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Beim Namen Keiichiro Toyama spitzen Horrorspiel-Fans die Ohren, hob der Branchenveteran doch den Genre-Klassiker Silent Hill aus der Taufe und legte später die schaurige Siren-Serie nach. Die Schließung von Sonys Japan Studio beantwortete Toyama 2020 mit der Gründung des Bokeh Game Studio. Mit Slitterhead möchte das Team nun ”weder einen Triple-A-Blockbuster noch ein typisches Indie-Horrorspiel”, sondern ein ”einzigartiges” Debüt hinlegen. Und tatsächlich: Originalität ist hier die große Stärke, wenn da nicht die Stolpersteine wären.
Während Ihr versucht, Eurer Amnesie Herr zu werden, jagt Ihr als körperloser Hyoki nach den Slitterheads – insektoide Monster, die sich unter das Volk der neongetränkten Stadt Kowlong mischen. Auf Knopfdruck fahrt Ihr in die Körper von Bewohnern und macht sie damit zu Euren zeitweisen Protagonisten. So navigiert Ihr missionsbasiert durch die Straßen einer hübsch inszenierten Stadtkulisse, die vom Hongkong der 1990er inspiriert ist. Zu sehr solltet Ihr es Euch aber nicht in einer Haut bequem machen: Es warten regelmäßige Körperwechsel, damit Ihr effektiv Hindernisse und Höhen überwindet. In Konfrontationen mit den titelgebenden Biestern ist der richtige Umgang mit dem Besessenheitssystem ebenso wichtig. Schon nach wenigen Treffern drohen Eure zerbrechlichen Wirte, den Löffel abzugeben. Fahrt also möglichst frühzeitig aus einer Haut in die nächste, um die Oberhand zu behalten. Eine Handvoll spezieller Charaktere – sogenannte ”Seltenheiten” – präsentieren sich im Kampf nochmals zäher und mit individuellen Waffen und Fertigkeiten auch deutlich effizienter. Mit jeweils zweien – mal vorgegeben, mal frei wählbar – stürzt Ihr Euch in die Missionen, die das Verfolgen und Ausmerzen immer gleicher Feinde zum Gegenstand haben. Habt Ihr Euch an das Kernkonzept gewöhnt und die Fähigkeiten Eurer liebsten Rächer freigeschaltet und aufgewertet, bereiten Kämpfe und Fortbewegung trotz erheblicher Wiederholung viel Spielspaß. Außerdem erzählt Slitterhead eine interessante Geschichte mit spannenden Kniffen – wenn auch etwas ungelenk in Form eintönig bebilderter Dialoge zwischen Hyoki und der Riege an Seltenheiten.
Der große Haken: Slitterhead hat mit diversen technischen Unzulänglichkeiten zu kämpfen. Im Gegensatz zu den hübschen Schauplätzen wirken die meisten Charaktermodelle arg aus der Zeit gefallen. Eine englische Sprachausgabe wird nur punktuell eingesetzt, befremdliche Nuscheleien untermalen den großen Rest. Die meisten Animationen sind steif und die Steuerung dürfte zuweilen auch gern etwas präziser sein. Das macht ein potenziell hervorragendes Horror-Action-Adventure am Ende leider nur zu einem guten.
Meinung
Kevin Pinhao meint: Als Horrorfan habe ich Toyamas Studiodebüt mit großer Spannung erwartet. Erfreulicherweise tischt Bokeh mit Slitterhead eine äußerst originelle Spielerfahrung auf, der lediglich überbordende Repetition und eine betagte Technik im Weg stehen. Könnt Ihr über diese Unzulänglichkeiten hinwegsehen, dürft Ihr Euch gerade als Fan von actionreichem Horror über anregende spielerische und narrative Kniffe sowie eine hervorragende Atmosphäre freuen. Zu Letzterer tragen die kreativen Monsterdesigns, das unverbrauchte Setting und vor allem Akira Yamaokas exzellenter Soundtrack bei. Zum ganz großen Wurf reicht es aufgrund der Mängel nicht. Die Hoffnung auf einen zweiten Teil, der diese Baustellen in Angriff nimmt, ist dafür umso verlockender.
Wertung
+ originelles Kernkonzept
+ hervorragende Designs und Musik
+ schaurige Atmosphäre
– viel Wiederholung
– zahlreiche technische Baustellen
Originelles Horror-Adventure, das von viel Repetition und technischen Unzulänglichkeiten ausgebremst wird.
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