Quentin Tarantino bewies vor 16 Jahren, dass er nur 2 Charaktere, einen Tisch und ein Geheimnis braucht, um für Hochspannung zu sorgen

Quentin Tarantino hat in seinen bislang neun Filmen gezeigt, dass er sowohl lustige, absurde und spannende Szenen beherrscht. Eine seiner besten dauert ganze 20 Minuten und enthält fast nur Dialog. Trotzdem ist die Szene an Spannung kaum zu überbieten.

2009 veröffentlichte Quentin Tarantino seinen Kriegsfilm Inglourious Basterds, mit dem er kurzerhand die historische Geschichtsschreibung auf den Kopf stellte. Eine Gruppe US-Amerikaner möchte Adolf Hitler töten, was jedoch nur eine Facette der vielschichtigen Handlung ist.

Der große Gegenspieler im Film ist nicht Hitler selbst, sondern der SS-Standartenführer Hans Landa, gespielt von Christoph Waltz – der bei den Proben nicht dabei sein durfte. Seinen ersten Auftritt hat er gleich zu Beginn des Films, als Landa den Bauernhof des Franzosen Perrier LaPadite aufsucht, weil er vermutet, dass dort Juden versteckt sein könnten.

Diese erste Szene dient als Prolog und dauert etwa zwanzig Minuten. Das Besondere: Anders als in manch anderem Film beginnt Inglourious Basterds nicht mit packend inszenierter Action. Stattdessen wird nur geredet. Das war 2009 bereits extrem spannend und hat auch heute, 16 Jahre später, nichts von seiner Intensität verloren.

Ein Lehrstück in Spannung

Was geschieht in der Szene? Hans Landa betritt das Haus des Milchbauern und setzt sich mit ihm an den Tisch. Die beiden Männer unterhalten sich eine Weile recht oberflächlich auf Französisch, ehe Landa zum Punkt kommt: Er glaubt, dass LaPadite Juden in seinem Haus versteckt.

Tarantino zeigt uns, dem Publikum, nach einigen Minuten, dass diese Vermutung wahr ist. Die Kamera fährt nach unten und offenbart, dass unter den Dielen des Bodens tatsächlich die Jüdin Shosanna Drefus und ihre Familie versteckt ist.

Das Gespräch geht dann aber noch weiter. Landa inszeniert sich als charismatischer, letztlich aber unbarmherziger Mensch. Er übt immer größeren Druck auf den Milchbauern aus. Schließlich gibt dieser auf und nickt auf die Frage Landas hin, ob er jemanden versteckt hält.

Da der SS-Mann kurz davor die Sprache gewechselt hat und nicht länger Französisch spricht, verstehen Shosanna und ihre Familie diesen Wendepunkt im Gespräch nicht. So können sie auch nicht vorausahnen, dass die Soldaten kurz darauf das Feuer eröffnen. Nur Shosanna entkommt.

Was macht die Szene so gut? Die Angst, dass Landa die versteckten Juden findet, ist stets im Raum und lässt das Publikum bangen. Die brillant geschriebenen Dialoge lassen Landa zum durchtriebenen Jäger werden, der sein Opfer immer weiter in die Enge treibt.

Gleichzeitig nutzt Tarantino einen alten Trick des Kinos, um Spannung zu erzeugen: Er zeigt dem Publikum eine wichtige Information, in diesem Fall, dass sich unter dem Boden die Familie versteckt. Gleichzeitig haben wir eine ungefähre Ahnung, wie die Situation im schlimmsten Fall endet.

Auch Alfred Hitchcock nutzte diesen Trick sehr oft und fasste ihn im Buch Hitchcock/Truffaut in einem Beispiel zusammen (via nofilmschool.com): Wenn unter einem Tisch eine Bombe platziert ist, von der wir nichts wissen, bekommen wir bei der Explosion 15 Sekunden der Überraschung. Wissen wir als Zuschauer von Anfang an, dass die Bombe dort ist, erhalten wir 15 Minuten an Spannung. Ganz ähnlich ist es auch im Fall von Inglourious Basterds.

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Hinzu kommt, dass die Schauspielleistungen von Christoph Waltz und Denis Ménochet in dieser Szene zum Besten gehören, was das Kino zu bieten hat. Wir hängen an ihren Lippen und fiebern mit. Tarantino ist bis heute sehr stolz auf diese Szene und den Film insgesamt und nannte ihn im Podcast The Church of Tarantino kürzlich sein Meisterwerk. Auch in unserem Ranking schafft es der Streifen weit nach vorne.

Nach diesem grandiosen Auftakt nimmt der Film dann noch weiter Fahrt auf. Er ist ein spannendes Experiment, das die Historie auf eine alternative Art zeigt. Was haltet ihr davon? Habt ihr den Film gesehen? Schreibt uns eure Meinung gerne in die Kommentare. