Street Fighter IV – im Klassik-Test (PS3)

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Spiel:Street Fighter IVPublisher:CapcomDeveloper:CapcomGenre:Beat’em-UpGetestet für:PS3Erhältlich für:360, PS3USK:12Erschienen in:3 / 2009

Street Fighter II belebte 1991 ein ganzes Genre neu und sorgte für unzählige Nachahmer und Konkurrenten. 2D-Beat’em-Ups mit Viertelkreis-Bewegungen und effektvollen Special Moves schossen wie Pilze aus dem Boden, ehe die 3D-Ära anbrach und die Serien Virtua Fighter, Dead or Alive, Soulcalibur und Tekken um die Prügelkrone kämpften. Die bisherigen Ausflüge der Street Fighter-Reihe in die dritte Dimension waren indes nur grafischer Natur und kaum der Rede wert.

Mit Street Fighter IV soll sich dieses Jahr alles ändern. Die Ambitionen sind enorm, schließlich will Capcom nicht nur alte Fans begeistern, sondern auch 3D-verwöhnte Neulinge an den Controller fesseln. Die Kämpferriege von Street Fighter IV besteht aus 25 Charakteren, wovon anfangs nur 16 zur Verfügung stehen. Bevor Ihr loslegt, empfiehlt sich bei beiden Systemen die ­optionale Installation, dann fallen Ladezeiten weg. Von Beginn an stehen alle klassischen Haudegen aus Street Fighter II (inklusive des Boss-Quartetts) sowie vier Neuzugänge zur Wahl: Fettwanst Rufus, Wurfspezialist Abel, der hektische Mexiko-Wrestler El Fuerte und die rothaarige Crimson Viper. Durch Absolvieren des Arcade-Modus mit verschiedenen Figuren schaltet Ihr die restlichen Kämpfer frei: Mit der Zeit gesellen sich Cammy und Fei Long aus Super Street Fighter II sowie Rose, Dan, Sakura und Gen aus der Street Fighter Alpha-Reihe dazu. Die Street Fighter IV-Bosse Akuma, Gouken und Seth bilden den ­Abschluss des facettenreichen Kaders. Neben frischen Charakteren schaltet Ihr mit dem Durchspielen des ­Arcade-­Modus verschieden­farbige Outfits und ­Provokationsposen frei.

Doch beginnen wir am Anfang: Nach der Kämpferwahl und einem kurzen Anime-Intro prügelt Ihr zunächst sechs Kontrahenten in den Staub, um schließlich Euren persönlichen Erzrivalen, gefolgt vom Alleskönner Seth, zu vermöbeln. Um alle sieben Schwierigkeitsgrade zu meistern, üben ­Solisten im freien Training oder ­gehen alternativ die einzelnen ­Stufen des Herausforderungs-Modus an. Hier werden Euch in schrittweisen Etappen Standard-Schläge, ­Special Moves und Combos abverlangt, was der Schulung Eurer Fähigkeiten und des notwendigen Timings zugute kommt.

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Capcom ist kein Risiko eingegangen und setzt erneut auf ein Kampfsystem im zweidimensionalen Gewand. Obwohl Charaktere und Schauplätze in Polygongrafik gehalten sind, verfolgt Ihr das Geschehen stets aus einer seitlichen Perspektive, auf Ausweichen in die räumliche Tiefe wird verzichtet. In bester Serientradition verfügt jeder Kämpfer über drei Schläge und ebenso viele Tritte, die sich hinsichtlich Geschwindigkeit, Durchschlagskraft und Reichweite unterscheiden; die Kombination mit den Richtungstasten erlaubt weitere Angriffe. Geblockt wird nicht etwa mit einer eigenen Taste, sondern indem Ihr das Steuerkreuz vom Gegner wegdrückt – Serienkenner fühlen sich sofort zu Hause.

Ebenso vertraut wirken die Special ­Moves, von denen jeder Kämpfer eine überschaubare und meist leicht auszuführende Anzahl im Gepäck hat. Mit simplen Viertelkreisen und aufladbaren ­Charge Moves löst Ihr in Kombination mit Schlägen und Tritten verheerende Manöver aus. Während Kämpfer mit Charge Moves mehr ­Timing und Übung erfordern, spielen sich die Shoto-Charaktere der Viertelkreis-Fraktion besonders intuitiv. Die seit ­Super Street Fighter II Turbo obligatorischen Super ­Combos sind ebenfalls mit an Bord und ­können wie gehabt nur mit aufgefüllter ­Super-Leiste ausgeführt werden. Im Gegensatz zu Street Fighter III füllt Ihr diese mittlerweile nur noch durch erfolgreiche Manöver und ­eingesteckte Treffer. Gänzlich neu sind hingegen Focus-­Attacke ­und ­Ultra Combos.

