Nicht WoW war das Problem, sondern etwas ganz anderes – Deutsche Entwickler erklären das Ende vom Hype der MMORPGs

Im Gespräch mit den Gründern von CipSoft kam auch das Thema World of Warcraft auf den Tisch. Als großen, übermächtigen Konkurrenten hat das Team von Tibia das dominante Blizzard-MMORPG aber nicht wahrgenommen. Es gab eine viel größere Gefahr für das gesamte Genre der Online-Rollenspiele

Was ist das für ein Talk? Für unsere große Grindfest-Themenwoche hatte unsere Chef-Redakteurin Leya Jankowski die Gelegenheit, mit den CipSoft-Geschäftsführern Benjamin Zuckerer und Stephan Vogler über die Anfänge des Studios und die Entstehungsgeschichte ihres MMORPGs Tibia zu sprechen.

Dabei ging es nicht nur um die spannende Origin-Story von einem der erfolgreichsten deutschen Studios respektive Spiele aller Zeiten, sondern auch um den Werdegang des MMORPGs und manch eine Herausforderung, die das Team im Laufe der Jahre meistern musste.

Spannend: Als sich World of Warcraft ab 2004/2005 aufmachte, das gesamte Genre in den Mainstream zu bringen und mit seinem historischen Erfolg die gesamte Industrie zu beeinflussen, blickten die Tibia-Entwickler recht positiv gestimmt auf den alles dominierenden Genre-König.

Wir haben damals schon gesagt, das ist cool und wird den Markt eher aufmachen und breiter machen und mehr Leute in das Genre bringen als vorher. Es ist so unterschiedlich zu Tibia, dass man da keine große Sorge hat […]. Die Communitys, die diese Spiele mögen, mischen sich nicht so stark.

Benjamin Zuckerer im Talk mit MeinMMO

Eine andere Entwicklung aus den 2000er-Jahren machte ihnen viel größere Kopfschmerzen …

Den fast 70 Minuten langen Talk könnt ihr euch übrigens im Folgenden anschauen – viel Freude damit!

Vom deutschen Jugendzimmer zum MMORPG-Welterfolg – Die unglaubliche Geschichte von Tibia


Autoplay

Kleine Bildschirme, große Wirkung

Was war die große Gefahr für MMORPGs? Kurz und knapp: das Smartphone, das sich im Laufe der 2000er-Jahre immer mehr durchsetzen konnte – unter anderem durch die Einführung vom iPhone im Jahr 2007.

Bis dato waren MMORPGs mit ihren Chats, Foren und Charakter-Interaktionen so etwas wie die frühen Social-Media-Kanäle, oder haben zumindest deren Funktion abgedeckt. So eine Art gepimpte Chat-Räume, in denen man nicht nur Leute treffen kann, sondern auch eine riesige Welt voller Inhalte, einen Avatar, in den viel Zeit geflossen ist, und soziale Strukturen besitzt.

Viele Fans des Genres loggten sich eben nicht nur täglich in WoW und Co. ein, um zu spielen, sondern um mit ihren Freunden und Gildenkollegen Zeit zu verbringen, zu schreiben, sich in Voice-Chats zu treffen – und nebenher dann natürlich auch Quests und mehr zu machen (oder stundenlang in Orgrimmar oder Sturmwind herumzuhüpfen).

Das Smartphone brachte mit seinen Apps für genau die Art von sozialer Interaktion eine neue Alternative, die man überall mit hinnehmen konnte – was sich laut den beiden Entwicklern spürbar auf die Spielerzahlen aller MMORPGs ausgewirkt hat.

Die Spiele hatten schon ihren Peak irgendwann. Das war so 2008, 2009. Da hatten alle MMORPGs die meisten Spieler und seitdem sind die Spielerzahlen zurückgegangen. Das ist bei World of Warcraft so, das ist bei Tibia nicht anders.

Und wenn man darüber nachdenkt, womit das zusammenhängt, was da der Grund dahinter ist, dann ist das eher das Smartphone […].

Das ist so die Zeit gewesen, als auf einmal die ganze Plattform PC zurückstecken musste hinter mehr Konsumenten-Zeit am Smartphone […]. Diese Entwicklung hat lange, lange Jahre, so ab 2008, immer mehr Zeit der Nutzer abgezogen, in Apps und Social-Media-Angeboten.

Stephan Vogler im Talk mit MeinMMO

Über das Smartphone gab es im Laufe der Jahre, so Vogler weiter, immer mehr Angebote für das soziale Miteinander, die bestimmte Dinge einfach gezielter abdecken konnten, und das von der Hosentasche aus. Das bis dahin florierende Genre der MMORPGs bekam dadurch einen großen Dämpfer verpasst.

Wie sieht es heute aus? Der Kampf um die limitierte Freizeit der Leute verschärft sich zunehmend. Service-Games, die Spieler über Jahre binden wollen, gibt es mittlerweile über fast alle Genres hinweg. Zudem erscheinen jedes Jahr immer mehr Spiele, weil es immer leichter wird, ein Spiel zu entwickeln.

Dazu kommen zahllose Streaming-Dienste wie Netflix, die zig Social-Media-Plattformen und natürlich auch, ganz oldschool, analoge Freizeitbeschäftigungen. Es ist schlicht nicht mehr die Zeit da, um alles zu konsumieren, worauf man Lust hat. Ein paar direkte Auswirkungen davon:

Viele Gaming-Fans fokussieren sich auf wenige Spiele wie FIFA, Call of Duty, Roblox, Fortnite und Co. und spielen diese über viele Jahre hinweg. Allein 5 Spiele schnappen sich dabei fast 30 Prozent der gesamten Spielzeit.

Viele Service-Games floppen, weil sie nicht genug Hype und Zugkraft aufbauen können, um sich aus der riesigen Masse an Konkurrenzprodukten abzusetzen.

Viele Spieler hüpfen von Hype-Spiel zu Hype-Spiel, bleiben aber bei keinem Spiel wirklich lange, wodurch selbst zum Launch erfolgreiche Service-Games früh über stark fallende Spielerzahlen klagen.

Was MMORPGs betrifft: Die Entwicklung von Online-Rollenspielen ist so teuer, aufwendig und risikoreich, dass es seit einer Dekade kaum noch Studios und Publisher gibt, die ein neues, ambitioniertes MMORPG herausbringen möchten.

Mehr zu MMORPGs:

Das MMORPG mit den besten Action-Kämpfen will noch besser sein, veröffentlicht Update, das mehrere Inhalte unspielbar macht

von Karsten Scholz

Das wichtigste neue MMORPG des Jahres präsentiert eine so lange Liste an Baustellen, dass ein Release in 2025 immer unrealistischer wird

von Karsten Scholz

Auf welche Online-Rollenspiele der Zukunft sich die Communitys von GameStar, Gamepro und MeinMMO am meisten freuen, erfahrt ihr in diesem Special aus der Grindfest-Themenwoche: Herr der Ringe ist als Marke so stark, dass ihr selbst Amazon Games keinen Schaden zufügen kann – Auf diese MMORPGs freut ihr euch am meisten

Der Beitrag Nicht WoW war das Problem, sondern etwas ganz anderes – Deutsche Entwickler erklären das Ende vom Hype der MMORPGs erschien zuerst auf Mein-MMO.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *