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Ihr befindet Euch in einem Wald, wo ein Pfad zu einer Holzhütte führt. In deren Keller ist eine Prinzessin angekettet und der allgegenwärtige Erzähler informiert über Eure Aufgabe: Ihr sollt sie töten, um das Ende der Welt zu verhindern. So die Ausgangslage von Slay the Princess, das ein Jahr nach dem PC-Debüt als inhaltlich erweiterter Pristine Cut auch auf Konsolen Helden rekrutiert, die sich dieser Situation stellen wollen.
Im Prinzip bekommt Ihr hier eine Visual Novel, die für ihr Genre wesentlich mehr Entscheidungs- und Dialogoptionen bietet als üblich und spürbar in Richtung ”Mach dir dein eigenes Abenteuer”-Buch geht. Dazu passt, dass der Ablauf zwar zu einem zentralen Finale führt (wo wiederum mehrere Enden möglich sind), Ihr auf dem Weg dahin aber nicht einmal ein Viertel aller enthaltenen, sehr unterschiedlichen Kapitel erlebt habt – mehrfaches Durchspielen lohnt sich auf jeden Fall. Das liegt auch daran, dass sich die anfangs so simpel erscheinende Prämisse schnell als wesentlich tiefgründiger und faszinierender entpuppt, sobald Ihr erstmals die Prinzessin trefft. Ob Ihr sie dann tatsächlich tötet oder nicht – die folgenden Geschehnisse sind wie eine Wundertüte voller Überraschungen, die wir an dieser Stelle nicht verraten wollen. Es sei nur noch gesagt, dass der Erzähler nicht die einzige Stimme in Eurem Kopf bleiben wird und Slay the Princess auf seine Art den Vergleich mit The Stanley Parable nicht zu scheuen braucht.
In puncto Inszenierung gibt sich das Abenteuer keine Blöße. Auf echte Animationen wird zwar verzichtet, aber die in Grautönen (mit einem Schuss Rot) gehaltenen Standbilder im Stil von Bleistiftskizzen vermitteln die eigentümliche Atmosphäre ebenso gelungen wie der stimmige Soundtrack und vor allem die beiden talentierten (englischen) Sprecher, die mehrere Rollen übernehmen.
Meinung
Ulrich Steppberger meint: Eingangs war ich skeptisch ob der Lobpreisungen, die Slay the Princess auf dem PC einsacken konnte. Aber tatsächlich kann ich jetzt fast uneingeschränkt einstimmen. Wenn man nicht gerade eine unüberwindbare Abneigung gegen Visual Novels und der ”Viel Story, wenig zu tun”-Formel hat, wartet hier eine ungemein reizvolle Geschichte. Die nimmt klug das ”Held rettet Prinzessin”-Klischee nur als Vorwand, um Euch mit Unbehagen und teils drastischem Horror, aber auch tiefgründigen Betrachtungen über Leben und Tod in den Bann zu ziehen. Am besten geht Ihr möglichst unvorbereitet rein – es lohnt sich!
Faszinierendes Horrormärchen, das mit geschliffenen Dialogen und vielen Überraschungen fesselt.
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