Where Winds Meet hat in China einen starken Release hingelegt und ist derzeit dort eins der erfolgreichsten Action-Rollenspiele. Der Release ist noch für 2025 im Westen geplant. MeinMMO-Chefredakteurin Leya hat die Beta gespielt und sieht eine menge Potential genau da, wo das RPG auch seine größten Schwächen hat.
Gestern begegnete ich zufällig einem jungen General, der seine Truppen nicht dazu bringen konnte, ihm zu gehorchen. Über eine KI-Chatbox teilt er mir sein Leid mit.
Ein Hinweis verspricht: Wenn ich ihm helfe, kann ich seine Freundschaft gewinnen.
Neugierig tippe ich fröhlich los und erkläre ihm: „Klarer Fall – deine Leute sind faul.“ Das scheint ihm zu gefallen. Er stimmt zu, klagt über mangelnde Ambitionen, wie man sie „von früher“ noch kannte.
Ich kontere mit Management-Sprech: Ob er denn selbst mit gutem Beispiel vorangehe? Plötzlich zieht er sein Schwert – und greift mich an. Seine Truppen folgen.
Wenig später stehe ich inmitten eines Blutbads. Ich habe keine Ahnung, wer da gerade gestorben ist, warum sie mich angriffen und was sie mit der Story zu tun hatten – oder ob sie überhaupt wichtig waren. Keine Nachrichten, keine Hinweise, kein Kontext. Immerhin: viele Erfahrungspunkte.
Und das fasst mein Erlebnis mit der Beta von Where Winds Meet ziemlich gut zusammen.
Nach der Charaktererstellung gibt es eine cineastische Einführung und das Abenteuer fängt an.
Ein Spiel, das versucht, alles auf einmal zu sein – und dabei erstaunlich viel richtig macht
Ihr habt bisher noch nichts von Where Winds Meet gehört? Macht nichts.
Denn bisher sieht das Marketing im Westen eher mau aus und man hat in Deutschland wenig Chancen, über das Spiel zu stolpern.
Hier ein Überblick, was Where Winds Meet überhaupt ist – was schon nicht ganz leicht fällt. Das Spiel ist ein ambitioniertes Wuxia-Action-RPG, das sich in einer offenen Welt im China des 10. Jahrhunderts befindet und sowohl umfangreiche Singleplayer-Inhalte als auch MMO-Elemente bietet, was zu einem gewissen Kontrast führt. Es besitzt eine enorme Fülle an Features, von detailliertem Martial-Arts-Kampf im Stil von Monster Hunter oder auch Sekiro über ein komplexes Verbrechenssystem ähnlich GTA bis hin zu tiefgreifenden Wuxia-Mechaniken. Dazu hat es eine hoch interaktive Welt, in der viele Entscheidungen getroffen werden können, die Einfluss auf die Geschichte haben. Entwickelt wird das Spiel von Everstone Studio und veröffentlicht von NetEase.
Autoplay
Hier ist nur ein winziger Auszug der Feature:
Tag-/Nachtzyklus und wechselnde Jahreszeiten/Events
Kampfsystem mit Parieren, Ausweichen, Gegenschläge, Stagger-Leiste, verschiedene Waffen
Mystische Wuxia-Fähigkeiten wie Telekinese, Zeitlupeneffekte oder Akkupunktur-Schläge
Eine große Hauptstory, aber auch zahlreiche Nebenquests
Frei wählbare MMORPG- oder Action-RPG-Steuerung
Berufssystem mit unter anderem Arzt, Architekt, Leibwächter, Musiker oder Redner
Ruf und Beziehungen können zu hunderten NPCs aufgebaut werden
Beitritt zu Gilden, Unionen, Gründung von eigenen Chat-Räumen, optionaler Globalchat
Gruppen-Bossraids (5-Spieler), wiederholbare Koop-Events
Housing und bauen wie in Minecraft
Koop-spezifische Missionen
Tiere streicheln und Katzen, die einem Rätsel geben
Tiefes und komplexes Progressionssystem
Dungeons, Weltbosse, Events, Gänse die einen mit ihrer ganzen Familie verprügeln…
…ich könnte die Liste noch weiterführen, denn das sind nicht alle Feature. Und bin mir sicher, dass ich längst nicht alle Feature bisher entdeckt habe. Das, was normalerweise, nach diesem über-ambitionierten Spiel klingt und zu gut, um wahr zu sein, hat Where Winds Meet. Und die Feature funktionieren für sich genommen gut.
Nehmen wir nochmal meine Anekdote von dem KI-NPC. Die Unterhaltung mit ihm hat über den KI-Sprachchat war tatsächlich möglich und ich bin total baff, dass das einfach so ging. Die hatte sogar einen starken Einfluss auf meinen Spielerlebnis. Von diesem Feature reden wir oft noch so, als wäre das die Zukunft. In Where Winds Meet ist es einfach vorhanden.
Bei all dem sieht das Rollenspiel dann auch noch gut aus.
