Der MeinMMO-Chefredakteurin Leya sind zwei Spiele auf der Gamescom besonders aufgefallen. „Love and Deepspace“ und „Ostwind: Die Legende von Khiimori“ haben gemeinsam, dass sie vor allem Frauen anziehen und zeigen, wie stark diese Zielgruppe immer noch in der Branche unterschätzt wird.
Als ich durch die Hallen der Gamescom schlendere, um mir all die liebevoll gestalteten Stände anzugucken, bleibt mein Blick an einem unscheinbaren hängen: Eine kleine Box aus Pappe und Plastik zeigt fünf junge, hübsche Männer im Anime-Look. Sie sind romantisch inszeniert mit tiefleuchtenden Farben und Blumen, die Aufsteller warten nur darauf, fotografiert und angehimmelt zu werden.
Doch nicht die Figuren lassen mich innehalten, sondern die Szene davor: Vor dem Stand von „Love and Deepspace“ befindet sich eine der größten Schlangen, die ich auf der Gamescom gesehen habe. In ihr stehen größtenteils junge und gut gelaunte Frauen, die lachen, ihre Handys bereithalten und Fotos mit den „Boys“ machen wollen. Die Schlange ist so lang, dass sie bis aus der Halle hinausführt.
Eine so große Schlange, die überwiegend aus Frauen besteht – und das bei einer vergleichsweise kleinen Booth – ist auf einer Gamescom ein ungewöhnlicher Anblick. Einer, der mich nachdenklich stimmt.
Bereits am Fachbesuchertag war die Schlange bei Love and Deepspace eine der längsten.
Love and Deepspace: Ein globaler Hit, den viele übersehen
Viele von euch haben vermutlich noch nichts von „Love and Deepspace“ gehört, obwohl es derzeit eines der erfolgreichsten Spiele weltweit ist:
Bis Juni 2025 hat das Spiel über 650 Millionen US-Dollar Umsatz allein auf dem App Store und Google Play erzielt. Durch die chinesischen Android-Stores liegt der Umsatz nochmal deutlich höher
Seit Veröffentlichung wurden mehr als 50 Millionen Downloads erreicht, Tendenz steigend
In den Top 20 der weltweit umsatzstärksten Mobile Games für das erste Halbjahr 2025 ist Love and Deepspace auf Platz 16 gelistet, direkt hinter Größen wie Genshin Impact, Roblox und Candy Crush Saga
Lasst diese Zahlen kurz wirken.
Erschreckende News: Frauen mögen auch tiefes Gameplay
Der Grund, warum „Love and Deepspace“ so einen massiven Erfolg feiert und so viele Leute auf der Gamescom Schlange stehen lässt, ist simpel:
Die Graphic Novel und Dating-Sim versteht ihre Zielgruppe, nimmt sie ernst und bietet tiefgehendes Gameplay, das Auswirkungen auf Story und Erfolge hat – und obendrein optisch überzeugt.
Kurz zusammengefasst spielt „Love and Deepspace“ in einem Science-Fiction-Setting, in dem die selbst erstellte Protagonistin als Deepspace-Hunter gefährliche Kreaturen bekämpft und seelenverwandte Beziehungen zu mehreren Männern mit übernatürlichen Kräften aufbaut. Einen Vorgeschmack, wie diese inszeniert werden, bekommt ihr etwa im Event-Trailer zum Charakter Xavier:
Autoplay
Besonders stark ist die hohe Produktionsqualität: vollanimierte 3D-Modelle und detailreiche Umgebungen statt statischer Bilder – eine Seltenheit bei Dating-Sims. Die Beziehungen zu den mystischen Männern beeinflussen direkt die Stärke und Fähigkeiten im Kampf, sind also kein bloßes Gimmick. Dazu kommt ein actionbasiertes RPG-Echtzeit-Kampfsystem und ein tiefes Beziehungsmanagement, über das nach und nach die Lore der Figuren offenbart wird.
Die Mischung aus Sci-Fi-Story, Action und Dating hebt das Spiel klar aus der Masse heraus. Es spricht sowohl Fans von romantischen Visual Novels als auch von RPGs an.
Das Studio dahinter, Papergames (bekannt von Infinity Nikki), hat sich auf romantisch geprägte, tiefgehende Mobile Games spezialisiert – und sichert sich damit inzwischen einen Platz an der Spitze der Gaming-Welt.
Starke Shooter gibt es viele – aber wo sind starke Pferde-Spiele?
