 3 bietet eine solche Vielzahl an unterschiedlichen Witwenmachern – da kommt jede Spielernatur (Rambo vs. Sniper) auf ihre Kosten. Egal, ob durchschlagender Alien-Laser, herkömmliche Projektilknarren oder Nahkampfwaffen – dank einiger Neuzugänge im Arsenal ballert Ihr abwechslungsreicher denn je. Wie schon in den Vorgängern dürft Ihr nur zwei Knarren gleichzeitig mit Euch herumtragen, alle weiteren Infos zu den Bleispuckern findet Ihr im Extrakasten auf der vorhergehenden Doppelseite. Hinzu kommen der herzhafte Kolbenschlag sowie der Einsatz von Granaten – oftmals sind die explosiven Eier der Schlüssel zum Erfolg. Wirklich neu an Halo 3 sind die zahlreichen ­Gegenstände bzw. Power-Ups, die Ihr auf X-Knopfdruck aus dem Ego-Rucksack zaubert: Macht Euch für einige Momente unverwundbar, haltet ­Projektile mit der Schildblase auf (auch grafisch ein Genuss) oder tarnt Euch. Weitere transportable Gimmicks sind ein automatisches Geschütz, ein Energieschild, die Blendgranate oder der Energiesauger ’Power Drain‘ – dieser wirkt gegen Mensch und Maschine.

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Halo “ macht auch aus Solisten wahre Multiplayer – Ihr könnt nämlich die komplette Kampagne kooperativ mit bis zu drei Kollegen bestreiten. Dabei ist es egal, ob die Kumpels bei Euch in der Bude vor dem Splitscreen kleben, via System Link Eure Mission unterstützen oder irgendwo auf der Welt das Battle Rifle nachladen. Allerdings muss die Party bereits vor Missionsbeginn vollzählig sein – mitten in der Schlacht einzusteigen, ist nicht möglich. Bei unseren ausgiebigen Koop-Sessions kam uns das Sprichwort ’Geteilte Freude ist doppelte Freude‘ in den Sinn. Fiese Aliens von mehreren Seiten zu umzingeln macht mit menschlichen ­Kollegen gleich noch mal so viel Spaß. Praktischerweise taucht Ihr nach dem Exitus neben den noch lebenden Mitspielern auf – es sei denn, diese befinden sich mitten in einem Schusswechsel. Im Team empfehlen wir auch ungeübteren Spielern einen höheren Schwierigkeitsgrad – mit vierfacher Feuerpower zwingt Ihr selbst einen haushohen Scarab schneller in die Knie.

Wer seinen Mitspielern lieber Feuer unter dem Hintern macht, ist mindestens ebenso gut aufgehoben. Auf satten elf Karten und in etwa ebenso vielen Spielvarianten kürt Ihr den Halo 3-Champ. Dank intelligentem Matchmaking-System muss auch ­Anfängern nicht bange sein – sie werden sich nicht mit den besten Spielern des Universums messen müssen. Wir konnten alle Maps antesten und waren begeistert: egal, ob ein ’Slayer‘-Deathmatch mit 16 Kämpfern in den weitläufigen ’Sand Traps‘ und eine Partie Capture the Flag, King of the Hill oder Oddball (Wer hält einen Totenschädel am längsten in Händen?) in ’Valhalla’ (aus der Mehrspieler-Beta bekannt). Genial auch ein Team-Deathmatch (mit mehr als zwei Mannschaften spielbar) in einer der kleineren ­Karten – das bedeutet Action satt! Besonders gefallen hat uns die Variante ’Infection‘: Zwei der 16 Mitspieler starteten hier als Zombies. Mit jedem Kill, den die Untoten landeten, gesellte sich ein weiterer Infizierter auf ihre Seite. Am Ende flüchtete ein einziger gesunder Spartan wild ballernd durchs Level – verfolgt von 15 Zombies, die mit geschliffenen Partikelschwertern auf den finalen Kill lauerten. Abgerundet wird dieses prall geschnürte Paket von zwei komplett neuen Modi – dem ’Forge‘-Editor und der ’Saved Films‘-Option.

Meinung

Mattjias Schmid meint: Die Kampagne von Halo 3 bietet ein wahrlich tolles Spielerlebnis mit abwechs­lungsreichen Settings, einer Vielzahl an genialen Wummen (ich liebe den Gravity Hammer) und intensiven Schusswechseln. Großartige Neuerungen im Vergleich zu Teil 2 bietet er aber nicht! Die frischen Items wie Schildblase oder Energieabsauger sind nette Gimmicks, stellen aber keinen großen Mehrwert dar. Auch die knappe Spielzeit ist für Solisten ein Problem – schließlich hat nicht jeder Gamer Lust, die Kürze der Levels durch einen ­höheren Schwierigkeitsgrad zu kompensieren. Während die Kämpfe auf den Vehikeln ein spielerisches Highlight darstellen, muss ich die geringe Anzahl an echten Bossfights kritisieren – auch das ’Zuerst hin, dann zurück‘-Missionsdesign mancher Kapitel stört mich. In grafischer Hinsicht bin ich von Halo 3 enttäuscht – schließlich zeigen einige fette Explosionen, welch optisches Feuerwerk die Bungie-Jungs abbrennen könnten. Referenzverdächtig hingegen sind Steuerung und Musikuntermalung – die sorgt regelmäßig für Gänsehaut. Ebenfalls ein Knaller ist der Mehrspieler-Part: ­genialer Koop-Modus, krachige Death-Matches (Xbox Live & Splitscreen), einfallsreicher ’Forge‘-Editor und lässige ’Saved Films‘. Wir sehen uns online…

Wertung

das erste Next-Gen-”Halo”
führt die epische Geschichte fort
Action satt ohne Rätselballast » viele Fahrzeug-Abschnitte
umfangreicher Mehrspieler-Modus
Bonus-Features wie Karten-Editor, Screen­shots und gespeicherte Filme

Ein feines Shooter-Paket: ”Halo 3” punktet mit Topsteuerung und dickem Mehrspieler-Part – grafisch ist’s nicht der erhoffte Knüller.

Singleplayer89MultiplayerGrafikSound

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