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Was ist LittleBigPlanet denn nun eigentlich? Ein Hüpfspiel, das Ihr beliebig editieren könnt? Ein Editor, der sich wie ein Jump’n’Run spielt? Eine verspielte Kommunikationsplattform oder ein kommunikatives Plattform-Spiel? Wie auch immer Ihr Sonys innovatives Planetenbaby seht: Im Grunde dreht sich alles um die niedlichen, munter umherhopsenden Sackleute.
An den Bewegungen Eures Sack- Avatars bemerkt Ihr sofort, dass die LBP-Entwickler vorher an Rag Doll Kung Fu gearbeitet haben. Egal, ob Ihr über klaffende Abgründe springt, im Editor ein Vehikel zimmert oder einem Sackboy-Kollegen eine herzhafte Watschen aufstreicht – die niedlichen Püppchen aus grobem Stoff wirken stets wie an unsichtbaren Fäden aufgehängt und zappeln sich in Euer Herz. Bereits im Solospiel unterbrecht Ihr immer wieder Eure Reise durch die acht verrückten Spielzeugwelten der Meisterschöpfer, um eben gefundene Klamotten und Sticker anzuprobieren. Habt Ihr lokal oder über PSN Sack-Kumpels dabei, nimmt das wilde Sackhüpfen orgiastische Züge an. Die Kombination der vier Emotionen Freude, Trauer, Wut und Furcht in drei Abstufungen sowie die per Analogsticks frei beweglichen Arme machen Euch zum grinsenden Puppenspieler Eurer persönlichen Marionetten-Show. Recht komplexe Absprachen sind überdies bei den Mehrspieler-Herausforderungen des Story-Modus nötig. In den Entwickler-Levels verteilte Schilder zeigen Euch an, wo Ihr die Option habt, mit 2-4 Spielern auf die Jagd nach Bonus-Objekten zu gehen. Wenn Ihr dann z.B. vier physikalisch korrekt simulierte Holzräder an der jeweils passenden Position halten müsst, ist an eine Koordination per Textchat nicht mehr zu denken. An solchen Stellen benötigt Ihr vor allem zwei Dinge: ein Headset und tolerante Nachbarn, die bei Eurem hysterischen Rumgebrülle nicht gleich die Polizei holen.
Die Betätigungsfelder Eurer Sackboys lassen sich in drei Parts unterteilen. Geleitet vom ironischen Tutorial-Märchenonkel beschäftigt Ihr Euch zunächst mit dem ‘Spielen’-Part. In den 25 Levels der Programmierer lernt Ihr das etwas träge Renn- und Sprung-Verhalten Eures Sackboys kennen, schiebt mit gehaltener R1-Taste Treppenstufen aus greifbarem Stoff zurecht und begreift die Rücksetzfunktion: Ihr sammelt keine Leben, sondern bekommt bei jedem aktivierten Wegpunkt eine festgesetzte Anzahl neuer Versuche zugesprochen. Ansonsten ähnelt der Geschichtsmodus im Großen und Ganzen einem klassischen Jump’n’Run. Das Besondere ist der Look und die Mechanik des zusammengeleimt und -geschraubt wirkenden Spieleplaneten. Vehikeln wie Luftschiffen, beweglichen Plattformen oder Pendeln begegnet Ihr auch in anderen Genre-Vertretern.
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Während dort aber die Objekte und Bewohner einer Spielwelt auf herkömmliche Weise gerendert oder gepixelt werden, besteht bei LBP alles aus plastisch dargestellten Grundmaterialien wie Holz, Metall oder Gummi. So besteht eine bewegliche Plattform aus einem physikalisch korrekten Hebelmechanismus, hängt an einem Seil oder einem Ballon. Komplexere Kreaturen, wie ein bildschirmgroßer Sumoringer-Boss, wurden aus bemalten Einzelteilen, motorisierten Bolzen und einem Satz kleiner ‘Gehirne’ gefertigt, die gleichzeitig als Energieleiste fungieren und das Gegner-Verhalten festlegen. Kurz: Sämtliche Levels, Objekte und Kreaturen des Spiels wirken, als hätte eine superbegabte Waldorf-Schulklasse ein reales Jump’n’Run-Level gebastelt und mit einem HD-Videorekorder abgefilmt. Das sieht nicht nur apart aus, sondern deckt sich auch mit der Philosophie der Entwickler: Theoretisch könnt Ihr jedes mitgelieferte Level im Editor nachbauen. So fungiert das gesamte Solospiel gleichzeitig als eine Art Vorübung zum zweiten Drittel des Spiels.