Auch das zweite Spiel, das mir ins Auge fiel, zeigt, wie viel ungenutztes Potenzial in unterschätzten Zielgruppen steckt: Ostwind: Die Legende von Khiimori.
Als Chefredakteurin von MeinMMO bekomme ich täglich einen großen Schwall an E-Mails mit Infos zu neuen Spielen. Die bittere Wahrheit: Die meisten davon landen ungelesen im Müll. Die Masse ist einfach nicht zu bewältigen, auch wenn sicher jedes einzelne Werk mehr Aufmerksamkeit verdient hätte als es meine Zeit zulässt.
Doch um in dieser Masse aufzufallen – gerade bei überlaufenden Genres wie Shootern und Action-RPGs – braucht es einen bekannten Namen oder ein starkes Alleinstellungsmerkmal. Genau das trifft bei „Ostwind: Die Legende von Khiimori“ zu.
Als ich das erste Mal von dem gewaltfreien Open-World-Pferdespiel hörte, packte mich sofort die Neugier, und ich machte mir direkt einen Termin auf der Gamescom. Schon im ersten Gameplay-Trailer wurde klar, dass die Verbindung zum Pferd eine zentrale Rolle spielt und Einfluss auf das Gameplay hat.
Eine Community, die lange unterschätzt wurde
Genau wie bei „Love and Deepspace“ gilt auch hier: Die Zielgruppe, die zu großen Teilen aus Frauen besteht, wurde bisher sträflich vernachlässigt und kaum verstanden. Der Blog The Mane Quest von Pferde- und Gaming-Fan Alice Ruppert beschäftigt sich seit Jahren mit genau diesem Problem. Sie zeigt in Beiträgen, wie Pferde in Spielen über Jahrzehnte anatomisch unkorrekt dargestellt wurden – und wie Entwickler sehr überspitzt gesprochen, wohl dem Anschein nach, oft dachten: „Irgendwie ein Pferd reinknallen, wird schon reichen. Sind ja eh alles Mädchen, die kein gutes Gameplay brauchen.“
Dabei ist die Community riesig – und sie wünscht sich Spiele mit echtem Tiefgang. Der Erfolg spricht für sich, wie die GameStar berichtete: Über 475.000 Euro auf Kickstarter machten „Ostwind: Die Legende von Khiimori“ zur zweiterfolgreichsten deutschen Videospiel-Kampagne überhaupt, nur knapp hinter Everspace 2.
Das Münchner Studio Aesir Interactive, das schon mehrere Ostwind-Spiele entwickelt hat, setzt stark auf realistische Pferdephysik, Verhalten und Animation. Beim Anspielen auf der Gamescom konnte ich das selbst erleben: detaillierte Statistiken wie Kälteresistenz oder Ausdauer, die trainiert werden können, und ein klarer Fokus auf die Mechaniken rund ums Pferd. Eine tiefere Story soll im Early Access erst später folgen.
Damit ist Aesir tatsächlich gerade alleine auf weiter Flur.
Ja, es gibt Pferdespiele, und ja, Red Dead Redemption 2 wird gern als Pferdesimulation gespielt. Doch selbst dort ist das Pferd nicht das Herzstück des Gameplays. „Ostwind: Die Legende von Khiimori“ könnte genau diese Lücke schließen – weil das Studio die Zielgruppe ernst nimmt und ihre Wünsche versteht.
Games für Frauen sind keine Nische, sondern ein Millionenmarkt
Und genau das verbindet „Love and Deepspace“ und „Ostwind: Die Legende von Khiimori“: Sie zeigen, wie viel die Branche verschenkt, wenn sie Frauen als Randerscheinung abtut und an ihren Bedürfnissen vorbei entwickelt. Seit Jahrzehnten reiht sich Shooter an Shooter, während eine riesige Zielgruppe ignoriert, belächelt oder mit lieblosen Abklatschen abgespeist wird. Diese beiden Games beweisen das Gegenteil: Frauen wollen dasselbe wie alle – Tiefe, Qualität, Leidenschaft.
Wer Frauen in Games konsequent mitdenkt, hat nicht nur moralisch, sondern auch wirtschaftlich die Nase vorn.
Der Beitrag Shooter ade: Warum zwei Gamescom-Hits beweisen, dass die Gaming-Branche Frauen als Spielerinnen immer noch unterschätzt erschien zuerst auf Mein-MMO.
