Was bedeuten die Umwälzungen bei Zenimax für The Elder Scrolls Online? Im exklusiven Gamescom-Interview mit MeinMMO-Chefredakteurin Leya sprachen die Direktoren Rich Lambert und Nick Konkle über die Zukunft des MMORPGs und einen neuen Kurs.
In der Welt der MMORPGs ist kaum etwas so beständig wie die Veränderung. Doch kürzlich sahen sich die Entwickler von The Elder Scrolls Online (ESO) gleich mit mehreren großen Umbrüchen konfrontiert: dem Abgang von Studioleiter Matt Firor, einer Neustrukturierung des Teams und der Einführung eines neuen saisonalen Content-Modells.
Im Interview auf der Gamescom sprach ich mit Rich Lambert, dem Creative Director, und Nick Konkle, dem Game Director, über genau diese Herausforderungen. Es ging über die Stimmung im Studio, die Zukunft von ESO und darüber, wie das Team die Balance zwischen dem geliebten Erbe des Spiels und den sich wandelnden Erwartungen der Spielerschaft hält.
Es war eine harte Phase
MeinMMO: Fangen wir einfach mal mit den … vielleicht komplizierteren Themen an. Im Juli mussten mehrere hundert Leute Zenimax verlassen, die Entwicklung des neuen MMORPGs wurde eingestampft und das nach rund sieben Jahren. Matt Firor ist gegangen und ESO hat damit sozusagen das Gesicht der letzten Jahre verloren. Das ist kein einfacher Zustand. Deshalb frage ich mal ganz offen: Wie ist die Moral gerade im Studio, im Haus? Wie fühlt sich momentan alles an?
Rich: Ja, ich meine, es war definitiv … definitiv eine emotionale Zeit. Es waren Freunde und Kollegen, mit denen wir sehr lange zusammengearbeitet haben. Aber die Realität ist, wir haben Arbeit zu tun. Wir haben ESO, wir sind leidenschaftlich dafür, die Community ist leidenschaftlich für ESO, und wir stecken alles da rein, um das am Laufen zu halten. Also ja, es war eine harte Phase eine Zeit lang, mit vielen Emotionen. Aber ich denke, an diesem Punkt hat jetzt jeder dieses Ziel – alle konzentrieren sich auf ESO und darauf, es so gut wie möglich zu machen. Und das hilft allen, die schwierige Zeit zu überstehen.
Nick: Ich habe dem nicht viel hinzuzufügen. Ich meine, wir sind auch nur Menschen, genau wie du gesagt hast. Wir schauen sehr nach vorne, voller Energie, und versuchen sicherzustellen, dass wir unseren Spielern weiterhin das bestmögliche Spiel liefern.
Die Ausrichtung von ESO hat sich nicht geändert
MeinMMO: Nun, da mit Matt Firor sozusagen der Kopf von ESO gegangen ist – hat sich etwas in der Vision von The Elder Scrolls Online verändert? Was ist im Moment die Vision? Ist sie immer noch die gleiche?
Rich: Ich meine, es heißt immer noch „Player First“. ESO ist sehr etabliert in dem, was wir wollen, dass es ist. Die Leute sind jetzt in anderen Rollen, wie Jo Burba, der jetzt Studio Head ist. Jo konzentriert sich sehr stark auf Studiokultur und so weiter, während Matt das auch getan hat, aber er hat sich auch sehr auf Spieleentwicklung konzentriert. Er war schon länger auf das andere Projekt fokussiert und weniger auf ESO, weil ich dort war und mich darauf konzentriert habe. Also hat sich diese Vision im Grunde nicht wirklich verändert, sie ist immer noch da. Nick und ich sind sehr unterschiedliche Menschen. Wir spielen Spiele unterschiedlich, aber im Kern sind wir uns sehr einig, was ESO ist und was es bedeutet, damit in die Zukunft zu gehen. Und das ist gut.
Nick: Ja, und ich meine, wir lieben Matt, wir wünschen ihm das Beste. Aber in Bezug darauf, ob sich die Richtung oder Ausrichtung von ESO geändert hat – hat sie nicht. Rich und ich haben einfach übergangslos übernommen. Das Ganze geht dem voraus, was in den letzten zwei Monaten passiert ist. Also, was sich für uns geändert hat? Eigentlich nichts, weil wir weiterhin auf dem Kurs sind, den wir für das nächste Jahr geplant haben.
