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Vor mehr als 500 Jahren entstand in Chinas Ming-Dynastie der Roman ”Shui Hu Zhuan”, in Deutschland wurde die Geschichte 1934 vom Sinologen Franz Kuhn als ”Die Räuber vom Liang-Schan-Moor” übersetzt – das Buch zählt zu den vier großen Werken der chinesischen Literaturgeschichte. Was das jetzt mit diesem Rollenspiel-Remake-Doppelpack von Konami zu tun hat? Als der 2024 verstorbene Designer Yoshitaka Murayama gemeinsam mit Designerin und Illustratorin Junko Kawano an einem RPG für die noch junge PlayStation arbeitete, war eben diese Geschichte um 108 Gesetzlose (die in Japan unter dem Titel Suikoden bekannt ist) eine große Inspiration für Genso Suikoden. In diesem Rollenspiel stellen sich 108 Helden gegen des träge und korrupt gewordene Scarlet Moon Imperium, seinen Kaiser und seine Generäle.
Die Fachpresse reagierte in den frühen Tagen der Echtzeit-3D-Grafik etwas verschnupft auf das weitgehend pixelig-zweidimensionale Abenteuer, bei der Rollenspiel-Community kam Suikoden aber prächtig an. Das Spiel ist gleich bei der Sache, bietet eine angenehm bodenständige Geschichte mit Dutzenden sympathischen Figuren und ist vor allem herrlich flott und unkompliziert. Wo bei den zeitgenössischen Final Fantasy-Materialschlachten noch die Kamera um das polygonale Schlachtfeld fährt, da ist der Suikoden-Kampf bereits gewonnen und abgehakt.
Diese Stärken nimmt Konami mit in das 1998 in Japan und später auch im Westen veröffentlichte Suikoden 2: Eine hochgradig emotionale Geschichte um den Kampf gegen einen übermächtigen Eroberer, zahllose charmante Figuren, ein stetig wachsendes Hauptquartier und bunte, saubere 2D-Grafik mit hübsch animierten Sprites begeisterten die Fangemeinde. Konamis Unsitte, die US-Version mit einer schludrigen Lokalisation nur wenige Tage nach dem Blockbuster Final Fantasy VIII zu veröffentlichten, tat den Verkaufszahlen allerdings keinen Gefallen. Heute werden die ersten beiden Suikoden-Spiele auf der PlayStation für schwindelerregende Preise gehandelt.
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Umso größer die Freude über dieses Remaster-Doppelpack, das nur einen Bruchteil dessen kostet. Noch dazu, weil Konami nicht einfach die beiden PlayStation-Abenteuer hochgerechnet und zusammengeschnürt hat, tatsächlich wurde dem Duo eine ordentliche grafische Überarbeitung zuteil. Die klassischen Sprites blieben in ihrer Pixel-Pracht erhalten, die Hintergründe sind jetzt aber ebenso hoch aufgelöst wie die polygonalen Kampfarenen, und natürlich werden beide Titel nun im 16:9-Format dargestellt. Alle Charakterporträts wurden neu gezeichnet und auch die Lokalisation beider Spiele wurde für die englische und deutsche Fassung überarbeitet. Tatsächlich liegt das erste Suikoden jetzt erstmals in unserer Sprache vor: Die Übersetzung ist ganz ordentlich gelungen, auch wenn Formulierungen gelegentlich arg wörtlich und offenbar ohne Kontext aus dem Englischen übernommen wurden.
Die fantastische Musik, ein Markenzeichen beider Spiele, blieb derweil unangetastet, auch auf ausbremsende Sprachausgabe wurde verzichtet. Dafür reichert Konami die Welt um zahlreiche grafische und akustische Effekte an. An der Extra-Front gibt es ein Musikmenü und einen Betrachter für bereits erlebte Zwischensequenzen, die naheliegende Art-Galerie für die zahllosen herrlichen Charakterillustrationen sucht Ihr dagegen vergebens.
Auch anderweitig hält man sich in Sachen Ergänzungen zurück. Grafikfilter sind hier ebenso wenig vorgesehen wie die Möglichkeit, zur alten PlayStation-Darstellung zu wechseln. Auf die bei vielen Klassiker-Neuauflagen fast schon obligatorische Rückspulfunktion wird ebenfalls verzichtet – allerdings ist die bei einem rundenbasierten Rollenspiel wie Suikoden auch kaum nötig. Auf Knopfdruck dürft Ihr die (ohnehin bereits sehr flotten) Kämpfe beschleunigen und mit drei wählbaren Schwierigkeitsgraden sollen blutige Anfänger und abgebrühte Profis abgeholt werden. Die Steuerung fühlt sich nun griffiger an, wie im leider nicht lokalisierten PSP-Port könnt Ihr jetzt diagonal laufen, auch eine Renn-Funktion hat Konami ins erste Spiel implementiert.
Schließlich wurden die Menüs überarbeitet und um ein paar Komfortfunktionen ergänzt: In Läden seht Ihr im Erstling nun, wie neue Ausrüstung Eure Charakterwerte beeinflusst. Das limitierte Inventar bleibt dagegen erhalten, gerade in den ersten Spielstunden müsst Ihr öfter mal Gegenstände herumreichen, um Eure Figuren stets gut ausgerüstet zu halten – das ist in der Fortsetzung eleganter gelöst.
Meinung
Thomas Nickel meint: In Zeiten, in denen mehrstündige Prologsequenzen und Feature-Flut sich gerne mal die Klinke in die Hand geben, sind die beiden Suikoden-Spiele herrlich erfrischend. Die 2D-Abenteuer kommen direkt zur Sache, punkten mit einer guten Balance zwischen Story, Abenteuer und Komplexität und sind dank der gelungenen Überarbeitung immer noch richtig schön anzusehen. Die Musik ist nach wie vor sensationell und die neuen Grafik- und Soundeffekte machen die Welt lebendiger. Grinding ist dank sauberer Spielbalance in beiden Spielen kein Thema und trotz ein paar Interface-Kanten ist bereits der Erstling ein knackig-mitreißendes Erlebnis. Die Fortsetzung, die heutzutage nicht grundlos als eines der besten PSone-Rollenspiele gilt, dreht kräftig an den emotionalen Schrauben und erzählt eine fantastische Geschichte mit ebenso viel Triumph wie Tragik – das Schicksal der Suikoden-Helden und auch der Schurken lässt niemanden kalt. Dabei ist der Fokus auf lokale Konflikte und der Verzicht auf nihilistisch-halbgöttliche Superschurken, die sämtliche Realitäten auslöschen wollen, sehr willkommen. Die mal tragisch-menschlichen, mal skrupellos soziopathischen Antagonisten sind gleichermaßen faszinierend wie glaubwürdig.
Wertung
mehr als 108 Protagonisten pro Spiel
technisch sauber überarbeitet
ein paar Extras inklusive Musikplayer
verpackt nur für PS5 und Switch
Inhaltlich konnte der Zahn der Zeit den beiden ”Suikoden”-Spielen nichts anhaben, die neue Überarbeitung ist ebenso stimmig wie unaufdringlich.
Singleplayer88MultiplayerGrafikSound
