Bionic Commando – im Klassik-Test (PS3 / 360)

Seite 1

Spiel:Bionic CommandoPublisher:CapcomDeveloper:GRINGenre:ActionGetestet für:360, PS3Erhältlich für:360, PS3USK:18Erschienen in:6 / 2009

Mit der Entscheidung, die über 20 Jahre alte, nur noch wenigen Zockern bekannte ­Bionic Commando-Marke neu zu beleben,­ ist Capcom ein Wagnis eingegangen: ­Einerseits erwarten Fans ­Anspielungen und Referenzen auf den 8-Bit-Klassiker, andererseits müssen sich auch Spieler, die das Original nicht kennen, in der Welt zurechtfinden. Als Vorgeschmack auf das große Abenteuer wurde im letzten Jahr die HD-Neuauflage der 2D-Episode vorgeschoben: Bionic Commando Rearmed erschien via Xbox Live bzw. PSN, war knackschwer und verkaufte sich nach Auskunft von Capcom formidabel.

Habt Ihr jedoch weder Original noch Remake gezockt, fällt das Eintauchen in die Spielwelt schwer: Personen werden nur unzureichend eingeführt und die dramaturgisch meist schwachen Zwischensequenzen verraten wenig. Mehr Info steckt in den zahlreichen Text-Logs – wer die Hintergedanken von Freund und Feind kennen will, kommt wie in Resident Evil 5 ums Lesen nicht herum.

Worum geht’s? Ihr verkörpert den kriegsversehrten Nathan Spencer – an der Stelle seines linken Armes ­sitzt ein mechanischer Greifer. Als ein nuklearer Anschlag die fiktive Großstadt Ascension City in Schutt und Asche legt, ist es Eure Aufgabe, der digitalen Terrorzelle auf den Pelz zu rücken. Obwohl Spencer von seinen Auftraggebern früher übel hintergangen wurde, übernimmt er den Job – winkt doch die Aussicht, seine verschollene Frau wiederzufinden.

Also folgt Ihr den Spuren der BioReign-Terrorbuben und erkundet das zerstörte Ascension City. Allzu freigeistigen Spielernaturen schieben die Entwickler jedoch sogleich einen Riegel vor: Blau schimmernde Bereiche sind radioaktiv verseucht und dürfen nicht betreten werden. So wird Euch in der scheinbar offenen Stadt ein linearer Levelpfad aufgezwungen – die tödlichen blauen Gebiete sind eine elegante, deshalb aber nicht minder altbackene ­Version der viel zitierten ’unsichtbaren Levelgrenzen’. Den Umgang mit ­Eurem Greifarm müsst Ihr erst erlernen: Zum einen weil das ganz herrlich umgesetzte Schwingen einige Einarbeitung erfordert, zum anderen weil Ihr die vielfältigen ­Fähigkeiten für Euren Arm erst nach und nach freischaltet. Zu Beginn konzentriert Ihr Euch darauf, die Reichweite Eures Greifhakens einzuschätzen – wird die Zielmarkierung blau, kann sich ­Nathan an Straßenschild, Brücke, Hauswand, Baumstamm oder Fahnenmast festkrallen.

Seite 2

Ankerpunkte im Himmel, blitzschnelle ­Supersprünge oder absurde Wandläufe wie Ihr es aus Spidermans virtuellen Abenteuern kennt, gibt es in Bionic Commando nicht: Spencers Metall­arm bringt einige virtuelle Pfunde auf die Waage, verhindert Sprints und macht Stürze ins Wasser zur wieder­kehrenden Todesursache. Zwar verleiht das spürbare Gewicht dem Spiel einen realistischeren Anstrich, bisweilen vermisst Ihr jedoch das Gefühl, ein Superheld zu sein: Wenn Euch Feinde im Nacken sitzen und unter Beschuss nehmen, wären mehr Power, mehr Lebensenergie, mehr Supermoves wünschenswert.

Denn so schön das Schwingen im Großstadtdschungel sein kann, so ernüchternd sind viele Kämpfe: Eure Pistole, die Euch durch das komplette Spiel begleitet, hat keinen Bumms – auch Snipergewehr, MG oder Granatwerfer fühlen sich nicht sehr druckvoll an. Ob Ihr einen Feind erwischt, erkennt Ihr oftmals nur an seinem schwindenden Energiebalken; da hilft auch der schickste Unschärfe-Effekt beim Blick über die Schulter nicht. Störend kommt hinzu, dass Ihr Eure ’große’ Knarre nur an von den Entwicklern festgelegten Nachschubpunkten tauschen könnt, die ­Waffen der toten Feinde sind tabu.