Autoplay
Wir haben ein gewaltiges Erbe
MeinMMO: Als du gesagt hast, ihr beide bringt verschiedene Dinge mit: Was bringt jeder von euch konkret mit? Wo liegen die Unterschiede?
Rich: Ja, also … es ist schwer, wir sind beide Hardcore-Gamer. Wir lieben es, Spiele zu spielen und so weiter. Ich konzentriere mich sehr auf die „Power“-Seite. Ich liebe Builds und es auszureizen, mich selbst zu verbessern und noch den letzten kleinen Schadenspunkt rauszuholen – ich liebe dieses Powergaming. Und ich denke, Nick macht manches davon auch, aber er konzentriert sich auf andere Bereiche. Matt war übrigens ähnlich, er war mehr auf der Rollenspiel- und Story-Seite, weniger auf dem Powergaming. Das ist einfach interessant.
Nick: Uns beiden bedeuten Elder Scrolls Online und die Spieler viel. Wir können viel darüber reden, wie großartig ESO ist, und wir denken wirklich, dass es ein großartiges Spiel ist, aber wir sind nichts ohne die Spieler, die Community.
Dafür haben wir beide Leidenschaft. Wir sind Spieler, und unsere Spieler sind uns wichtig – und das wird sich nicht ändern. Ich habe in den letzten 6 Jahren sehr eng mit Rich zusammengearbeitet und enorm viel von ihm gelernt. Wir sprechen auch jetzt täglich viel miteinander, und ein großer Teil davon ist: „Ist das für dich im Bezug auf die Vision für ESO fein?“
Und in Zukunft geht es weniger um die Unterschiede zwischen uns beiden, sondern mehr um die allgemeine Richtung. Wir haben diesen Weg bereits eingeschlagen – wie bleiben wir den Wurzeln von ESO treu? Denn wir haben ein großartiges Spiel, wir haben ein gewaltiges Erbe, es sind jetzt 11 Jahre. Und wie bleiben wir dem treu, während wir gleichzeitig weiterentwickeln, Neues schaffen, für Begeisterung sorgen? Es gibt so viel … ich liebe Elder Scrolls Online, aber ich glaube nicht, dass irgendjemand auf ein Spiel schaut und sagt: „Es ist perfekt, wir sind fertig.“
Wenn wir uns nicht verändern, werden wir zurückgelassen
MeinMMO: Besonders bei einem MMORPG – es ist ein sich entwickelndes Spiel. Wie du gesagt hast, es gibt ESO seit 11 Jahren, es hat eine reiche Geschichte, einen schweren Start gehabt, sich verändert, ihr probiert neue Dinge. Da ist so viel …
Rich: Die Spieler verändern sich auch, richtig? Was sie mögen, wie ihre Spielmuster aussehen. All das ändert sich mit der Zeit. Und wenn wir uns nicht verändern, werden wir zurückgelassen.
MeinMMO: Oh, das ist interessant. Welche Veränderungen bei den Mustern habt ihr in eurer Spielerschaft in den letzten Jahren beobachtet?
Rich: Dinge wie Spielzeit – du kannst an unseren Zahlen ablesen, wann ein neues Spiel rauskommt, weil sie kurz runtergehen. Und dann steigen sie wieder. Und auch, wie Spieler auf das Spiel zugreifen. Es gibt heute so viele verschiedene Wege, und es gibt eine starke Nachfrage nach Dingen wie Crossplay oder Cross-Save. Das kommt ständig auf. 2014 hat niemand daran gedacht. Wir haben sicher nicht daran gedacht 2007, als wir mit dem Bau des Spiels begonnen haben. Also ist es spannend, wie sich das ändert und entwickelt.
Nick: Ich hab so 2004 angefangen zu spielen, ungefähr damals. Es ist unglaublich, wie sehr sich alles verändert hat in den letzten zwei Jahrzehnten, sei es die Technik oder das Gameplay. Die Erwartungen der Spieler ändern sich, wenn neue Spiele kommen und bestehende Spiele die Grenzen verschieben. Wie du gesagt hast, die Spiele entwickeln sich ständig. Dieses Spiel läuft seit 11 Jahren, und die Erwartungen der Spieler ändern sich damit. Viele Paradigmen der frühen 2000er sind zwar immer noch relevant, aber Dinge entwickeln sich weiter. Man muss am Ball bleiben, ständig neue Inhalte und Features für unsere Spieler schaffen.
