Seite 1
Bei Launchtiteln ist die Spielergemeinde meist gnädig: Grafik-Bugs werden verziehen, geringer Umfang akzeptiert – aus soliden bis guten Spielen werden Must-Have-Titel. Resistance: Fall of Man beispielsweise war ein spielerisch einwandfreier Ego-Shooter – eigenständige Ideen oder ein wirklich herausragendes Feature besaß die Knallerei aber nicht. Auch MotorStorm war alles andere als perfekt: In Fernost gab es nicht mal einen Online-Modus, die Streckenauswahl war überall bescheiden, eine ’Freies Rennen’-Spielvariante wurde erst per Update nachgereicht. Trotzdem verkauften sich beide Titel wie geschnitten Brot, wurden zu Millionensellern. Warum? Weil man auf der neuen, sündhaft teuren Konsole ja etwas zum Zocken braucht und weil echte Systemseller wie Metal Gear Solid 4 noch kein Release-Datum hatten.
Jetzt ist die Schonfrist vorbei, die Evolution Studios müssen beweisen, dass Pacific Rift die Schwachstellen des Vorgängers ausmerzen und uns – 20 Monate nach dem Erstling – erneut verzücken kann. Welche Zutaten sind dafür nötig? Klappern wir doch mal eine Rennspiel-typische Checkliste ab: Neue Autos? Ja – mit den Monster Trucks gesellt sich die achte Fahrzeugklasse zum Offroad-Trupp; die steuern sich erwartungsgemäß träge und zermalmen kleinere Konkurrenten. Auch die anderen Vehikelkategorien (z.B. Motorrad, Buggy, LKW) erhielten einen satten Schwung apokalyptischer PS-Schleudern, innerhalb einer Klasse unterscheiden sich die Boliden aber nur optisch. Erneut brettern nur Fantasie-Boliden über die staubigen MotorStorm-Pisten, lizenzierte Karossen echter Hersteller sucht Ihr bitte bei Gran Turismo.
Neue Spielmodi? Ja – in Pacific Rift treten bis zu vier Pad-Piloten zu Splitscreen-Matches an und im Karriere-Modus, dem großen MotorStorm-Festival, lockern zwei Rennvarianten den Offroad-Alltag auf: In der Eliminierungs-Disziplin hängt es von jeder Kurve ab, wie lange Ihr Euch im Rennen halten könnt – denn alle paar Sekunden fliegt der Letzte in die Luft. Dazu gesellen sich die simplen, aber unheimlich motivierenden Geschwindigkeits-Challenges: Rast ohne Gegner über die Piste und folgt dem Kurs, den die Leuchtfackel-Tore vorgeben – in Eurem Nacken tickt stets ein unnachgiebiges Zeitlimit.
Seite 2
Punkt 3: Spielerische Neuerungen? Nun ja, nach den vollmundigen Versprechungen der Entwickler (”neue, tödliche Angriffsmanöver”, ”die Natur wird Euer schlimmster Feind sein”) haben wir uns mehr versprochen. Rammattacken von Monster Trucks und Lastwagen sowie Bunny Hops oder Duckmanöver von Motorrädern und Quads sind selten rennentscheidend – entweder denkt Ihr gar nicht dran oder verzichtet wegen der geringen Erfolgsaussichten bewusst darauf.
Erfreulich stark ist das Element Wasser in Pacific Rift eingebunden: Wer zu viel Boost gibt, der explodiert – das kennen wir aus dem Vorgänger. Wenn Euer Motor jetzt wild aufheult, freut Ihr Euch über jede der üppig verteilten Wasserpfützen. Rauscht durch und kühlt Euren Antrieb ab. Den Lavakursen spendierten die Entwickler zusätzliche Wasserduschen – das ist nur fair, schließlich bringt schon das bloße Vorbeifahren an einem Strom aus heißem Stein Euren Motor in den roten Bereich. Doch Vorsicht, wenn Ihr mit Bike oder Quad unterwegs seid: Wer sein leichtes Vehikel in Untiefen lenkt, büßt massiv Geschwindigkeit ein. Wählt besser die höhergelegenen Routen, dort sind Wasserlöcher selten.
