Bloodborne – im Klassik-Test (PS4)

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Spiel:BloodbornePublisher:SonyDeveloper:From SoftwareGenre:Action-RollenspielGetestet für:PS4Erhältlich für:PS4USK:16Erschienen in:5 / 2015

Das Allerwichtigste vorweg: Auch wenn Entwickler From Software Fantasy-Setting gegen Gothic-Horror-Kulisse getauscht hat, die Rollenspielkomplexität etwas gedrosselt und die Block-Funktion nahezu eliminiert wurde – in Bloodborne fließt die selbe DNA wie in der hauseigenen Souls-Serie. Die PS4-exklusive Monsterjagd hat nämlich weit mehr mit der berühmt-berüchtigten RPG-Saga gemeinsam, als der eine oder andere Fan angesichts genannter Unterschiede vielleicht befürchtet hatte. Und das ist verdammt gut so. Schließlich gelten Demon’s Souls & Co. seit Jahren als Speerspitze spielerisch anspruchsvoller und herausfordernder Zockerunterhaltung. Eine Tradition, der sich Bloodborne voll verpflichtet fühlt, gleichzeitig aber einen etwas anderen Weg einschlägt.

Atmosphärisch gibt’s statt düsterer “Herr der Ringe”-Ästhetik viktorianischen Grusel im Stile der legendären britischen Hammer Filmstudios. Der schaurig schöne Hauptschauplatz Yharnam lockt mit verwinkelten Gassen und herrschaftlichen Wohnhäusern, gepflasterten Plätzen und verkommenen Armenvierteln. Dabei strotzt die aufwändige Architektur nicht nur vor grafischen Details. Das opulente Stadtbild ist vollgestopft mit kunstvollen Statuen und Brunnen, Kutschen und Bäumen sowie unendlich vielen, liebevoll arrangierten Hinguckern mehr. Kurzum: Dank potenter PS4-Hardware und From Softwares talentierter wie akribischer Designer wirkt Yharnam glaubwürdiger und realer als die meisten anderen Videospielwelten.

Gleiches gilt für die übrigen Schauplätze: Ob verwunschener Wald, finstere Katakomben oder gefährliches Hexendorf – optisch ist Bloodborne nicht weniger als ein Meisterwerk. Umso schöner, dass verspäteter Grafikaufbau oder störende Einbrüche in der Bildrate auch bei hohem Gegneraufkommen derart selten sind, dass wirklich nur pedantische Erbsenzähler Grund zu meckern haben. Die könnten höchstens die begrenzte Farbpalette monieren, in der mannigfaltige Grautöne – passend zum meist nächtlichen oder dämmrigen Setting – dominieren.

Von der Levelgestaltung her zeigt sich das Ganze als eine Mixtur aus Demon’s Souls und Dark Souls: Die Welt von Bloodborne ist ein gigantisches, zusammenhängendes Labyrinth, das es Meter für Meter zu erkunden gilt. Alternativ reist Ihr von einer Art Hub – dem sogenannten “Traum der Jäger” – gezielt zu bereits freigeschalteten Laternen, die wie die Leuchtfeuer in der Souls-Reihe als Rücksetzpunkte dienen.

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Im Basislager habt Ihr zudem die Möglichkeit, Items zu kaufen, Waffen auf- und umzurüsten sowie bei einer sprechenden Puppe erbeutete Erfahrungspunkte in ein halbes Dutzend Statuswerte zu investieren. Souls-Kenner fühlen sich also direkt heimisch. Besonders wagemutige Jäger starten von hier später auch in Zusatzdungeons, in denen besonderes knifflige Geschicklichkeits- und Metzelaufgaben, aber auch fette Belohnungen warten.?