Später traf ich nochmal einen NPC mit KI-Dialo. Mit Tian Gu schaffte ich es dann auch mich anzufreunden. Sie brauchte Hilfe dabei, den Mut zu finden, ihr Dorf zu verlassen und Abenteurerin zu werden.
Die Zahlen belegen, dass dieser Mix für die Spieler in China funktioniert:
Die PC-Version erschien im Dezember 2024, die Mobile-Version im Januar 2025.
Allein auf dem chinesischen iOS-App-Store erzielte das Spiel in den ersten drei Tagen Einnahmen von über 1,4 Millionen US-Dollar bei 1,6 Millionen Downloads.
Analysten schätzen die Umsätze in den ersten 12 Monaten auf ca. 2,4 Milliarden Yuan (etwa 327 Millionen US-Dollar) auf Mobilgeräten und zusätzlich 1,8 Milliarden Yuan (ca. 246 Millionen US-Dollar) auf dem PC.
Die Zahl der Spieler in China wird auf über 10 Millionen geschätzt.
Begeistert und überfordert: Ein Erlebnis jagt das nächste
In der aktuellen Beta für den Westen habe ich rund zehn Stunden verbracht – und war oft fasziniert, manchmal überfordert. Meine Recherche im Internet machte mich sehr neugierig und nur von Beschreibungen ist Where Winds Meet schwer zu greifen.
Fangen wir erstmal mit dem Positiven an.
In erster Linie macht Where Winds Meet verdammt viel Spaß zu Beginn. Über die vielen Details und Möglichkeiten, die in der Wuxia-Open-World stecken, gibt es überall was zu entdecken. Es ist unglaublich reizvoll den Questmarker für die Hauptstory zu ignorieren und sich in der Welt umzusehen, mit NPCs oder sogar irgendwelchen Tieren zu interagieren.
Ihr könnt mit allem in der Welt interagieren und auch auf alles klettern.
Gleich zu Beginn treffe ich einen Bären, der mir beibringt, Gegner im Kung-Fu-Stil durch die Luft zu schleudern.
In der ersten Stadt steht ein kleines Mädchen mit einem bellenden Hund. Ich spreche sie an – Quest ploppt auf: Ihr Ball ist in ein Loch gefallen. Ich muss mich durch den Boden stampfen, plumpse in einen komplexen Dungeon, in dem ich einer Verbrecherbande begegne. Nachdem ich mich durch versteckte Gänge mit Feuerfeilen brenne, komme ich mit Blut an den Händen, jeder Menge Loot und dem Ball des Kindes wieder nach oben.
Quest geschafft, weiter geht’s mit der Hauptquest. Oder doch nicht?
Auf einer Wiese finde ich einen großen Weltenboss, der spannend aussieht. Ich spreche ihn an, Kampf startet. Er beschwört kleine Papiermännchen, die auch auf mich einprügeln. Keine Chance. Der Boss ist gut 20 Level höher als ich und ich nehme Reißaus.
Ich flüchte mich auf eine ruhige Wiese am Fluss und packe versehentlich meine Waffe aus, einen Regenschirm. Weil ich mit dem zu nah an einer Gans herumgewedelt habe, flippt sie aus – und jagt mich mit einem wütenden Gänsetrupp quer über einen Fluss. Das ist wie in Zelda, wenn man Hühnchen schief anschaut. Völlig außer Atem finde ich ein Diebeslager, dem ich dem Erdboden gleichmache und ihren Schatz für mich selbst nehme. Cool.
Wenn man den Quests und der Story folgt, wird man auch immer wieder mit schicken Cutscenes belohnt, denen es Spaß macht zu folgen.
In der Zwischenzeit level ich weiter, schalte Systeme frei, klicke durch Menüs – aber verstehe oft nicht, was ich da eigentlich tue. Die Hauptquest? Verfolgt, aber kaum kapiert. Ich verliere mich ständig in Nebenaktivitäten – etwa in Gedanken an ein weißes Pferd, das in der Stadt mit verdächtigem Selbstbewusstsein herumstolziert. Wenn das keine versteckte Quest ist, weiß ich auch nicht.
Und genau das ist der Punkt.
Zwischen komplexen Systemen und überfrachteten Menüs: Der rote Faden fehlt
Die Welt von Where Winds Meet ist reich, lebendig, interaktiv – und genau das ist das Problem. Denn diese spielerische Überflutung kann schnell überfordern. Gerade westliche Spieler sind solche Systeme kaum gewohnt. Was für Hardcore-Rollenspielfans ein Paradies ist, kann viele andere sofort abschrecken.
Im asiatischen Raum ist es nicht ungewöhnlich, dass Spiele viel Grind erfordern und die UIs überladen sind. Where Winds Meet übertreibt es sogar für Genre-Standards aus Asien. Es gibt Fortschrittssysteme für fast alles: Erkundung, Weltniveau, Ausrüstung, einzelne Kampfkünste, Waffenskills, Fertigkeitsslots und passive Boni. Viele dieser Systeme verlangen bestimmte Items – etwa Boss-Drops oder andere rare Ressourcen, die man sich mühsam beschaffen muss.
