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Großaufnahme eines Auges. Der Mann ohne Gedächtnis richtet sich mühsam auf. Er hetzt durch den Dschungel und begegnet einer jungen Frau. Sie heißt Kate und will alleine sein. Der Mann erinnert sich mühsam, kann die Bilder vor seinem geistigen Auge nur schwer fassen. Das Flugzeug. Sie wurde in Handschellen an Bord gebracht. Weiter zum Strand. Überall Wrackteile, panische Menschen. Ein Arzt namens Jack mit Kosmonautenfrisur schickt den Mann zum Flugzeugwrack, eine Sicherung ist zu reparieren. Abends am Strand taucht dann der Unbekannte im Anzug auf. ”Wo ist die Kamera?“ Er schlägt zu. Schwarzblende. Willkommen bei Lost.
Der Mann ohne Gedächtnis seid Ihr. Als Fotograf mit Amnesie schlagt Ihr Euch durch die sieben Episoden von Ubisofts Lost: Via Domus, dem Action-Adventure zum Serienerfolg von J. J. Abrams.
Eine Via Domus-Episode spielt an wechselnden Schauplätzen wie drei bis vier frei erkundbaren Szenarien am Strand, der Luke oder der Schwan-Forschungsstation. Hier könnt Ihr mit den 3D-Varianten der Lost-Darsteller quatschen oder Handel mit Fundstücken treiben. Locke oder Hurley sind dabei sehr gut getroffen, Jack und Sayid dagegen schlampig umgesetzt – so hat Sayids Modell graue Augen. Außerdem auf dem Spielplan: a) Ein Ausflug durch einen eindrucksvoll bewachsenen Dschungel-Abschnitt, in dem Ihr mal vor dem schwarzen Rauch flieht, schießwütigen Inselbewohnern ausweicht und Euch je nach Episode an Wrackteilen, Baumschnitzereien oder Koordinaten für Euren Kompass orientiert. b) Ein gruseliges Höhlenlabyrinth, in dem Ihr nur halbwegs sicher nach dem Ausgang suchen könnt, solange Eure Lichtquelle noch Saft hat – im Dunkeln holt Euch das ’Game Over’-Monster. c) Eine interaktive Erinnerungs-Sequenz, in der Euer namenloser Fotograf in einer schwarz-weißen Endlosschleife festhängt, bis Ihr den korrekten Bildausschnitt mit passender Tiefenschärfe abgelichtet habt. d) Schließlich ein simples ”BioShock”-Knobelspielchen, bei dem Ihr mit drei unterschiedlichen Relais-Typen irgendwelche Stromkreise im Flugzeugwrack, dem Schmugglerflugzeug oder der Forschungsstation schließen müsst. Letzteres passt thematisch zwar eher in eine ”Hausmeister Krause“-Versoftung, wird Euch von den Designern aber mit unschöner Regelmäßigkeit und steigender, nerviger Komplexität vor den Latz geknallt.
Meinung
Max Wildgruber meint: Ob und wie Ihr mit einem mysteriösen Kompass Euren Via Domus, Euren ’Weg nach Hause’ findet, das ist die spannende Story dieses Spiels. Lässt man die sich wiederholenden Spielelemente weg, kommt man mit Lost: Via Domus auf etwa zwei bis drei inspirierte Spielstunden. Dass die Dauer mit wenig Esprit auf zehn Stunden gestreckt wurde, tut der Robinsonade gar nicht gut. Schade, denn grafisch hat Via Domus seine lichten Momente und die Inszenierung im Stil der Seriendramaturgie ist Ubisoft Montreal sogar ausgesprochen gut gelungen. Fans dürfen auf meine Wertung also gerne bis zu zehn Punkte draufschlagen, hauen sich mit Mr. Ekos Keule auf den Kopf, wenn es nervt, und machen sich auf den Via Domus.
Wertung
sieben spielbare Episoden im Aufbau der Serien-Dramaturgie
enthält Ereignisse, Figuren und Orte der ersten beiden Staffeln
Musik vom ”Lost”-Komponisten, aber keine Originalstimmen
Recht ansehnlicher Inseltrip für Fans der Serie. Die gute Story kämpft mit langweiligen, sich wiederholenden Spielelementen.
Singleplayer68MultiplayerGrafikSound
