Sieht aus wie Fallout, riecht wie Stalker, schmeckt dann aber doch ganz anders. Das neue Action-Spiel Atomfall hat MeinMMO-Redakteur Benedict Grothaus positiv überrascht und trotz der eher kurzen Spielzeit dafür gesorgt, dass er (mal wieder) verschlafen zur Arbeit kommt.
Wenn mich ein Spiel packt, dann lege ich es nur ungern zur Seite – vor allem dann, wenn sich abzeichnet, dass ich bald damit durch bin. Dass ich dafür gerne mal Schlaf opfere, ist auch kein Geheimnis, schon bei Remnant 2 habe ich damals fast die Arbeit verpennt.
Jetzt hat uns das britische Indie-Studio Rebellion eingeladen, Atomfall bereits vor Release zu testen. Das Spiel habe ich bereits auf der gamescom 2024 angespielt, jetzt durfte ich die vollständige Release-Version zocken.
Als eingefleischter Fallout-Fan klingt eine atomare Postapokalypse in Nordengland so ziemlich nach dem Spiel, das ich unbedingt spielen will. Dass Atomfall am Ende ganz anders ist, habe ich so nicht erwartet.
Atomfall ist nicht das Fallout 5, auf das alle warten – und trotzdem hat es mich fast eine Woche lang komplett gefesselt.
Autoplay
Eingesperrt mit wütenden Schotten und aggressiven Hippies
Zur Prämisse: Atomfall spielt in Nordengland in den 1960er Jahren. Als Aufhänger dient der reale Beinahe-Super-GAU beim Reaktorbrand im Atomkraftwerk Windscale. Hier spielt Atomfall, erkundet aber alternative und etwas abgefahrene Ereignisse.
Erst einmal klingt das nun wie Fallout. Und tatsächlich gibt es einige Parallelen: seltsame „Mutationen“ (die eigentlich keine sind), verschiedene Fraktionen und der menschliche Versuch, nach einem Krieg wieder irgendwie Struktur zu finden. Selbst eine seltsame Sekte, die die Folgen der Katastrophe umarmt, versteckt sich in den Wäldern.
Allerdings sperrt euch Atomfall in einen Quarantäne-Bereich, ähnlich wie das uralte Rollenspiel Gothic – und ihr müsst irgendwie entkommen. Schon in den ersten Minuten zeigt das Action-Spiel, was es von der naheliegenden Verwandtschaft im Ödland abhebt:
Rote Telefonzellen und Cricket- statt Baseball-Schläger zeigen deutlich an, wo Atomfall spielt.
Vollvertonte NPCs haben einen klaren britischen, oft sogar einen schottischen Akzent – ein nettes Detail für die Atmosphäre.
Die fiktive Zeitlinie ist nicht ganz so weit weg wie in Fallout, der Zweite Weltkrieg ist noch sehr in den Köpfen der Leute in Atomfall und sie sprechen oft darüber.
Waffen sind sehr rustikal: keine coolen Mods, einfache Kimme und Korn, keine riesigen Hollywood-Magazine – und Munition ist rar!
Atomfall verzichtet auf bescheuerten Humor und übertriebene Darstellungen, sondern bleibt bodenständig – mehr wie Stalker. Den ein oder anderen Unfug gibt es trotzdem, etwa das Skelett von Mr. Bean mit seinem Ohrensessel auf seinem Mini. Die Unterschiede sind aber deutlich größer.
Irgendwie fehlt da Teddy.
Welcher Richter hat denn hier seinen Helm vergessen?
Offenbar sind wir in Großbritannien.
Eines der wichtigsten Werke von H.G. Wells.
So ganz ohne abgespacetes Zeugs geht’s dann doch nicht.
Atomfall macht alles anders als verwandte Rollenspiele
Euch ist vielleicht aufgefallen, dass ich Atomfall nicht als RPG betitle und das hat einen guten Grund. Es gibt keine Charakter-Erstellung und selbst das Leveln funktioniert anders. Genauer: es funktioniert gar nicht.
Statt Stufen aufzusteigen, findet ihr Skillpunkte in der Welt und könnt dann aus insgesamt 36 Skills aussuchen, die ihr teilweise erst noch entdecken müsst. Auch Quests gibt es nicht. NPCs geben euch zwar Aufgaben und sagen euch, wo ihr grob etwas finden könntet, aber ihr müsst immer selbst drauf kommen, wo ihr etwas zu erledigen habt.
Die „Hinweise“ helfen euch beim Lösen von Rätseln und ersetzen den Questlog. Stattdessen liegt der Fokus auf der Entdeckung. Wenn ein Ort interessant aussieht, ist er das meist auch und es lohnt sich, hier ein wenig herumzuschnüffeln.