Da blinken noch zwei Quest-Icons und plötzlich kommt eine Gruppe in Badesachen an dir vorbei, die du auch anquatschen kannst – und irgendwas blinkt da auch noch im Menü, das ich mir mal angucken sollte.
Wohin man auch geht: Überall blinkt es, ploppen Menüs auf, starten Dialoge oder Minispiele.
Und das Spiel erklärt dir wenig bis nichts. Trotz einer großen Enzyklopädie, die ich erst nach Stunden zufällig fand – irgendwo tief vergraben in den Menüs.
Das gleiche gilt dann auch für das Bezahlsystem. Das Rollenspiel ist kostenlos, kommt aber mit Gacha, Battlepass und kaufbaren Cosmetics daher. Zwar ist das Spiel kostenlos und verkauft nur Cosmetics – aber selbst die sind kurios: Ich konnte etwa eine Gans als Reittier kaufen. Und wer sie fünfmal mit Geld ‚auflevelt‘, bekommt eine ganze Gänse-Entourage dazu.
Dadurch, dass ich die Reittiere im Shop auf die fünfte Stufe gebracht habe, habe ich jetzt eine kleine Gänsefamilie. Pro Stufe gibt es eine weitere Gans dazu.
Bei meiner Recherche stieß ich auf Berichte, dass Where Winds Meet in China eine riesige Community-Interaktion alleine dadurch hat, dass sich Spieler gegenseitig in sozialen Netzwerken die System erklären und Guides erstellen. Das kann natürlich auch wieder ein Pluspunkt für den Erfolg eines Spiels sein, weil das Verbundenheit schafft und an die ersten Zeiten von MMOs erinnert, wo noch niemand wusste wie irgendwas funktioniert und man sich gegenseitig half.
Die immersive Welt und die unzähligen kleinen und großen Abenteuer zählen für mich zu den größten Stärken von Where Winds Meet. Doch genau diese fehlende Struktur, diese Überforderung ohne echte Hilfestellung, könnte dem Spiel im Westen zum Verhängnis werden.
Fazit nach der Beta: Ein Spiel das überfordert – aber nicht loslässt
Where Winds Meet ist ein faszinierendes Spiel – überladen, überfordernd, stellenweise wirr, aber auch voller Magie, Details und überraschender Momente. Es hat mich frustriert, ja. Aber vor allem hat es mich immer wieder begeistert. Es gibt nicht viele Spiele, bei denen ich so oft das Bedürfnis hatte, Dinge einfach auszuprobieren, weil die Welt so viel zurückgibt. Wer sich gerne in Spielwelten verliert, wird hier fündig.
Trotzdem: Der Erfolg im Westen ist alles andere als sicher. Denn so charmant das Chaos sein kann – es braucht Struktur. Und die fehlt hier. Im Westen sind wir andere Spielerfahrungen gewohnt, die uns klare Strukturen vorgeben, uns mehr an die Hand nehmen und aufgeräumte, schnell zu durchblickende Menüs bieten.
Der Erfolg von Where Winds Meet wird maßgeblich davon abhängen, wie NetEase mit drei zentralen Herausforderungen umgeht:
Besser verständlicher Einstieg: Ohne eine grundlegende Überarbeitung des Einstiegs könnte das Spiel viele direkt verlieren. Die Vielzahl an Systemen muss besser erklärt, der Spielfortschritt klarer gestaltet werden. Spieler brauchen mehr Orientierung – gerade in den ersten Stunden.
Marketingstrategie: Ein Spiel dieser Größe muss sichtbarer sein – und vor allem verstanden werden. Eine zielgerichtete Kampagne, die Where Winds Meet als das positioniert, was es ist – ein ungewöhnliches, tiefes Action-RPG mit fernöstlichem Wuxia-Setting – ist unerlässlich.
Anpassung ohne Identitätsverlust: Die größte Herausforderung wird sein, UI, Spielerfahrung und Monetarisierung so zu optimieren, dass sie westlichen Standards besser entsprechen, ohne die Seele des Spiels – seine Wuxia-Wurzeln und den kulturellen Charme – zu verlieren.
Erwähnenswert wäre auch noch die Lokalisierung. In der aktuellen geschlossenen Beta, gibt es englische Untertitel und eine chinesische Vertonung. Mindestens lokale Untertitel für die verschiedenen Länder wären schon wichtig.
Ich wünsche Where Winds Meet sehr, dass es seinen Platz im Westen findet. Es hat das Potenzial dazu – auch wenn es dafür an einigen Stellschrauben drehen muss. Ich empfehle jedem es zumindest auf die Beobachtungsliste zu setzen, der vor allem nach einer höchst immersiven und liebevoll gestalteten Spielwelt sucht.
Selten hat mich ein Spiel so sehr zwischen Faszination und Überforderung schwanken lassen – und genau das macht es letztlich so spannend.
Der Beitrag Der neue Mega-Hit aus China hat alles, was mein Rollenspiel-Herz begehrt: Und genau das könnte ihm im Westen schaden erschien zuerst auf Mein-MMO.
