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Turok ist einer der wenigen Pioniere des Ego-Shooter-Genres, der nicht schnurstracks auf dem deutschen Index landete. Zu verdanken hat die Serie dies nicht nur der Tatsache, dass Euch im Erstling hierzulande Roboter statt Menschen vor die Flinte sprangen. Schließlich war die Jagd auf angriffslustige Dinosaurier seit Anbeginn wesentliches Spielelement. Die sind bekanntermaßen nicht besonders menschenähnlich, alle bissig und zudem sogar schon ausgestorben. Weil das die Nazis leider immer noch nicht ganz sind, hatte id Softwares legendärer Ich-Schießer einen deutlich schwereren Stand. Auch russischen Agenten – und seien sie noch so erzschurkisch veranlagt – in ihre Weichteile oder zwischen die goldenen Augen zu ballern, ist schlecht, schlimm und gehört gefälligst verboten. Schließlich macht ein solches Killerspiel die Jugend automatisch zum Straftäter.
Zum Glück sind die Zeiten der Radikal-Indizierung von Ego-Shootern vorbei – wer nicht gleich menschliche Körperteile vom Himmel regnen lässt oder Leichen bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, darf auf das USK-Prüfsiegel ’Keine Jugendfreigabe’ hoffen. Nun regnen aber beim neuen Turok regelmäßig Fleischbrocken herab, winden sich zuckende Leichen im Todeskampf oder fließt das hochaufgelöste Blut in Strömen.
Ach ja, richtig – es sind ja nur Dino-Blut, Dino-Fleisch und Dino-Leichen. Klar, dass eine Gesellschaft, die das Abschlachten unzähliger Lebewesen für die tägliche Leberkäs-Semmel oder das abendliche Wurstbrot ohne Murren in Kauf nimmt, in dieser Beziehung abgestumpft ist. Die Regel ist: Dinos bluten, platzen, zucken – Menschen nicht. Versteht uns an dieser Stelle nicht falsch, wir wollen nicht den Moralapostel spielen, sondern wundern uns einfach, dass die Kämpfe mit den Echsen derart brutal ausfallen müssen. Sicher trägt dies zur Intensität der Kämpfe bei, legt aber auch die Frage nahe: Würde das nicht gleichermaßen für die Schusswechsel mit den menschlichen Feinden gelten? ”Man wolle die Grenzen des guten Geschmacks nicht überschreiten”, erklärte uns Josh Holmes, Vizepräsident des Turok-Entwicklerstudios. Vielleicht wollte man aber auch einfach die Probleme vermeiden, die Rockstar mit Manhunt 2 bekam. Was sich der Entwickler des Kassenschlagers GTA erlauben kann, hätte für die kanadischen Frischlinge sicher das frühe Ende ihrer Karriere bedeutet.
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Ihr mögt uns diese lange Einführung verzeihen, da wir aber erst im letzten Monat ausführlich über den Titel berichtet haben, sollte der verbliebene Platz genügen, um das Spiel adäquat zu besprechen. Die Story ist schnell erklärt: Auf dem Weg zu einem Einsatz gegen eine Söldnermiliz wird Turoks Raumschiff abgeschossen und stürzt auf einen Planeten voller urtümlicher Echsen und besagter Militärs. Nun muss sich der Nachfahre amerikanischer Ureinwohner durch den Dschungel kämpfen, finstere Höhlensysteme erforschen und weite Ebenen durchwandern. Zwar sind nicht alle Dinos an seinem zarten Fleisch interessiert, beim Großteil jedoch gilt: fressen (= töten) oder gefressen werden. Turoks beste Waffe im Kampf mit den wieselflinken Gesellen ist das Messer. Steht Ihr neben oder hinter einem Dinosaurier, erscheint für einen kurzen Moment die Einblendung ’Rechte Schultertaste’. Wer schnell genug drückt, darf aus der dritten Person miterleben, wie Turok dem Reptil den Garaus macht. Größere Exemplare wie der T-Rex, können Euch mit einem Happs verschlingen: Sucht also in einem hohlen Baumstamm Zuflucht und traktiert die Bestie mit großem Kaliber und explosiven Überraschungen. Habt Ihr Glück, kommen gerade ein paar Raptoren des Weges, die der Riese verputzt, und Euch so für einen Moment vergisst.
Der Kampf der Gegner untereinander kann Euch so manches Mal das Leben retten: Beobachtet die Auseinandersetzung ’Söldner vs. Dino’, lehnt Euch zurück und knallt danach nur noch den Sieger ab. Dennoch sind die meisten Feinde mit Vorsicht zu genießen: Selbst auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad zerfleischen Euch Echsen im Nu oder sterbt Ihr im Kugelhagel der Feinde. Nur wenn Ihr das Überraschungsmoment auf Eurer Seite habt, solltet Ihr den offenen Kampf suchen. Gerade in den Innenabschnitten ist das Anschleichen oft unmöglich: Nutzt deshalb geschickt die Deckung, nehmt Euch vor Granaten in Acht und erledigt Gegner aus der Ferne. Da Letztere einiges aushalten, sich blitzschnell verstecken und Euch flankieren, werdet Ihr während der etwa zehnstündigen Kampagne etliche Mal ins Gras beißen – um Euch anschließend eventuell über einen der manchmal recht spärlich verteilten Autosave-Punkte zu ärgern.
Meinung
Matthias Schmid meint: Fast wollte ich bei der Genreangabe von Turok ’Überlebenskampf’ statt ’Ego-Shooter’ schreiben: Getragen von der dichten Soundkulisse fürchtet Ihr im verregneten Dschungel jedes Knacken, manchmal sogar Eure eigenen Schritte. Kommt während eines Nachteinsatzes oder im Schlund der Erde noch Dunkelheit hinzu, ist der Adrenalinschub garantiert, wenn ein Raptor um die Ecke biegt und Turok am Schlafittchen packt. Auch die Steuerung fühlt sich richtig gut an und die Grafik ist stimmig. Den Sprung in die Award-Regionen verpasst Turok wegen des auf Dauer recht eintönigen Leveldesigns, unfairen Stellen und den ständig gleichen menschlichen Gegnern.
Michael Herde meint: Ich muss Matthias widersprechen: Im Vergleich zu den unzähligen Ego-Abenteuern, die sich auf meinem Schreibtisch stapeln, fühlt sich die Steuerung etwas schwammig an. Die Mini-Dinos beispielsweise treffe ich selten auf Anhieb, auch im Kampf gegen menschliche Gegner hatte ich Probleme. Nervig: die spärlichen Rücksetzpunkte in Verbindung mit dem harschen Schwierigkeitsgrad. Davon abgesehen gefallen mir die dichte Dschungelatmosphäre und die Dinometzeleien.
Wertung
Turok kann 4 Waffen gleichzeitig tragen
Gegner kämpfen untereinander
Dinos bluten, Menschen nicht
deutsche Sprachausgabe (die Soundwertung ’9 von 10’ basiert auf unserer englischsprachigen Testversion)
Zweitfeuerfunktion bei allen Waffen
Viel besser als jedes Dschungelcamp: atmosphärischer Survival-Shooter mit knallharten Kämpfen – auf Dauer etwas eindimensional.
Singleplayer80MultiplayerGrafikSound