Ladepausen müsst Ihr dabei nur beim Warp zu einem neuen Schauplatz in Kauf nehmen oder wenn Euer Alter Ego mal wieder sein Bildschirmleben ausgehaucht hat. Dummerweise dauern die Wartezeiten regelmäßig bis zu 40 Sekunden, was vor allem beim wiederholten Ableben schon mal Nerven kosten kann. Denn häufiges Sterben gehört auch bei Bloodborne zum Abenteureralltag. Womit wir beim Kerngeschehen des Spiels wären: der Monsterjagd.

Ausgezehrte Stadtbewohner mit Fackeln und Heugabel, rollstuhlfahrende Flintenschützen, verlauste Werwölfe, kreischende Hexen, stampfende Henkertrolle oder hünenhafte Zombienachtwächter – das Gestaltenkabinett erfüllt ästhetisch wie kampfstrategisch höchste Ansprüche an Videospielgegner. Dass die Konflikte mit dem wehrhaften Lumpenpack Souls-typisch knackig, aber eben auch unendlich motivierend ausfallen, ist dem perfekten Kampfsystem geschuldet. Veteranen bemerken dabei sofort die erhöhte Geschwindigkeit, mit der sich Freund und Feind auf dem Schlachtfeld bewegen. Zum wilden Hack’n’Slay verkommt die ausgeklügelte Klopperei jedoch nicht.

Zwar gibt’s in Bloodborne insgesamt deutlich weniger Waffen (und Rüstungen) als bei den geistigen Verwandten. Der scheinbare Mangel wird jedoch mit durchdachten Move-Sets der jeweiligen Todbringer ausgeglichen. Standardmäßig trägt Euer Avatar in der linken Hand eine Schuss-, in der rechten eine Schlagwaffe. Mit letzterer teilt ihr schwache und starke Hiebe aus, startet Combos oder transformiert sie auf Knopfdruck. So wird aus dem flinken Jägerbeil eine langstielige Axt, das filigrane Langschwert mutiert zum mächtigen Zweihänder. Die Ballermänner von Pistole bis Schrotflinte hingegen machen kaum Schaden, unterbinden bei perfektem Timing aber gegnerische Angriffe und bringen den Feind ins Taumeln. Blutiger Nebeneffekt: Startet Ihr rasch eine Konterattacke, erleiden die wankenden Wüteriche besonders viel Schaden.

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Da Schilde zum Blocken nahezu vollständig gestrichen wurden, ist die Ausweichrolle nun die wichtigste Defensivtechnik. Ein cooles neues Feature stellt das sogenannte Regain-System dar. Wurdet Ihr verletzt, bleiben einige Sekunden, mit gezielten Gegenangriffen einen Teil der verlorenen Lebensenergie zurückzugewinnen. Aber Vorsicht: Jede Aktion kostet Ausdauer und wildes Knopfgehämmere lässt die entsprechende Leiste schnell schrumpfen. Einmal aus der Puste, habt Ihr den blutgierigen Bestien nichts entgegenzusetzen, bis sich Euer Recke wieder erholt hat.

Soweit die Grundausbildung. Was Ihr daraus macht, hängt von Eurer Experimentierlaune und den Gegnern ab. Immer wieder werdet Ihr Eure Schlagabfolgen überdenken und neu anpassen müssen, denn Kanonenfutter sind die Ungetüme von Bloodborne samt und sonders nicht – von den übermächtigen, herrlich-horriblen Obermotzen ganz zu schweigen.

Wenngleich kompromisslose Keilereien die Basis Eures Yharnam-Trips bilden, kommen auch Rollenspiel-Freunde auf ihre Kosten. Souls-typisch investiert Ihr erkämpfte Fähigkeitspunkte in höhere Ausdauer oder mehr Lebensenergie. Andere Werte wie Stärke oder Geschick korrelieren mit bestimmten Waffenparametern und verleihen ihnen satte Schadensboni. Die Klingen selbst lassen sich via kostbarer Scherben ebenfalls “pimpen” und mittels seltener Blutsteine darüber hinaus individuell verstärken. Diverse Hilfsitems – von Elementarzaubern für Todbringer über vergiftete Dolche bis hin zu mächtigen Molotov-Cocktails – runden die individuelle Heldenausstattung ab. Auch wenn die Einstellungsmöglichkeiten aufgrund reduzierter Charakterparameter und insgesamt weniger Ausrüstungsgegenständen nicht ganz mit denen der Souls-Saga konkurrieren können, bietet Bloodborne dennoch ausreichend Freiraum für persönliche Anpassungen.

