Das neuste Spiel von Bungie hat keine Chance auf Erfolg, jetzt stellt sich die Frage: Wie viel Geduld hat Sony noch mit dem Entwickler von Destiny?

Bungie wollte mit Marathon eine große, neue Marke etablieren und dabei das eingestaubte Franchise aus den 90ern wiederbeleben. Inzwischen ist der Release nur noch 4 Monate entfernt und lässt Sorge aufkommen – um Marathon, aber auch um die Zukunft von Bungie. Wie es um den Entwickler von Destiny steht, schauen wir uns jetzt an.

Was ist bei Marathon und Bungie los?

Der erste Ankündigungstrailer im Mai 2023 machte noch viele Spieler neugierig und wurde starke 22 Millionen Mal aufgerufen.

Danach folgte lange Funkstille, ehe neue Infos und 2025 erstes Gameplay zu dem Spiel folgten.

Inzwischen haben Spieler den Shooter selbst in einer Alpha testen können. Der Test konnte jedoch viele Spieler nicht überzeugen.

Nach dem Alpha-Test kam ein Skandal um geklaute Designs dazu.

Marathon hat keine Chance, „erfolgreich“ zu sein

Der Forbes-Journalist Paul Tassi verriet, er habe gehört, dass Marathon in den USA eines der 5 meistverkauften Spiele des Jahres 2025 sein müsste, um als „Erfolg“ zu gelten (via YouTube). Tassi ist gut mit Bungie verknüpft und hat nach eigenen Angaben auch einige Freunde in dem Studio.

Der Bericht von Tassi hatte mich veranlasst, mir die Spiele-Releases des Jahres noch einmal genauer anzuschauen und zu hinterfragen, ob dieses Ziel von Bungie meiner Meinung nach realistisch ist. Mein klares Fazit:

Eine Top-5-Platzierung 2025 halte ich für ausgeschlossen.

Wir haben erst Mai und schon jetzt gibt es einige Spiele, die richtig gut sind:

GOTY-Anwärter: Split Fiction, Clair Obscur: Expedition 33, Blue Prince, Kingdom Come: Deliverance 2.

Lohnende Erwähnungen: Doom: The Dark Ages, Elden Ring: Nightreign, The First Berserker: Khazan.

Bevorstehende Releases: Dune: Awakening, Rematch, Mafia: The Old Country, Metal Gear Solid Delta: Snake Eater, Borderlands 4, Dying Light: The Beast, FBC Firebreak, Judas und Death Stranding 2.

Bei der Auswahl an Spielen, die 2025 bereits erschienen sind und noch erscheinen sollen, würde es mich wundern, wenn Marathon die Top-15 schafft. Jedem dieser Spiele traue ich bessere Verkaufszahlen über das Jahr hinweg zu als Marathon.

Denn das gesamte Spielkonzept von Marathon ist unstimmig.

Marathon hat eine winzige Zielgruppe, die zusätzlich eingeschränkt wird

Das grundlegende Problem von Marathon beginnt schon mit dem eigentlichen Spielprinzip. Es ist ein Extraction-Shooter, das aktuelle Hype-Genre der Spieleindustrie. Nahezu jeder Entwickler will einen Extraction-Shooter machen. Die Spiele setzen dabei alle auf das gleiche Spielprinzip und ändern nur Kleinigkeiten, die dem jeweiligen Titel dann seine Identität verleihen sollen. Bei einem Spiel sind es tobende Naturgewalten, bei dem anderen spielbare Helden statt unbenannten Figuren.

Das Problem an der ganzen Sache ist: Es gibt nur 2 Extraction-Shooter, die seit Jahren wirklich erfolgreich sind, Escape from Tarkov und Hunt: Showdown. Neue Spiele, die sich an dem Genre versucht haben, sind gescheitert. Dazu zählen Spiele und Modi wie The Cycle: Frontier und Call of Dutys DMZ. Manche Spiele wie Gray Zone Warfare oder Delta Force können zwar einige tausend Spieler auf Steam verzeichnen, sind jedoch ebenfalls von einem Top-5-Platz der jährlichen Verkaufszahlen weit entfernt.

