Seite 1
”Nostalgie ist toll, und es steckt auch viel davon in Banjo-Kazooie: Schraube locker. Aber das kann nicht das Fundament für ein Produkt sein. Du musst versuchen, ein größeres Publikum zu erreichen. Den treuen Fans ein Spiel zu verkaufen ist wunderbar, aber wir brauchen mehr Kunden.” Dieses Statement stammt von Rares Studio-Boss Mark Betteridge, der der englischen Videospiel-Zeitschrift EDGE in der November-Ausgabe Rede und Antwort stand. Seine Aussage trifft den Kern des Spielspaß-Problems: Die Entwickler haben auf Biegen und Brechen versucht, die Jump’n’Run-Wurzeln der Banjo-Kazooie-Serie zu kappen. Herausgekommen ist eine halbgare Mischung aus Minirennspiel-Sammlung, Vehikel-Baukasten und Oberwelterkundung, die Einsteiger mit ihrer Optionsvielfalt überrollt.
Richtig gelesen: Schraube locker ist ein Fall für Vielspieler, Gelegenheitszocker werden in der ersten Stunde so mit Namen, Charakteren, Lokalitäten und anderen Infos bombardiert, dass sie mit dem Gedanken ”zu komplex!” das Pad wohl gleich wieder aus der Hand legen. Dabei besteht das Grundkonzept nur aus drei Teilen: einer Oberwelt mit Eingängen in die Levels, der Vehikel-Werkstatt und den Rennen innerhalb der Levels. Als Bär Banjo mit Vogel Kazooie im Rucksack sucht Ihr den Eingang in ein Areal, absolviert dort Wettläufe mit verschiedenen Fahrzeugen (Autos, Panzer, Boote, Flugzeuge oder Eigenkreationen, die alle mögliche Formen haben können), sackt bei Gewinn Puzzleteile ein und erschließt Euch so den Zugang zu weiteren Abschnitten.
Das ist nicht wirklich viel Spiel fürs Geld, daher soll das Bauen von individuellen Vehikeln für längere Motivation sorgen. Vor das Konstruieren haben die Entwickler allerdings das Sammeln von Einzelteilen gesetzt: In der Oberwelt sind Kisten versteckt, die Ihr zum Werkstatt-Meister Mumbo bringen müsst. Der extrahiert den Inhalt und fortan gehören Objekte wie Goodie-Scanner, Flügel, Seitenpanzerung, Hafträder, Stoßfänger und Eierkanone zu Eurem Montage-Repertoire. An einem bestimmten Entwicklungspunkt müssen die Macher allerdings gemerkt haben, dass das Sammeln und der langwierige Rücktransport nerven. So bekommt Ihr in einer der häufigen und langen Ladezeiten plötzlich mitgeteilt, dass Ihr Euch via Nach-oben-Druck aufs Steuerkreuz direkt zur Werkstatt beamen könnt… aha!
Unverständlich auch die altbackene Präsentation mit zahllosen Textboxen, die auf Röhren-TVs nahezu unidentifizierbar klein ausfallen und schon mal ein Schnelllese-Diplom voraussetzen – so fix werden einige Hinweise ausgeblendet. Ein online erhältlicher Patch soll in diesen Tagen die Schlamperei beheben. Für Rare-Verhältnisse ungewöhnlich sind die etwas trägen, ungenauen Kontrollen: Bei den Rennen funktioniert alles einwandfrei, geht Ihr mit dem Bären jedoch per pedes auf Erkundungstour, steuert es sich schwammig – Klettereinlagen auf mächtige Kräne werden mitunter von ungewollten Abstürzen begleitet.
Banjo-Kazooie: Schraube locker will viel und macht nur einiges richtig. Neue Kundschaft wird so nicht erschlossen, Herr Betteridge!
Meinung
Oliver Schultes meint: Zu SNES- und N64-Zeiten war das goldene Rare-Logo auf der Packung gleichbedeutend einem Qualitätssiegel, seit dem Wechsel ins Microsoft-Lager ist allerdings die Konstanz dahin. Banjo-Kazooie: Schraube locker spiegelt diese Entwicklung in fast allen Bereichen wider: Die Rennen als Haupt-Spielelement wirken lieblos designt, hakelig oder einfach langweilig. Der Vehikel-Editor bietet wie ein Lego-Baukasten unzählige Möglichkeiten – sofern Ihr die Teile mühsam in der Oberwelt zusammentragen wollt. Die Renneinlagen waren mir nämlich zu dröge, als dass ich sie mit einem verbesserten Gefährt auf eine neue Bestzeit hin hätte spielen wollen, das Ergattern eines Puzzleteiles reichte mir – schließlich öffnen sich so die Wege in neue Levels. Die Motivation hält jedoch nicht lange, da sich die Aufgaben (Rennen gewinnen) wiederholen. Nichts Positives? Doch. Die manchmal leicht ruckelige, aber detailreiche Grafik, die Spielphysik, welche bei selbstgebauten Gefährten gnadenlos Konstruktionsfehler aufdeckt, und der immer wieder durchblitzende Humor retten das Xbox-360-Banjo-Kazooie ins obere Mittelmaß. Der Online-Multiplayer-Modus, der wie ein Sammelsurium der Solospieler-Aufgaben wirkt, reizt zudem eine Zeitlang zum Experimentieren mit verschiedenen Vehikeln und Eigenkreationen.
Wertung
umfangreicher, leicht zu bedienender Editor, der das Erstellen von abgefahrenen Vehikeln erlaubt
6 Schauplätze mit über 100 Minigames
Mixtur aus Rennspiel und Konstruktion
Zusammengeschustert: Der Mischung aus Minigames mit Rennspiel-Aspekt und Fahrzeug-Editor fehlt es an einer klaren Linie.
Singleplayer63MultiplayerGrafikSound
