Ich hab 650 Stunden eine Politik-Simulation auf Steam gespielt und Deutschland mit der SPD in den Ruin geführt

Das Strategie-Spiel Victoria 3 hat auf Steam eine neue Erweiterung und ein kostenloses Update erhalten. MeinMMO-Strategie-Experte Schuhmann hat das neue Update gespielt, das mit dem DLC „Pivot of the Empire“ neu kam, und es lief nicht so toll.

Das ist jetzt neu: Der neue 10€-DLC „Pivot of the Empire“ erschien am 21. November 2024 und befasst sich vor allem mit Indien. Er brachte mit dem Update 1.80 aber auch viele neue Spielsysteme. So hat man jetzt die Art verändert, wie man politischen Einfluss nehmen kann, und auch das Kultur-System wurde komplett überarbeitet.

Daher dachte ich: Okay, ich probier noch mal mein Glück mit meinen üblichen Favoriten: USA, Frankreich, Russland und Deutschland. Meine Erfahrungen mit Victoria 3 basieren auf 650 Spielstunden – mit der neue Version hab ich ungefähr 30 Stunden verbracht.

Ich konnte schon eine ganze Weile die Preview-Beta für Journalisten spielen: Der Patch, der uns da zur Verfügung gestellt wurde, hatte aber offenbar eine fehlerhafte Balance. Ich hab damit jedenfalls zielsicher jedes Land komplett versenkt. Etwas besser wurde es jetzt mit der Release-Version, zu der auch schon zwei Hotfixes erschienen sind.

Und ewig grüßt der Staatsbankrott

Das ist mein Verhältnis zu Victoria 3: Ich hab mit Victoria mittlerweile 650 Stunden verbracht und trotzdem werd‘ ich mit dem Spiel einfach nicht warm. Denn Victoria 3 ist eigentlich ein konstanter Lauf gegen den Staatsbankrott, der kommt, wenn man zu viele Schulden macht.

Das Spiel hat ungefähr 543 ineinander verschachtelte Spiel-Systeme, aber das Wichtigste ist es, so viel Geld in Ausbau und Wachstum der eigenen Wirtschaft zu stecken, damit man mit maximaler Geschwindigkeit wächst, während man gerade noch so den Staatsbankrott abwendet.

Ein Staatsbankrott bedeutet im Wesentlichen ein Game Over. Man kann zwar da noch tricksen und in den Bankrott gehen, aber in der Regel will man das vermeiden. Man hat ja seinen Stolz.

Das Gute: Man darf immer mehr Schulden machen, solange die Wirtschaft nur schnell genug wächst. Eine Schuldenbremse – also ein Limit, wie viele Schulden man pro Woche machen kann – gibt es in Victoria 3 nicht.

Wie ein Christian Lindner aus dem echten Leben hofft man in Victoria 3 stetig auf den technologischen Fortschritt, der schon alles besser macht – während einen die Sozialausgaben auffressen.

Victoria 3 führt euch vom Pflug zum Traktor – und in den Ruin

Was ist das mit dem technologischen Fortschritt? Victoria 3 simuliert die Industrialisierung der Gesellschaft:

Während man zu Beginn des Spiels nur mit einfachen Werkzeugen, Pflugscharen und Sensen das Feld bestellt,

kommen später Eisenbahnen, Dünger und dampfbetriebene Maschinen dazu.

Anfang des 20. Jahrhunderts geht es dann mit Elektrizität, Traktoren und Super-Düngemittel so richtig ab.

Allerdings ist eine Technologie-Umstellung immer so eine Sache: Denn der Wechsel zur neuen Technologie kostet erstmal Geld und Zeit: Schienen müssen gelegt, Produktionen umgestellt, Kraftwerke gebaut werden. Von solchen Technologiewechseln erhofft man sich einen krassen Sprung bei den Einnahmen, in der Realität kostet er aber erstmal Geld.

Was ist mit den Sozialausgaben? In Victoria beginnt man in Deutschland als Preußen mit einer Monarchie und den Adligen als herrschende Kaste. Die Bauern verdienen praktisch nichts.