Das ist allerdings nicht nur ein Problem von Bungie und Marathon, sondern ein Phänomen, das in der Spieleindustrie immer wieder auftaucht. Wir haben über die Jahre beispielsweise auch viele verschiedene MOBAs gesehen, die etwas vom Erfolg von League of Legends und DOTA 2 abhaben wollten. Positiv hervorzuheben sind etwa Smite, Pokémon Unite oder Mobile Legends: Bang Bang. Andere Spiele sind gescheitert, darunter Paragon, Heroes of the Storm und Battleborn.

Letztlich bleiben viele Spieler oftmals bei den Spielen, die sie seit Jahren zocken.

Ein Casual-Game ohne Casual-Gamer

Extraction-Shooter sind ein nischiges Genre und nur weil Tarkov groß ist, bedeutet das nicht, dass andere Studios damit ebenfalls Erfolg haben werden. Die Entwickler prügeln sich um eine kleine Zielgruppe und verstehen nicht, wieso die Spieler ein bestimmtes Spiel spielen.

Ich bin überzeugt, dass ein Casual-Extraction-Shooter wie Marathon nicht funktionieren kann. Wenn jemand Escape from Tarkov spielt, will er die Hardcore-Spielerfahrung einer Militärsimulation:

keine Minimap

ein realistisches Spielgefühl und Setting

komplizierte Verletzungen der Spielfigur.

Die Spieler lieben, wie kompliziert das Spiel ist. Nicht umsonst sagte ein Tarkov-Streamer mal: „Du kannst entweder Jura studieren oder gut in Tarkov sein. Beides gleichzeitig geht nicht.“ Ich würde einem Tarkov-Fan eher ARMA oder Squad empfehlen als Marathon.

Auf der anderen Seite stehen die Gamer-Dads, die nach einem harten Arbeitstag entspannt zocken wollen. Entspannt zocken geht in einem Extraction-Shooter einfach schlecht. Selbst wenn ich 4-5 Tage lang wirklich erfolgreiche Durchläufe spiele, irgendwann sterbe ich und verliere meine Ausrüstung. Und als nicht kompetitiver Gamer wird man oft sterben, bis dann die gesamte Ausrüstung verloren ist und ihr nur noch die billigsten Waffen nutzen könnt, die euch die Händler gratis sponsern. Entweder das, oder ihr nutzt generell nur „schlechte“ Ausrüstung, weil ihr Angst habt, euren guten Loot zu verlieren.

Extraction-Shooter sind einfach zu bestrafend für Casual-Gameplay. Es gibt also voraussichtlich sehr wenig Spieler, die einen Casual-Extraction-Shooter zocken wollen. Marathon verkleinert also erfolgreich eine ohnehin schon sehr begrenzte Zielgruppe.

Zu hoher Preis, kein klares Alleinstellungsmerkmal

Eines der am meisten diskutierten Probleme von Marathon ist zudem der Preis.

Marathon wird kein Free-to-play-Spiel.

Verschiedenen Gerüchten zufolge könnte es etwa 40 € zum Release kosten. Wenn ich unsicher bin, ob Marathon mir Spaß machen könnte oder nicht, drückt der Preis die Kaufentscheidung im schlimmsten Fall stark Richtung „kein Kauf“.

Insgesamt fehlt dem Spiel ein großes Alleinstellungsmerkmal. Irgendwas, das dem Spieler sagt: Hier bekommst du etwas Besonderes, das du sonst nirgendwo bekommst.

Die „innovative“ Idee des Spiels ist es, Extraction-Shooter mit spielbaren Helden zu verbinden, aber das typische Extraction-Gameplay bleibt, nur dass nun jeder verschiedene Fähigkeiten einsetzen kann. Diese Fähigkeiten wie die Unsichtbarkeit oder der Gegner-Scan sind aber allesamt keine neuen Ideen und gab es so in irgendeiner Form schon in anderen Spielen.

Das, was Marathon bislang für viele Nutzer in den sozialen Netzwerken ausgezeichnet hat, war der Artstyle (vgl. X). Der ist besonders und sticht hervor. Da Bungie jedoch zugegeben hat, Designs einer Künstlerin gestohlen und in der Alpha von Marathon genutzt zu haben, müssen nun viele Designs des Spiels ausgetauscht werden. Der Artstyle wird wahrscheinlich gleich bleiben, doch der Vorfall wirft ein negatives Licht auf die Gestaltung des Spiels.