Eure Gegner im Spiel sind unterschiedlich stark gepanzerte Söldner und dicke Roboter – vor allem bei letzteren sind die Offensivqualitäten Eures Armes gefragt: Mit einer praktischen Autozielfunktion schleudert Ihr herumliegendes Levelinventar sowie die Leichen erlegter Gegner auf den Feind. Ebenfalls im Kampf einsetzbar sind eine ’Stampfattacke’ aus großer Höhe sowie die Möglichkeit, Euch aus der Luft per Haken an Schurken heranzuziehen und Ihnen mit den Stiefeln auf den Brustkorb zu krachen. In wiederkehrendem Rhythmus wechseln sich Scharmützel mit kleinen Soldatengrüppchen, Schwung-Sprung-Passagen sowie Fights gegen Mech-Schwergewichte ab – Aufgaben abseits von ’Gelange von A nach B’ oder ’Besiege XY’ gibt es nicht. Bosskämpfe sind rar gesät – unter diesen tut sich das Duell mit einem gigantischen Metallwurm wohltuend hervor, sowohl in puncto Präsentation als auch Spielbarkeit.

Optisch läuft Bionic Commando vor allem in den Wald- und Canyon-Abschnitten zur Höchstform auf, erreicht aber nie das inszenatorische oder grafische Niveau eines Resident Evil 5; das mittels gewaltiger Bilder in Szene gesetzte Ende soll an dieser Stelle jedoch nicht unerwähnt bleiben. Wie schon die ­titelgebende Dunkelheit in The Darkness spricht Euer Held mit der Stimme von ”Faith no More”-Sänger Mike Patton – hinzu kommen treibende Musikstücke, die zum rechten Zeitpunkt an Dramatik zulegen.

Die Mehrspieler-Modi konnten wir bislang nur ohne Gegner austesten. Die knapp 15 Arenen machten einen grafisch wie architektonisch interessanten Eindruck – mehr dazu findet Ihr im nächsten Heft.

Meinung

Matthias Schmid meint: Obwohl ich während der zwölf Stunden Spielzeit über einige frustige Stellen geflucht habe, hat mir das Abenteuer unterm Strich gefallen. Das Schwingen am langen Arm klappt gut und fühlt sich auch so an; das Kämpfen mit dem Greifer macht Laune – vor allem das schwache Fußvolk zerpflückt Ihr auf immer wieder andere Weise. Doch wieso gibt es nicht mehr Gegnertypen, weshalb so wenig echte Schwung- und Kletterabschnitte und warum tangiert mich die Geschichte nicht? Das Greifen und Schleudern von erledigten Gegnern ist eine feine Idee, klappt aber oft nicht optimal. Komisch finde ich an dieser Stelle die ’ab 18’-Freigabe, wo doch kein Blut fließt. ­Lobenswert ist das geschlossen-aggressive Vorgehen der feindlichen Soldaten und manche taktisch anspruchsvolle Stelle, die das ­Kombinieren Eurer Fähigkeiten erfordert.

Michael Herde meint: Im Gegensatz zu Matt­hias empfinde ich das Schwunggefühl als misslungen. Verglichen mit Spideys Schwindel erregenden Manövern in Web of Shadows macht der ­träge Spencer keinen Stich. Regelmäßig plumpse ich ins Wasser und muss quälend lange zusehen, wie mein Held ersäuft. ­Neben der schwer einzuschätzenden Schwingmechanik sorgen auch hektisch-­unpräzise Schusswechsel für Stirnrunzeln. Stets müsst Ihr sämtliche Gegner im Areal töten, ehe die Hack-­Terminals aktivierbar sind. Zugute halte ich dem Titel, dass er sich vom Gros der ­Action-Konkurrenz abgrenzt: Wer sich mühsam in die Mechanik einarbeitet, erlebt fordernde, ­unterhaltsame Stunden.
Ich hingegen sehe in permanent aufplop­penden Tipps für das Upgraden des Arms das Sahnehäubchen auf einem durchweg unrunden, unspektakulären ­Spiel.

Wertung

ca. 10 bis 12 Stunden Spielzeit
das Spiel ist ungeschnitten, Leichen bleiben liegen, Blut gibt es auch im Ausland nicht

Launiger, aber zu keiner Zeit über­ragender Action-Mix mit stimmiger Präsen­tation aber Schwächen bei den Schießereien.

Singleplayer72MultiplayerGrafikSound

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *