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Wir erinnern uns: Am 17. Mai 2005, am Tage von Sonys berüchtigter E3-Render-Show, wurde mit I-8 das neue Spiel der Ratchet & Clank-Macher Insomniac enthüllt: Dutzende Soldaten stürmten über ein düsteres Schlachtfeld, ballerten vieläugige Aliens über den Haufen und traten einem riesigen Spinnenmonster gegenüber. Während andere Shooterhoffnungen des Tages wie Ubisofts Killing Day oder Segas Fifth Phantom Saga fortan nie mehr gesehen waren, sollte I-8 formidabel gedeihen. Nur der Name wurde durch das markttauglichere Resistance: Fall of Man ersetzt. Der Rest ist (Videospiel-)Geschichte: Der Ego-Knaller erschien pünktlich als Launchtitel, erhielt durch die Bank gute bis hervorragende Kritiken und knackte als erstes PS3-Spiel die magische Millionen-Marke. Praktischerweise birgt das von Insomniac ersonnene Resistance-Universum genügend Spielraum für einen Nachfolger, auch eine PSP-Episode befindet sich derzeit bei Sony Bend in Arbeit.
Sergeant Nathan Hale ist auch in Resistance 2 die Hauptfigur; Ego-Shooter-typisch seht Ihr von Eurem Helden aber meist nicht mehr als die Hand, mit der er die Waffe hält. Damit Ihr diesen Nathan Hale in Teil 2 endlich besser kennenlernt, erlebt Ihr zahlreiche Zwischensequenzen nicht durch seine Augen, sondern beobachtet aus der Sicht des virtuellen Kameramanns, wie Euer Alter Ego mit misstrauischen Kameraden oder überehrgeizigen Wissenschaftlern spricht. Für besondere Dynamik sorgt in diesen Sequenzen der Einsatz der InterSense-Technologie: Eine virtuelle Kamera bewegt sich durch eine virtuelle Szene und ahmt die echten Bewegungen eines echten Kameramannes nach; obgleich Ihr eine vorberechnete Sequenz verfolgt, erzeugen Schwenks, Schräglagen und Wackler das Gefühl eines Hollywoodstreifens.
Haben die so viel Story zu erzählen? Ja, haben sie. Zwar gehen manche Dialoge nicht über Soldatenfloskeln (”Okay Jungs, ziehen wir diese Sache durch”) hinaus, dennoch lassen die interessante Hintergrundgeschichte und das glaubwürdige Universum die meisten Genre-Kollegen hinter sich – mehr Einzelheiten findet Ihr im Infokasten unten.
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Hales Feldzug gegen die extraterrestrische Chimera-Rasse erlebt Ihr im Kampagnen-Modus von Resistance 2: Zahlreiche gescriptete Ereignisse peitschen Euch durch linear aufgebaute Bunker, Alienschiffe oder Waldlandschaften. Auch in den zombiefizierten Straßenzügen amerikanischer Großstädte oder felsigen Wüstencanyons zerlegen Hale und seine KI-gesteuerten Kumpanen die fantasievoll gestalteten Gegnerriegen. Obwohl Kameraden bitterbös draufgehen oder Aliens am Fließband niedergemäht werden, erscheint der Shooter ungeschnitten im Bundesgebiet; zu einem bluttriefenden Schlachtfest verkommt das Spiel nämlich zu keinem Zeitpunkt.
Wie schon in der Ratchet & Clank-Serie stellen die Insomniac-Designer ihre Neigung zu abwechslungsreichen und kuriosen Wummen unter Beweis – die Kombination von konventionellen Schusswaffen und Alientechnologie treibt einige spaßige Blüten: Während Ihr mit Karabiner-MG, Schrotflinte, Gatling-Gun oder Snipergewehr die Feinde mit althergebrachten Patronen oder Schrot beglückt, durchdringen die Energiegeschosse des Bohrers Wände oder sausen die Sägeblätter des Splicers tödlich surrend durch den Raum.
Noch mehr taktischen Spielraum eröffnen die Sekundärfunktionen Eurer Totmacher: Erzeugt durch Druck auf die R2-Taste für kurze Zeit einen Schutzschild oder markiert einen Gegner, so dass ihn Projektile auch hinter Hausecken erwischen. Etliche Granatentypen, die auch Eure Widersacher gerne einsetzen, kommen vor allem beim Stellungskampf zum Einsatz – sie sind jedoch zu keinem Zeitpunkt so gefährlich wie in der Call of Duty-Serie.