Bungie hat die Spieler schon lange verloren

Das Tragische an der Situation von Bungie und Marathon ist, dass das Studio jahrelang dafür bekannt war, wirklich gute Shooter zu machen. Das Gunplay von Destiny gilt bis heute als hervorragend und macht einfach Spaß. Doch genau jene Community, die Spieler von Destiny und Fans von Bungie, hat das Studio schon vor Monaten verloren. Es gibt eine lange Liste an Kritik, die Spieler immer wieder aufführt.

Monetarisierung: Teure Skins; verschiedene Währungen; teure DLCs;

recycelte Inhalte: neue Inhalte wie Events sind oftmals nur recycelte Versionen alter Inhalte, Events und Ähnliches wiederholen sich, es gibt wenig neue Ideen und innovationen

Seasons, Content-Vault und Fomo: Das Season-Modell von Destiny 2 führt oft dazu, dass Inhalte nur für eine begrenzte Zeit verfügbar sind. Dazu verschwnden alte DLC-Inhalte, für die Spieler gezahlt haben, im Content-Vault und sind nie wieder spielbar – außer sie werden in Form „neuer“ Inhalte recycelt.

Umgang mit Feedback: Viele Spieler äußerten in der Vergangenheit, dass das Feedback der Community nicht beherzigt wurde, etwa bei Balancing-Entscheidungen.

Vernachlässigung von PvP/ Gambit: Die PvP-Spieler des Loot-Shooters fühlen sich vernachlässigt.

Die Unzufriedenheit der Community führt zu einem Abfall der Spielerzahlen, diese werden stetig weniger. Neue Inhalte konnten zuletzt, gemessen an den Spielerzahlen auf Steam, nur einen kleinen Teil der Spielschaft zubringen. Während Destiny 2 auf Steam 2023 noch durchschnittlich rund 65.000 Spieler hatte, waren es 2024 trotz des Releases von The Final Shape nur etwa 48.000. Seither fielen die Zahlen weiter. In den ersten 4 Monaten des Jahres 2025 sind durchschnittlich noch 28.130 Spieler online (via SteamCharts).

Dazu kommt heftige Kritik außerhalb des Spielgeschehens, etwa für die Entlassung von über 450 Mitarbeitern bei Bungie und wie „gefühllos“ diese gehandhabt wurden, die generelle Studioatmosphäre und toxische Arbeitsverhältnisse, allesamt Umstände, von denen ehemalige Mitarbeiter wie Liana Rupert berichtet haben.

Außerdem fällt den Gamern auf, dass Bungie jetzt mehrfach in Plagiatsvorwürfe verstrickt war und diese wiederholt auch gestand. Das weckt Zweifel an der Qualitätssicherung des Unternehmens. Bungie müsse eine Institution schaffen (oder verbessern), die dafür zuständig ist, das Urheberrecht von Designs, Texten und sonstigen Inhalten zu prüfen – zumindest, wenn man als Unternehmen in dem Bereich schon mehrfach auffiel.

JahrSpiel/ ProduktInvolvierte KünstlerArt des VorwurfsLösung2025 Marathon (Alpha)AntirealUnautorisierte Nutzung von Poster-Designs der Künstlerin als In-Game-Texturen/Assets.Bungie gab die Nutzung öffentlich zu und gab an, ein ehemaliger Mitarbeiter sei Schuld. Man nehme nun Kontakt zur Künstlerin auf.2024Destiny 2 / NERF Blaster „Ace of Spades“Tofu RabbitKopie eines Fan-Designs für den NERF Blaster ohne Erlaubnis.Bungie entschuldigte sich und deutete eine Entschädigung an (via X).2023Destiny 2 (Season of the Deep, In-Game-Zwischensequenz)Julian FaylonaStarke Ähnlichkeit eines Artworks in einer Cutscene mit einem Werk des Künstlers.Bungie bezeichnete es als Fehler eines externen Dienstleisters und entschädigte den Künstler. (via X)2021Destiny 2 (Trailer zu „Die Hexenkönigin“)Relay314Unautorisierte Nutzung eines Fan-Artworks (Figur: Xivu Arath) im TrailerBungie bestätigte die „versehentliche Nutzung“, entschuldigte sich, kreditierte den Künstler und holte nachträglich die Erlaubnis ein (via X).

