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Gelegentlich tauchen rätsellastige Abenteuer auf, bei denen besonders angeraten ist, ”klassisches” Zubehör wie Notizbuch und Stift zur Hand zu haben wie etwa Return of the Obra Dinn (86% in M! 12/19) oder Lorelei and the Laser Eyes (85% in M! 07/24). Dazu gesellt sich nun Blue Prince – und das stellt seine ruhmreichen Kollegen sogar in den Schatten.
Erstes Ziel ist es, im Anwesen Eures verstorbenen Onkels das mysteriöse Zimmer 46 erreichen. In der Zugangshalle schlagt Ihr aus der Ego-Perspektive eine von drei Richtungen ein – wie es dann weiter geht, liegt vor allem an Euch, hängt ein Stück weit aber auch vom Zufall ab. Denn jedes Mal, wenn Ihr durch eine Tür schreitet, bekommt Ihr drei Zimmer-Blaupausen angeboten, die Ihr ”anbauen” könnt. Mehrere Dutzend Räumlichkeiten kommen nach und nach ins Sortiment, die Objekte, Hinweise, Rätsel, Hilfsmittel, Maschinerie und mehr beherbergen können. Oft wird nicht gleich klar, was wofür nützlich sein kann, und auch die Frage, wie man den Weg zu Zimmer 46 findet (und wo das eigentlich liegt) ist nicht so schnell zu klären. Kluge Planung und Beobachtungsgabe sind Grundvoraussetzung, um peu à peu Fortschritte zu erzielen. Apropos Schritte: Von denen habt Ihr bei jedem Versuch bloß eine begrenzte Zahl. Kommt Ihr nicht ans Ziel, geht es am nächsten Tag fast ganz von vorne los – nur wenig bleibt nach der Freischaltung dauerhaft erhalten.
Während die Handvoll offensichtlicher Rätsel eher simpel gestrickt sind, versteht es Blue Prince meisterlich, tiefgründigere Mysterien so zu tarnen, dass man sie erst irgendwann wirklich wahrnimmt. Nach Zimmer 46 gibt es noch unfassbar viel mehr zu entdecken, in dem man sich so richtig verlieren kann. Dabei fasziniert, wie konsequent und fast makellos Tiefgang mit Optionsreichtum verknüpft ist: Es gibt kaum eine Situation, die nicht durch mehrere Herangehensweisen gelöst werden könnte – was aber zugleich bedeutet, dass man sich durch diese potenzielle Flexibilität schnell mal verzettelt, wenn man sich ein fixes Ziel gesetzt hat. Aber selbst wenn ein Durchlauf wieder verfrüht in einer sprichwörtlichen Sackgasse endet, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Ihr doch irgendeinen neuen Hinweis entdeckt oder etwas anderes gelernt habt, das Euch insgesamt einen Schritt vorwärts bringen wird.
Meinung & Wertung
Ulrich Steppberger meint: Keine Frage, Blue Prince ist ein Meisterwerk. Dass hier nicht mein ”Super”-Gesicht den Meinungskasten ziert, liegt lediglich daran, dass ich mich persönlich nicht so ganz mit ein paar Elementen davon arrangieren kann. Denn das muss eben auch gesagt sein: Der Zufallsfaktor kann hier durchaus eine gewichtige Rolle spielen und trotz einiger erringbarer ”Gegenmaßnahmen” bei einem Durchgang die vorbereiteten oder angedachten Pläne durchkreuzen. Und das Führen von akribischen Notizen ist fast Pflicht, wenn man sich in die tieferen Geheimnisse von Mt. Holly einarbeiten will. Könnt Ihr Euch mit diesen Aspekten arrangieren, erwartet Euch ein ungemein tiefgründiges Knobelabenteuer, bei dem das vermeintliche Ende erst der Anfang ist. Dass Blue Prince zudem technisch blitzsauber in Szene gesetzt ist und der einfache, aber ansehnliche Grafikstil die mysteriöse Grundstimmung prima transportiert, rundet den herausragenden Eindruck gelungen ab.
Faszinierendes und vielschichtiges Rätsel-Abenteuer – ein Grübelfest insbesondere für notierfreudige Spieler.
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