Alte Prügelhasen fühlen sich schnell wohl, denn in Grundbewegungen und Move-Palette hat sich bei den bekannten Kämpfern kaum ­etwas verändert. Für frischen Wind ­sorgen die neuen Charaktere: Franzose Abel rollt unbeschadet durch ­Attacken und greift Gegner aus der Luft, um derbe Würfe folgen zu lassen. Die Geschäftsdame Crimson Viper ­hingegen verfügt über einen ­besonders hohen Sprung (den Street Fighter III-Fans bereits kennen) und gleicht ihre geringe Schlagkraft mit schnellen Manövern in verschiedene Richtungen aus. Besonders ihr ­vernichtender Fernangriff, bei dem sie eine Druckwelle durch den Boden schickt, brachte uns immer wieder ins Schwitzen. Schwabbelbauch Rufus wiederum ist für sein hohes Gewicht erstaunlich flink und un­berechenbar. Der Hobbykoch El Fuerte rennt gerne umher und setzt Kontrahenten mit Würfen und Attacken aus der Luft zu, die korrekte Platzierung seiner Moves erfordert jedoch einige Übung.

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Grafisch hat die Street Fighter-­Serie endlich den Sprung in die dritte Dimension gemeistert und schafft mühelos das Kunststück, den Charme aus alten 16-Bit-Tagen einzufangen. Die im Comic-Stil modellierten Charaktere weisen feine Konturen auf, bei speziellen Moves und Nahaufnahmen setzen Tusche-Effekte schicke Akzente. Das Resultat erinnert an 2D-Artworks vergangener Bitmap-Zeiten und lässt den Betrachter fast vergessen, dass es sich hier um Polygone handelt. Übertroffen wird diese Detailverliebtheit nur von den Animationen der Kämpfer: Ryus Feuerball, Dhalsims langarmige Schläge und Blankas Rückwärtstritt gleichen ihren 2D-Pendants bis ins letzte Detail und zaubern Nostalgikern Tränen der Rührung in die Augen.

Bewundern darf man dieses Schauspiel vor der Kulisse zahlreicher Arenen und Schauplätze, die jedoch nicht mehr fest an einen Charakter gebunden sind und in ihrer grafischen Qualität durchaus schwanken. Der chinesische Marktplatz ist voller Leben und gleicht der Chun-Li-Stage aus Street Fighter II – dagegen könnte die historische Brennerei in Großbritannien detailliertere Objekte vertragen. Zahlreiche Ereignisse und Spielereien sorgen immer wieder für Schmunzler: Wenn im Kampf ein Muskelprotz zu Boden fällt, ­zerbricht im Hintergrund schon mal ein Fässerregal oder ein Zuschauer fällt von einer Mauer herunter (um dann schnell wieder hochzuklettern). Das Highlight sind jedoch die entsetzten Gesichter Eurer Gegner, wenn Ihr gerade in Großaufnahme zu einer Super- oder Ultra-Combo ansetzt – derart liebevolle Animationen ­waren selbst zu 16-Bit-Zeiten rar und kommen bei der 3D-Konkurrenz so nicht vor.

Die Klangkulisse hingegen sorgt für gemischte Gefühle: Die Fighter glänzen mit guten englischen Sprach­samples (Puristen stellen in den Optionen auf japanisch), die Musikstücke der Arenen sind neue Kompositionen und gefallen mit treibenden Beats und eingängigen ­Melodien. Highlight für Serien-­Veteranen: In den Rivalenkämpfen ertönen vertraute Street Fighter II-Themen in neuem Gewand. Der poppige Boyband-Song in Intro und Menü ist allerdings gewöhnungs­bedürftig und läuft in der Redaktion unter dem Spitznamen ”Backstreet Fighter”.

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Genug mit den Fakten, warum sollte man diesen 2D-Prügler in Zeiten von 3D-Perlen wie Soulcalibur IV oder Virtua Fighter spielen? Die Antwort liefert das unnachahmliche Spielgefühl: Die Special Moves sind schnell verinnerlicht, zumal es im Wesentlichen nur zwei Typen gibt – Shoto-Charaktere und Charge-Kämpfer. Der Reiz liegt also nicht im Erlernen komplexer Manöver, bei denen man sich über ihr Gelingen freut. Vielmehr steht das Lesen des Gegnerverhaltens im Vordergrund. Blockt Ihr beispielsweise Ryus Dragon Punch, bei dem er steil nach oben aufsteigt, freut Ihr Euch diebisch auf seine Landung, die mit einem saftigen Fußfeger quittiert wird, gegen den Ryu nichts ausrichten kann. Entscheidend ist dabei nicht nur gut getimtes Blocken, sondern auch die Stärke des Angriffs: Schnelle Schläge lassen sich zu Combos verknüpfen, ein feindlicher Dragon Punch mit leichtem Schlag lässt Euch wiederum kaum Zeit zur Vorbereitung des Fußfegers. Die Variation der Manöver sorgt für überraschende Ergebnisse. So ist es mit Charge-Charakteren wie Guile, M. Bison oder E. Honda empfehlenswert, Special Moves mit schräg nach unten gedrückter Taste aufzuladen. Der Vorteil: Je nach Situation lässt sich aus dieser defensiven Position eine horizontale oder vertikale Attacke ausführen. Weiß das auch Euer Gegenspieler, wird es spannend: Wie wird er versuchen, Euch zu treffen? Vermutlich mit einem Schuss aus der Distanz. Hier kommen die neuen Focus-Attacken ins Spiel: Durch Drücken der beiden mittleren Angriffstasten ladet Ihr einen verheerenden Konterangriff in drei Stufen auf, der sogar feindliche Schüsse absorbiert.