Gegenwärtig läuft auch noch ein Rechtsstreit mit einem Autor, der Bungie vorwirft, die Story von Destiny 2 sei einem seiner Werke nachempfunden. Bungie hat dabei Schwierigkeiten, das Gegenteil zu beweisen, weil entsprechende alte Inhalte des Spiels nicht mehr verfügbar sind. Sie greifen dafür auf Videos eines YouTubers zurück, der die Story und Lore des Spiels aufwendig zusammenfasst.

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von Benedikt Schlotmann

Wie viel Geduld hat Sony noch mit Bungie?

Ich will nicht zu pessimistisch sein, aber langsam wird es schwierig, bei Bungie optimistisch zu bleiben. Destiny 2 verliert zunehmend Spieler, die Stimmung der einstigen Fans ist mies, das neue Spiel Marathon war lange in Entwicklung und könnte brutal scheitern und alles, was man zur internen Situation des Studios und der Mitarbeiterzufriedenheit hört, bereitet Sorgen.

Sony hat viel Geld für die Übernahme von Bungie (3,2 Milliarden Euro) gezahlt und jetzt muss das Studio langsam anfangen, dieses investierte Geld, dieses Vertrauen an Sony zurückzahlen. Bereits 2023 hieß es in einem Report von Bloomberg, dass Bungie 45 % unter den Erwartungen gewesen sei. Das kriselnde Destiny 2 gilt bislang die Haupteinnahmequelle des Studios, das seit The Final Shape (Juni 2024) keine Erweiterung mehr herausgebracht/ verkauft hat – und das Studio habe schon vor der Übernahme von Sony kurz vor der Insolvenz gestanden.

Sony selbst ist gewinnorientiert und wird ein sehr kritisches Auge auf die Entwicklungen bei Bungie werfen – zumal sie mit Concord erst 2024 einen herben finanziellen Rückschlag bei einem Live.Service-Game erlitten. Einem Bericht von IGN aus dem Jahr 2023 zufolge sei es Sony möglich, beim Ausbleiben finanzieller Ziele den bestehenden Vorstand von Bungie aufzulösen und die volle Kontrolle zu übernehmen. Zudem ist es denkbar, dass Sony Vorfälle wie die Plagiatseingeständnisse als rufschädigend betrachtet und diese der Bungie-Führung negativ auslegt.

Insgesamt ist es schwierig, sich vorzustellen, dass Bungie in den nächsten Jahren einen finanziellen Erfolg haben wird – unabhängig von der Qualität des jeweiligen Produkts. Die einstigen Fans von Bungie sind so unzufrieden und frustriert, dass sie – so wirkt es aktuell – allem negativ gegenüberstehen, was Bungie macht. Das Studio muss schon etwas richtig Gutes liefern, damit es nicht „aus Prinzip“ gehasst wird. Stattdessen liefern sie ein zu teures Spiel ohne Zielgruppe, mit geklauten Assets.

Wenn Marathon scheitert – und das kann ich mir leider gut vorstellen – könnte Sony die Geduld mit Bungie verlieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Unternehmen die aktuelle Situation noch lange mitmacht. Sollte das angeblich vertraglich festgelegte finanzielle Ziel seitens Bungie wirklich verfehlt werden, droht die vollständige Kontrollübernahme seitens Sony. Bungie benötigt dringend einen Erfolg und muss bei Marathon Schadensbegrenzung vermeiden.

Um einen Top-5-Platz der Verkäufe in den USA zu erreichen, müsste Bungie es meiner Einschätzung nach schaffen, Marathon für Destiny-Spieler reizvoller zu machen, beispielsweise mit einem größeren Fokus auf PvE oder der Möglichkeit PvP zu vermeiden. Selbst Escape from Tarkov hat inzwischen einen reinen PvE-Modus.

Eine Umstellung auf PvE-Inhalte würde jedoch viel Aufwand und Entwicklungszeit bedeuten, was voraussichtlich mit hohen Kosten verknüpft wäre – schließlich müssen die ENtwickler in der Zeit bezahlt werden. Da ein finanzieller Erfolg dennoch nicht garantiert wäre, käme das wohl kaum einer Schadensminimierung gleich. Bungies größte Hoffnung bleibt also Destiny 2. Das Studio muss qualitativ hochwertige Erweiterungen bringen und das Vertrauen der Community zurückgewinnen. Dabei wird es entscheidend sein, dem Feedback der Spieler zuzuhören.

Denn wenn die Stimmung schlecht bleibt, besteht die Gefahr, dass die Spieler weniger kauffreudig sind.

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