In Sachen Geheimniskrämerei kommen Souls-Fans ebenfalls voll auf ihre Kosten. Zwar gibt Bloodborne oftmals klarere Hinweise als die geistigen Verwandten, wenn es um das Aufdecken der zahlreichen Mysterien der Spielwelt geht. Nichtsdestotrotz lässt sich auch Yharnam all seine Geheimnisse nur Stück für Stück und durch den regen Austausch der Spielergemeinschaft untereinander entlocken.

Meinung

Colin Gäbel meint: Über Jahre habe ich meine bewährte Blocktechnik in der Souls-Reihe perfektioniert. Dann kam Bloodborne. Das offensive, oft blitzschnelle Kampfsystem zwingt zum Umlernen. Und das ist auch gut so. Ausweichrolle, Konterschuss, Bauchschlitzer – so viel Spaß hatte ich auf der Monsterjagd schon lange nicht mehr. Der Dank dafür gebührt der perfekten Steuerung und den variantenreichen Viechern, die stetige Aufmerksamkeit, gute Reflexe und Anpassungen der Schlachtstrategien erfordern. Auch wenn Bloodborne draufsteht, ist jede Menge Souls drin. Nur eben mit einer großen Portion Frische. Das unglaublich liebevoll gestaltete Horrorsetting gefällt nicht nur atmosphärisch, sondern zählt auch optisch zum Besten, was man auf den aktuellen Konsolen sehen kann. Der Rollenspielanteil wurde – zumindest für meinen Geschmack – sinnvoll entschlackt, bietet aber immer noch ausreichend Anpassungsmöglichkeiten und Entdeckerspaß. Kurzum: Ein würdiger geistiger Souls-Nachfolger und eine der motivierendsten Herausforderungen aller Videospielzeiten.

Sascha Göddenhoff meint: Bisher hatte ich nur wenig Berührung mit den Souls-Spielen, weil deren visueller Stil mir nicht zusagte. Doch Bloodborne fasziniert mich mit seiner viktorianisch-gotischen Welt, bei der ich oft nur unter großer Anspannung vorsichtige Schritte ins Unbekannte wage. Der Verzicht auf Blocks zugunsten schneller Ausweichbewegungen und die Möglichkeit, Gegner per Pistolenschuss zu betäuben, gehen für mich wunderbar auf. Dennoch werden Kämpfe bei Bloodborne nur hektisch, wenn ich entsprechend spiele – und spätestens dann sterbe, denn leicht ist die Reise durch Yharnam, Byrgenwerth und weitere Gebiete nicht! Der Bildschirmtod gehört zum Spiel wie der Kampf gegen die Monster, trotzdem kommt bei mir kein Frust auf – mit Taktik, Ruhe und dem richtigen Meuchelwerkzeug ist auch der scheinbar übermächtige Boss machbar. Selten war ich so motiviert, besser zu werden und wirklich jede dunkle Ecke der Spielwelt zu entdecken. Scheut Euch trotz seines Anspruchs nicht, Bloodborne eine Chance zu geben – es lohnt sich!

Wertung

knackschwer, aber gleichzeitig unendlich motivierend
prachtvolles Gothic-Horror-Setting
perfekt ausgeklügelte Kampfmechanik
typische Spielerfahrung Marke Dark Souls & Co.

Auf Monsterjagd im Albtraumland: überragendes Action-Spektakel mit perfekter Kampfmechanik und RPG-Schlagseite.

Singleplayer94MultiplayerGrafikSound

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