Mit dem technologischen Fortschritt kommen neue Bevölkerungsgruppen an die Macht. In Deutschland formiert sich als Arbeiter-Partei, die SPD, und die stellt immer höhere Forderungen: Sie wollen absurde Dinge wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Schutz für die Armen – die Gesundheits- und Bildungssysteme reißen zusätzliche Löcher in die Kasse. Es muss eine gewaltige Bürokratie aufgebaut werden.

Mein Olaf Scholz heißt August Klempner. Die SPD steht bei 40 % – von den Werten träumen sie gerade.

Das wurde mir zum Verderben: Als Deutschland ist man in Victoria 3 auf einer klaren historische Reise und auf Kriegs- und Diplomatie-Kurs:

Zuerst muss man Dänemark irgendwie die Provinz Schleswig abluchsen, man beginnt als Preußen ohne Marine und eigentlich ist es auch unsinnig, eine aufzubauen. Währenddessen versucht man, alle norddeutsche Länder (auch die renitenten Nörgler in Hamburg, Bremen und Oldenburg) in seinen Machtblock, den Zollverein, zu bringen.

Danach muss man sich mit Österreich auseinandersetzen, um zumindest Norddeutschland zu gründen – und mit auseinandersetzen meine ich im Prinzip einen Angriffskrieg.

Danach geht es gegen Frankreich, weil man Elsass-Lothringen und Süddeutschland gewinnen muss, um Deutschland zu formieren – was mehr oder weniger den Ersten Weltkrieg auslösen wird.

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Ich startete mit guten Vorsätzen und wollte solide haushalten

So lief meine letzte Partie: In mein letztes Spiel ging ich schon als gebranntes Kind: Ich hatte in den zig Stunden, die ich mit dem neuen DLC verbracht habe, erst Russland und dann immer wieder Frankreich in den Ruin geführt. Nur mit den USA hatte ich ein erfolgreiches, wenn auch etwas langweiliges Spiel.

Denn Russland und Frankreich muss man zu einem kommunistischen Utopia entwickeln, mit den USA reicht es, so viel Geld wie nur irgend möglich zu scheffeln.

Mit Deutschland wollte ich also solide haushalten. Ich hab daher so viel Zeit mit dem Aufbau der Wirtschaft und der Kolonialisierung von Afrika verbracht, dass ich mich erst spät um Dänemark kümmern konnte.

Bis ich so weit war, auf Frankreich loszugehen, hatten die sich in ein Weltreich gewandelt und eine riesige Armee aufgebaut, an der ich mir in komplizierten 20-Fronten-Kriegen immer wieder die Zähne ausbiss.

So sieht ein Staatsbankrott aus: 403.000 Schulden pro Woche und die Verwaltung bricht zusammen.

Hohe Steuern treiben mein Volk in den Aufstand – und dann weigern sie sich, Steuern zu zahlen

Letztlich stellte ich meine mittlerweile gewaltige Industrie auf die Produktion von Kriegsgerät um, musste dafür allerdings die Steuern erhöhen.

Dann besiegte ich Frankreich zwar, aber hohe Steuern führen mittelbar zum Kollaps des ganzen Systems, weil die Leute bei sinkendem Lebensstandard auf die Barrikaden gehen. Das Problem dann: Ist die Unzufriedenheit hoch, weigern sich die Leute einfach, Steuern zu zahlen, das führt zum Staatsbankrott.

Also muss man die Steuern senken, aber das führt ebenfalls unmittelbar zum Staatsbankrott – meine riesige Armee und die riesigen Ausgaben bei den Sozialsysteme waren zu viel für die Wirtschaft. Frankreich war besiegt, Deutschland endlich gegründet, aber der Ruin war einfach nicht mehr aufzuhalten.

Vor 2 Jahren hab ich schon mal einen Artikel geschrieben: „Seit ich das neue Strategie-Spiel auf Steam spiele, versteh ich Olaf Scholz.“ Nach 650 Stunden muss ich sagen: Jetzt bin ich für die Schuldenbremse.

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