Unsere erfolgreichsten Events waren die, bei denen Spieler zusammenarbeiten konnten
MeinMMO: Etwas, das ich sehr interessant finde – mit dem neuen Ansatz der ESO-Seasons: Ich berichte seit 8 Jahren über MMORPGs, und eine Veränderung war, dass sie solospielerfreundlicher werden mussten. ESO ist da auch immer ganz oben auf der Liste. Und jetzt reißen wir die „Writhing Wall“ ein, was mich ein bisschen an die Wurzeln [von MMORPGs] erinnert hat: ein soziales Event, bei dem die Community gemeinsam auf ein Ziel hinarbeitet. Ist das auch ein Ansatz, wieder mehr Gemeinschafts- und Sozialgefühl zurückzubringen?
Rich: Es war eine sehr bewusste Entscheidung, so etwas zu machen. Wir haben das bisher nie so gemacht, also wollten wir mal etwas anderes probieren. Unsere erfolgreichsten Events waren die, bei denen Spieler zusammenarbeiten konnten. Ein Beispiel: Das erste Erkundungsevent, das wir gemacht haben – da mussten Spieler alle interessanten Orte in einer Zone finden. Und organisch haben sich Spieler und Gildenleiter organisiert und diese „Züge“ gebildet, die Leute herumgeführt haben. Da dachten wir: „Okay, können wir das auf eine größere Ebene bringen und den ganzen Server zusammenarbeiten lassen, um die nächste Stufe freizuschalten?“ Mal sehen, wie es läuft – ich bin gespannt.
Nick: Ich bin auch gespannt. Eines der besten Dinge an diesem Genre ist, dass es so viele verschiedene Spielertypen gibt. Also, wir werden nicht nur extrem stark auf Social Content setzen, aber es ist uns wichtig. Wir wollen frische Dinge machen, wir wollen mehr davon ausprobieren, aber auch neue Dinge für alle Spielertypen, damit sie motiviert bleiben.
MeinMMO: Wie lange, glaubst du, wird es dauern, bis die Community diese Herausforderung meistert?
Rich: Hm, ich weiß es nicht …
MeinMMO: Wenn du raten müsstest?
Rich: Eines habe ich gelernt: Wenn man der Community eine Herausforderung stellt, findet sie einen Weg – und zwar schnell. Deswegen habe ich das hier auf meinem Bein – das Tattoo war etwas, was wir für Elsweyr gemacht haben. Also denke ich, die Spieler werden schneller sein, als wir erwarten. Spannend wird sein: Welcher Server schafft es zuerst? PC/EU? Da wird es diese Art von Server-Zusammenhalt geben, die wir bisher nie hatten.
MeinMMO: Unser Haupt-MMORPG-Redakteur Karsten hat noch eine Frage eingebracht: Habt ihr euch für das Event Inspiration von anderen MMORPGs geholt? Er ist großer WoW-Spieler …
Rich: Gates of Ahn’Qiraj?
MeinMMO: Ja, genau das hat er sofort gedacht.
Rich: Ja, klar – wir lassen uns überall inspirieren. Ich habe Gates of Ahn’Qiraj als Spieler erlebt, und das ist immer noch eine meiner Top-Erinnerungen an WoW. Andere Spiele haben Ähnliches gemacht, und wir schauen uns an, was erfolgreich war, um darauf aufzubauen und etwas Besonderes daraus zu machen.
Altes Kapitel-System fühlte sich zu formelhaft an
MeinMMO: Ich möchte auch noch über die Seasons reden. Mit dem Wurmkult habt ihr dieses Jahr erstmals das saisonale System für Content-Updates eingeführt. Hat das den Effekt gebracht, den ihr euch gewünscht habt?
Rich: Wir beobachten und messen das noch. Die Idee kam von der Community. Spieler sagten, es fühle sich alles formelhaft an. Wir wollten das ändern, also haben wir das Kapitel-Konzept aufgegeben, um mehr Überraschungen und Agilität zu ermöglichen.
Nick: Ja, absolut. Das ist nur ein Schritt, wir erwarten mehr Veränderungen in den nächsten Jahren. Unser Ziel ist, Vorhersehbarkeit aufzubrechen, Inhalte zu verteilen und Feedback schneller umzusetzen. Seasons geben uns dafür Flexibilität und mehr Momente, mit der Community in Dialog zu treten.
MeinMMO: Habt ihr schon Feedback dazu bekommen?
Rich: Es ist noch früh, aber bisher ziemlich positiv. Spieler verstehen jetzt, was wir versuchen. Es ist viel Trial and Error, aber genau deshalb machen wir es so. Früher brauchten wir 18 Monate für ein Kapitel, jetzt können wir kleinere Inhalte schneller liefern und besser auf Feedback reagieren.