Eine nette Mechanik ist hier die Schatzsuche. Sobald ihr einen Metalldetektor habt, piepst der ab und an mal und merkt an, dass etwas in der Nähe vergraben ist. Zwar handelt es sich hier nur um ein kleines Minigame, aber das sorgt für kurze Glücksmomente und lockert die Erkundung auf.
Wenn ihr wissen wollt, was los ist, müsst ihr nachfragen
Was mich dann aber dazu gebracht hat, stundenlang Atomfall zu zocken, teilweise andere Gaming-Verabredungen sausen zu lassen und diesen Text hier mit gerade einmal 4 Stunden Schlaf zu schreiben, ist die Story.
Ihr wacht ohne Gedächtnis auf und müsst erst einmal herausfinden, was passiert ist. Eine seltsame Stimme am Telefon sorgt nur dafür, dass ihr noch weniger versteht und wenn ihr wissen wollt, was in der Welt los ist, müsst ihr – ganz untypisch für echte Kellerkinder – mit den Leuten reden und dabei hoffen, dass sie auch antworten.
Denn nicht jeder NPC will mit euch sprechen oder reagiert positiv auf die Auswahl eures Dialogs. Wichtige Informationen, Hinweise und Hintergründe zur Story bekommt ihr aber nur, indem ihr mit NPCs sprecht oder Dokumente in der Welt findet.
Wichtig: Jeder NPC kann getötet werden. Haut ihr also versehentlich jemandem aufs Maul und der wehrt sich, kann es passieren, dass ihr gerade Beef mit einem wichtigen Quest-NPC habt. Im Prinzip könnt ihr die ganze Quarantänezone auslöschen und das Spiel trotzdem beenden, hier gibt euch Atomfall viel Freiheit.
Atomfall hat mit nicht einmal 20 Stunden einen sehr schlanken Inhalt, der aber trotzdem nicht zu kurz wirkt. Eher im Gegenteil: es gibt ein paar Aufgaben, für die ich immer wieder durch die Welt latschen musste. Das war gerade so an der Grenze, mehr davon hätten für Langeweile gesorgt.
Sympathien entscheiden, wie das Spiel endet
Je nachdem, wie ihr euch entscheidet, kommt ihr zum Schluss an eines von sechs verschiedenen Enden mit unterschiedlichen Ergebnissen. Wie das Siel endet, hängt davon ab, mit wem ihr gut gestellt seid, wer welche Begegnungen überlebt und wen ihr unterstützen wollt.
Durch Savegames habe ich zumindest vier der Enden sehen können, die allerdings zum Teil gleich abgelaufen sind, weil mein Spielverlauf bis dahin natürlich gleich geblieben ist. Ein Ende sticht dabei hervor.
Achtung, hier lest ihr Informationen zum Ende von Atomfall mit Informationen, die ihr erst sehr spät im Spiel erfahrt
Oberon, den ihr vernichten sollt, wie euch eine Stimme am Telefon sagt, spricht zu einer Gruppe von etwas verrückten Druiden. Entscheidet ihr euch dazu, dieser Gruppe zu helfen, müsst ihr euch am Ende selbst opfern – und verdammt damit die Welt dazu, unterzugehen. Ziemlich buchstäblich, denn Oberon will, dass die Natur wieder herrscht, nicht der Mensch an sich. Ich will nun nicht verraten, wer oder was Oberon ist, aber ob am Ende wirklich eine „natürliche“ Ordnung herrscht, bezweifle ich doch eher … Das Ende war trotzdem das bisher beste, wie ich finde.
Es lohnt sich vermutlich, zumindest ein zweites Mal reinzuschauen und andere Entscheidungen zu treffen. Mit einem Blick auf die Errungenschaften auf Steam habe ich einige Dinge verpasst, die ich noch nachholen will – darunter ein Ende, von dem ich beim Spielen nicht mitbekommen habe, das es möglich sein könnte.
Atomfall erscheint am 27. März auf Steam, PS5 und Xbox. Mit 50 Euro schlägt das Spiel einen etwas hohen Preis für die Spielzeit an, hat mir aber dennoch gut gefallen. Wer die Deluxe-Edition für 80 Euro kauft, kann bereits ab dem 24. März spielen.
Für meinen Durchgang habe ich ziemlich genau 17 Stunden gebraucht und die Spielzeit ist ein kleines Streitthema nach allem, was ich so beobachtet habe. Einige finden, das sei zu wenig für ein Spiel wie Atomfall. Andere sind glücklich darüber, dass es vollwertige Games gibt, die sie auch mit wenig Zeit durchzocken können. Die Diskussion wurde schon letztes Jahr angestoßen: „Ich bin im Ruhestand und habe keine 90 Stunden“ – Der alte PlayStation-Chef sagt, dass heute keiner mehr Spiele braucht, die 100 Stunden dauern
Der Beitrag Ich bin bis 3 Uhr nachts wach geblieben, um alle Enden von Atomfall zu sehen und habe die Welt zerstört erschien zuerst auf Mein-MMO.de.