Erfreulich vielgestaltig ist auch die Feindesriege – in Zeiten von ’Es-gibt-nur-einen-Gegnertyp’-Spielen wie Killzone oder dem ’Freund-und-Feind-sehen-gleich-aus’-Shooter Call of Duty: World at War eine erfreuliche Ausnahme. Neben den in Hundertschaften auftretenden Standard-Chimera und den Zombie-ähnlichen Grim trefft Ihr auf behäbige Riesen, explodierende Renner, flinke Skorpione, tödliche Wassermonster oder fast unsichtbare Chamäleon-Chimera.
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Auch Bossgegner stehen auf Hales Speiseplan: Ausgefeiltes Schwachstellen-Suchen oder verschiedene Metamorphosen dürft Ihr beim Riesenkraken oder Alien-T-Rex aber nicht erwarten – mit einer Ladung Raketen oder einigen Schüssen aus der großen Laserknarre macht Ihr die meisten Großen klein.
Neben den Endgegnerscharmützeln lassen sich die Shootouts in Resistance 2 generell in eine von drei Schubladen stecken: Situation Nummer eins sind taktische Schießereien, die Ihr unter Zuhilfenahme der meist unzerstörbaren Deckung und dank der nützlichen Teamkollegen überlebt – Letztere eliminieren die Feinde nicht von allein, kämpfen aber tapfer mit. Ballereien der Marke Action-Situation Nummer zwei erlebt Ihr häufig in Kellergängen oder engen Alien-Korridoren: Ohne den Schutz Eurer Teamkollegen tastet Ihr Euch Meter für Meter voran – der Schein der Taschenlampe kämpft gegen das Dunkel. Plötzlich platzt ein Kokon hinter Euch, ein Mutant will Euch geifernd an die Wäsche – wir empfehlen ein herzliches ’Hallo’ aus der Shotgun. Auseinandersetzungen des Typs Actionszene Nummer drei wiederum durchlebt Ihr im Kreise Eurer Kameraden: Ohne groß auf Deckung zu achten, mäht Ihr ganze Horden herbeirennender Feinde nieder – bedrohlich ist hier nicht deren Stärke, sondern die erdrückende Anzahl.
Wie die meisten Ego-Kollegen setzt Hale auf eine regenerierende Energieleiste – pulsiert der Bildschirm in bedrohlichem Rot, helfen einige Sekunden Ruhe und schon seid Ihr wieder fit wie ein Turnschuh. Ein sonderlich robuster Träger scheint Hale nicht zu sein – außer der Waffe, die er gerade nutzt, passt lediglich ein Schießeisen in den Tornister. So kann es schon mal vorkommen, dass Ihr Euch für Snipergewehr und Laserwumme entscheidet und einen Raketenwerfer schweren Herzens links liegen lasst – dumm nur, wenn hinter der nächsten Ecke ein dicker Boss lauert; fairerweise sind aber gerade in den Bossarealen die besten Waffen versteckt. Ebenso fair verteilt sind die Checkpoints: Nach einer angenehm kurzen Ladezeit müsst Ihr maximal drei bis vier Spielminuten noch einmal absolvieren. Das ist besonders wichtig, weil Euch die Entwickler auch auf der niedrigsten Schwierigkeitsstufe etliche Mal ins Gras beißen lassen; dafür verantwortlich sind oftmals Feinde, die Hale mit einem Schlag ins Jenseits befördern.
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Die künstliche Intelligenz Eurer Gegner erlaubt ihnen gelegentliche Flankiermanöver und geschickte Granatenwürfe – mehr haben die Biester nicht auf der Pfanne; bleibt Ihr lässig in Deckung, verharren die tumben Brüder an Ort und Stelle, bis Ihr um die Ecke springt und sie abmurkst. Gerade auf den höheren Schwierigkeitsstufen werden aber auch kleinere Scharmützel zur echten Herausforderung – das liegt vor allem an der Treffsicherheit der Feinde.
Die Aufgaben, die Nathan und seine Kollegen erledigen müssen, schwanken zwischen einfallslos und packend: Während Standardaufträge à la ’Snipere zehn Feinde aus dem Helikopter’ oder ’Kämpfe dich zum Reaktor des Schiffes durch’ keinen alten Ego-Hasen hinter dem Kamin hervorlocken, glänzen andere Missionen mit cleverem Teamwork und förmlich greifbarer Spannung: Lenkt todesmutig die Schüsse eines zielsuchenden ’Höllenfeuerturmes’ auf Euch, während der KI-Kumpel von der anderen Seite die Elektronik des Geschützes lahmlegt. An anderer Stelle schleicht Ihr vorsichtig hinter dem Rücken MG-bestückter Drohnen vorbei oder müsst unter Zeitdruck eine intuitiv-intensive Sprungpassage bewältigen. Auch ohne den Einsatz von Wegweisern gelingt es Resistance 2 hervorragend, Euch stets die richtige Richtung aufzuzeigen – dafür braucht es nicht mehr als eine dezente HUD-Anzeige, die angibt, in welcher Richtung das nächste Missionsziel zu finden ist.