Ihr könnt den ‘Bau’-Modus von zwei Seiten angehen: Entweder nehmt Ihr bereits fertige Elemente, die Ihr als Belohnung im Story-Modus erhalten habt, oder Ihr baut Euer Level von Grund auf neu. Dafür stehen Euch diverse Werkzeuge und Skript-Elemente, die Ihr in witzigen Tutorial-Übungen freischaltet, zur Verfügung. ‘Spiel’ und ‘Bau’-Part greifen so nahtlos ineinander: Sobald Ihr einen Gegner oder ein Hindernis im ‘Spiel’-Modus überwunden habt, bekommt Ihr es als Bau-Element. Dementsprechend agiert Ihr auch im ‘Bau’-Modus stets in der Haut Eures Sackboys, der sich wahlweise in klassischer Jump’n’Run-Manier fortbewegt oder frei schwebend das gesamte Level überblickt. Ganz so spielend einfach, wie Ihr die Grundkenntnisse erwerbt, ist die Levelkonstruktion allerdings nicht. Wer komplett eigene Ideen umsetzen will, die auch noch gut aussehen sollen, schafft das logischerweise auch nicht schneller als ein professioneller Spieldesigner. Probleme wie ungenau funktionierende Apparaturen oder die fehlerfreie Ansteuerung der nicht optimalen Sprung-Automatik in die drei Tiefenebenen lassen sich momentan nur mit zeitaufwändigem Ausprobieren lösen.
Sobald die Verkaufsfassung in den Regalen steht und die Unterstützung des Spiels über PSN angelaufen ist, könnten solche Anfängerfragen natürlich von einer lebendigen Community beantwortet werden. Das gegenseitige Besuchen der eigenen Levels und das Tauschen selbstgemachter Objekte stellt nämlich den dritten großen Teil von LBP dar. Was sich im inzwischen abgelaufenen Online-Betatest gut anließ, kann natürlich erst in seiner fertigen Ausprägung vollends beschrieben werden.
Meinung
Max Wildgruber meint: Ich kann Ulrichs Kritikpunkten nicht widersprechen. Mein Wilgruwitsch-Sackboy verhält sich träge und die Ebenen-Automatik nervt beim Spielen und Levelbauen. Ist mir aber wurscht! Denn ich kann meinen Wilgruwitsch-Sackboy und auch sonst jede beknackte Idee, die ich schon immer mal in einem Plattform-Spiel sehen wollte, selber basteln. Dass ich für ein so offenes System marginale Abstriche bei der Bedienung machen muss und der mächtige Editor so manch unkreativen Noob verschrecken mag, geht mir am Sackboy vorbei! LBP stellt für uns die unschätzbare Chance dar, endlich zu beweisen, dass wir origineller, subversiver und fleißiger sind als alle Nutzer konservativer Medien. Auf geht’s!
Ulrich Steppberger meint: Dem Gute-Laune-Charme der Sackboy-Truppe kann ich mich nicht entziehen; grafisch ist LittleBigPlanet eine Wucht: Putzige Hauptdarsteller, überaus realistisch wirkende Objekte und humorvolles Design muss man einfach mögen. Der Editor kann viel, doch letztlich dürften nur Bastlernaturen mit sehr viel Zeit sehenswerte Ergebnisse zustandebringen – bei der Online-Beta gab es wesentlich mehr Pfui als Hui zu erleben. Zur großen Begeisterung fehlt mir aber der Spielkomfort: Die Sackboys steuern sich für mein Gefühl zu träge, die Sprünge sind nicht immer einzuschätzen. Und die automatische Ebenen-Wechselei nervt mich manchmal gewaltig. Vom Spielen hält es mich zum Glück nicht ab.
Wertung
25 geniale Entwickler-Levels, Minispiele und ein theoretisch unbegrenzter Nachschuban selbstgemachtem Material
komplexer Level-Editor in verspielter Jump‘n’Run-Manier
Innovatives Build’n’Jump’n’Run für gesellige Sackleute und Kreativköpfe mit Hüpfspiel-Vorliebe.
Singleplayer88MultiplayerGrafikSound