Man kann jetzt absurd viele Builds machen
MeinMMO: Ich habe etwas Community-Feedback gelesen. Manche hatten Sorge, dass die Updates kleiner sind und weniger Inhalt bringen. Was sagt ihr dazu?
Nick: Über ein Jahr verteilt sollte es sich ähnlich anfühlen. Wir ziehen nichts zurück, wir verteilen es nur anders. Ich bin gespannt, wie die Spieler es aufnehmen.
MeinMMO: Du hast gesagt, du bist ein Min-Maxer. Worauf freust du dich am meisten im nächsten Update?
Rich: Ich liebe das Konzept von Subklassen. Man kann jetzt absurd viele Builds machen, Klassenlinien mischen – ich liebe diese Art von Experimentieren. Abseits davon gibt es noch andere Dinge, über die ich noch nicht reden darf.
MeinMMO: Gleiche Frage an dich, Nick. Du bist tief in Lore und Story. Was begeistert dich?
Nick: Ich habe tausende Stunden in ESO gesteckt und auch in andere MMORPGs. Ich spiele alles – PvE, PvP, Lore. Ich liebe Progression und Story. Wir sprechen intern viel darüber: Wie stellen wir sicher, dass die Zeit der Spieler sinnvoll und aufregend ist? Dass sie uns vertrauen können? Das treibt uns an. Ich kann keine Details verraten, aber da gibt es vieles, das mich begeistert.
Die wertvolle Zeit der Spieler musst du dir verdienen
MeinMMO: Eine letzte Frage: Wir haben über Veränderungen gesprochen – Smartphones sind heutzutage vielleicht einer der größten Konkurrenten. Was wird sich für MMORPGs in den nächsten Jahren am meisten verändern?
Rich: Der Zugang. Jeder hat ein Handy, ein Tablet. Leute sind immer online. Und die Community ist entscheidend – Guild Wars 2, WoW, ESO – sie leben durch die Community. Dinge wie Cross-Save und Cross-Progression sind riesig, das gab es früher nicht. Heute verwischen die Plattform-Grenzen. Xbox pusht das sehr stark.
Nick: Eine sehr gute Frage. Die Entwicklung war rasant, besonders in den letzten Jahren. Für ein 11 Jahre altes Spiel wie ESO ist es gleichzeitig beängstigend und aufregend. Wir wollen den Wurzeln treu bleiben, aber uns weiterentwickeln, um neue Spieler zu gewinnen und bestehende zu halten. Das gilt für alle MMORPGs heute: Spieler schenken dir ihre wertvollste Ressource – Zeit. Die musst du dir verdienen, durch Vertrauen und Engagement.
MeinMMO: Vielen Dank, sehr gute Antworten.
Ein MMORPG wie ESO muss sich ständig neu erfinden
Das Interview mit Rich Lambert und Nick Konkle zeigt, dass die jüngsten Herausforderungen das Team von ESO nicht entmutigt haben. Stattdessen sehen sie darin eine Chance, das Spiel neu zu beleben und frische Wege zu gehen. Die Botschaft ist klar: Die Vision von „Player First“ bleibt bestehen, auch wenn sich die Gesichter hinter den Kulissen ändern.
Die Entwickler sind sich bewusst, dass sich die Spielgewohnheiten und Erwartungen der Community weiterentwickeln. Ihr neuer Ansatz, von den traditionellen Kapiteln wegzukommen und stattdessen mit dem saisonalen Modell auf Agilität und direkteres Feedback zu setzen, ist ein mutiger Schritt. Gleichzeitig wagen sie mit Events wie der „Writhing Wall“ eine Rückkehr zu den sozialen Wurzeln des Genres, inspiriert von klassischen MMORPG-Momenten.
Am Ende bleibt die wichtigste Erkenntnis, dass die Spieler das Herzstück von ESO sind. Rich und Nick betonen beide, dass die Zeit der Spieler die wertvollste Ressource ist, die es zu verdienen gilt. Ein über 11 Jahre altes Spiel wie ESO kann nur überleben, indem es sich ständig neu erfindet, ohne seine Identität zu verlieren.
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Der Beitrag Nach großem Umbruch und Entlassungswelle: Die ESO-Führung spricht über die Zukunft des MMORPGs: „Wir sind nichts ohne die Spieler“ erschien zuerst auf Mein-MMO.