Habt Ihr nach gut zehn Stunden die Kampagne geschafft, fängt der Spaß erst richtig an: Klickt Euch durch unzählige interessante Statistiken (welche Waffe hat welche Trefferquote?), meistert das Game im Arcade-Modus mit einer begrenzten Anzahl von Leben oder spielt mit dem Einsatz von Filtern wie Tiefenunschärfe herum.
Monatelangen Spielspaß versprachen uns die Entwickler mit dem 8-Spieler-Koop-Modus sowie dem 60-Spieler-Multiplayer-Part – und die Mannen um Ted Price haben nicht gelogen.
Wie schlägt sich der PS3-Vorzeigeshooter grafisch? Resistance 2 ist eine heimliche Schönheit: Anfangs sind die nur ordentlichen Texturen und so manch grobschlächtiges Modell etwas enttäuschend, je tiefer Ihr jedoch in die virtuelle Welt vordringt, desto hübscher wird sie. Das Design ist dabei ebenso so stilsicher wie die Bildrate zu jeder Zeit stabil – angesichts der Größe und Anzahl der Gegner beileibe keine Selbstverständlichkeit. Und obwohl Euer Protagonist amerikanischer Staatsbürger ist, spricht er fließend deutsch und klingt dabei weder verkrampft noch lächerlich – nicht die einzige Sache, die Nathan Hale dem Master Chief voraus hat.
Meinung
Matthias Schmid meint: Niemals dachte ich, dass mich Resistance 2 derart mitreißen würde. Anfangs wurden meine Vorurteile bestätigt: Weil sich Story und Action zu viel Zeit lassen, erlebt Ihr während des ersten Drittels einen ’nur guten’ Ego-Shooter. Dann dreht das Spiel richtig auf: Mal hünenhafte, mal einfallsreiche Bossgegner lassen mich staunen, gruselige Dunkelkammern voller Kokons machen mir Angst. Auch die Grafik steigert sich kontinuierlich, die perfekte Steuerung und vorbildliche Bildrate lassen mich keine Sekunde im Stich. Die Krönung ist der Mehrspieler-Part: Hier bekommt Ihr wirklich was fürs Geld. Genial sind die Koop-Missionen – im Team eine Horde Grim niederzumähen, ist ein Genuss. Endlich haben PS3-Besitzer ihr Halo 3 – Left 4 Dead (Koop-Modus) und Unreal Tournament III (Skirmish-Modus) gibt es gratis dazu.
Michael Herde meint: Ich stehe mit Nathan in einer Grube und das Wasser steigt. Ich flüchte über einen schmalen Bretterparcours nach oben, um den tödlichen Furien im Wasser zu entkommen. Meine Hände verkrampfen sich um das Joypad, bis ich die Grube verlasse, um als Nächstes in der Dunkelheit schmale Korridore und Räume eines Gebäudes zu erkunden. Um mich herum unzählige Fleischsäcke, von denen ich zu diesem Zeitpunkt nur zu gut weiß, was sie bedeuten: Grim – sehr viele Grim. An diesem Punkt hatte mich Resistance 2 überzeugt. Gekonnt variieren die Entwickler das Spieltempo, überraschen mit immer neuen Ideen. Den erfrischenden Waffen zum Beispiel, zu denen ich mir mehr Erklärung gewünscht hätte, denn auf die Eigenheiten der Ballermodi muss ich alleine kommen. Der Bohrer erfordert Umdenken im eigenen Verhalten: Wenn Ihr ebenso wie Eure Gegner durch Wände schießen könnt, muss Deckung eben anders laufen als gewohnt. In puncto Technik schließe ich mich Matthias an: Resistance 2 ist kein Texturwunder, aber immer stimmig und mitreißend.
Wertung
Koop-Modus auch im Splitscreen spielbar
erscheint ungeschnitten, ist aber blutiger als der Vorgänger
Dieses Shooterpaket macht glücklich: herausragend die Massenschlachten, die Bildrate und der Mehrspieler-Part.
Singleplayer88MultiplayerGrafikSound