Kanntet Ihr im Vorgänger wegen der geringen Anzahl der Strecken selbige bald auswendig, ist bei Pacific Rift erst einmal Umdenken angesagt: 16 Rundkurse (in vier Element-Bereiche aufgeteilt) wollen erobert werden; im Dschungel findet Ihr den Weg kaum, auf dem Vulkan stürzt Ihr in die Lava und in der alten Farm auf den Zuckerrohrfeldern prescht Ihr durch verlassene Lagerhallen. Nach einer Weile kommt aber doch das einzigartige ”MotorStorm”-Gefühl auf: Intensive Duelle verlangen Euch alles ab und unzählige Fahrrouten auf den weitläufigen Pisten warten auf Erkundung. Wenn Ihr mit explodierendem Motor brennend als Erster über die Ziellinie fliegt, ist das Glücksgefühl kaum zu toppen.
Da stört es nur wenig, dass das Erklimmen der Festival-Rangliste nicht mehr verlangt als Siege bei allen Events, die Fahrzeugauswahl eingeschränkt ist (stets stehen eine bis drei Klassen zur Verfügung) und jedes Rennen nur aus zwei Runden besteht. Technisch zieht der Titel gegen die Grafikbombe Pure zwar den Kürzeren, dennoch bietet Pacific Rift feine Hochglanz-Optik mit unzähligen Streckendetails und stabiler Bildrate – die fehlende Kantenglättung und teils üble Bodentexturen fallen aber negativ auf. Die lahmen Extras (Trailer, Renders & Konzeptzeichnungen) hätten sich die Entwickler schenken können.
Meinung
Matthias Schmid meint: Anfangs habe ich meine geliebten Sand- und Canyon-Strecken aus dem Vorgänger richtig vermisst – der unübersichtliche Dschungel und die etwas engeren Kurse waren mir suspekt. Mit der Zeit lernte ich aber auch die neuen Strecken auswendig und damit schätzen – sofort entflammte meine erkaltete Liebe wieder. Ich kenne kein Rennspiel, das meinen Adrenalinspiegel derart in die Höhe schnellen lässt: Ich fluche, wenn mich die LKWs in die Zange nehmen, frohlocke während eines Riesensprunges und hüpfe jubelnd auf der Couch herum, wenn ich ein Rennen im zehnten Anlauf gewinne. Dennoch hätte ich mir mehr Neuerungen gewünscht: Warum keine Cockpit-Perspektive, wieso keine Fahrschule oder einfallsreichen Challenges? Die poppigere Farbgebung lässt Umwelt und Boliden zwar weniger realistisch aussehen, als störend empfinde ich das aber nicht. Das Fahrverhalten ähnelt stark dem des Erstling: Es ist nicht sonderlich realistisch, aber dennoch angenehm fordernd.
Ulrich Steppberger meint: Pacific Rift ist in vielen Bereichen ein echter Fortschritt: größere Kurszahl, mehr grafische Abwechslung, flexiblere Wettkampfstruktur und Online-Duelle von Beginn an dabei. Das arcadelastige Fahrverhalten überzeugt, auch wenn die schwereren Fahrzeuge beim Einlenken gerne bockig reagieren. Trotzdem fehlt mir etwas das Wow-Erlebnis, das etwa ein Pure besitzt: Dafür müssten die Umgebungen noch detaillierter sein und der Rennerfolg – vor allem später – weniger vom Unfallglück abhängen.
Wertung
16 Strecken in 4 Element-Bereichen
8 Fahrzeugklassen (neu: Monster Truck)
Boost-Feature ist jetzt ausgereifter
Schmutzige Rennspielgranate für Pistenrambos und Vielflieger – dank größerem Umfang noch spaßiger als Teil 1.
Singleplayer85MultiplayerGrafikSound