Für zusätzlichen Tiefgang sorgen die Super- und Ultra-Combos: Gerade Letztere reißen das Ruder immer wieder herum und richten massiven Schaden an. So lädt Ryu mit zwei aneinander gereihten Viertelkreis-Bewegungen einen vernichtenden Feuerball auf, der allerdings nur in Combos oder im Nahkampf zur Geltung kommt; aus der Ferne springt Ihr einfach darüber hinweg und verpasst ihm einen Tritt aus der Luft. Regelmäßig entstehen so unter gleichstarken Kombattanten spannende Duelle, ungleiche Gegenspieler passen ihr Handicap entsprechend an.

Bis Redaktionsschluss konnten wir den Online-Modus leider noch nicht überprüfen. Sobald das Spiel im Handel ist, folgt ein Nachtest mit unserem Japan-­Korrespondenten Jan. In normalen Matches offenbart der Xbox-360-Controller seine Schwächen, vor allem im Direktvergleich zur PS3. Mit Analogstick spielt man aufgrund der langen Bedienwege ohnehin nicht und die schwammige Scheibe lässt so manchen Move scheitern. Wir empfehlen die ­Anschaffung eines ­Arcade-Sticks.

Ansonsten gibt es kaum Anlass zu Kritik: Solisten klagen über mangelnde Modi-Vielfalt und der Schwierigkeitsgrad der einzelnen Matches steigt nach den ersten Runden ­rapide an. Besonders Endboss Seth treibt Euch an den Rand der Verzweiflung. Die Story-Schnipsel weisen zwar bei manchen Charakteren eine Verbindung auf, sind aber insgesamt öde. Alles kein Grund, sich diesen Meilenstein entgehen zu lassen!

Meinung

Michael Herde meint: Ich gebe zu, ich bin kein Prügel-Profi. ­Frame-Zählerei hat mich nie interessiert und nach Street Fighter II Turbo ist die Serie an mir vorbeigegangen. Doch mit der neuesten Inkarnation will ich unbedingt einer werden, denn Street Fighter IV hat mich sofort süchtig gemacht. ”Los, nur noch eine Runde!” wurde in der Redak­tion zum geflügelten Wort. Verantwortlich dafür ist die perfekte Steuerung, die mit PS3-Controller besser von der Hand geht, sowie das exzellente Kampfsystem für Einsteiger und Profis. Die Specials sind schnell verinnerlicht, danach beginnt die Feinarbeit. Statt wochenlang Move-Listen zu studieren, feile ich mit Ken am Timing und überlege, wie ich meine Kollegen ausheble und zum Abschluss mit spektakulären Ultra Combos vernichte – und ich will immer noch besser werden! Allein der unpassende Titelsong nervt mich.

Marcus Grüner meint: Auf den ersten Blick wirkt Street Fighter IV simpler als die Vorgänger, die Focus-Attacken und EX-Moves bieten jedoch zahlreiche taktische Möglichkeiten. Anfänger fühlen sich dank der überschaubaren Move-Anzahl nicht überfordert, Profis entdecken immer Raum für neue Combos. Allen Spielern gemein ist das Erlebnis von spannenden Kämpfen bis zur letzten Sekunde, die vier neuen Charaktere bringen Abwechslung ins Portfolio der Kampfstile – trotz vieler unterschiedlicher Konzepte herrscht Ausgeglichenheit. Die Einarbeitung für Solo-Spieler (in Form des Herausforderungs-Modus) geriet jedoch zu trocken und gewisse Tastenkombinationen sind auf dem Steuerkreuz der Xbox 360 etwas fummelig auszuführen. Dennoch ist Street Fighter IV der neue Serienkönig und versprüht Charme und Witz wie kein anderes Prügelspiel.

Matthias Schmid meint: Natürlich ist das Spiel gut – gelangweilt bin ich trotzdem. Weder sprechen mich die neuen Kämpfer an (z.B. Crimson­ ‘Bei King of Fighters wurde ich nicht genommen‘ Viper und El ‘Ich bin nicht El Blaze‘ Fuerte), noch kann ich mich in die ­Grafik verlieben – mir waren die ­kultigen 2D-Sprites lieber. Außerdem geht mir die Move-Vielfalt eines Soulcalibur IV oder Virtua Fighter 5 ab – dort kann ich ­wochenlang spektakuläre Aktionen entdecken, bei Street Fighter IV habe ich bald alle Specials gesehen. Capcom-typisch sind die kleinen Schriften (z.B. Moveliste) auf alten Glotzen kaum lesbar.

Wertung

25 Kämpfer
installiert 2,1 GB auf Festplatte (PS3)

Epochale Rückkehr der ”Street Fighter”-Recken: Teil 4 begeistert Anfänger wie Profis gleichermaßen!

Singleplayer92MultiplayerGrafikSound

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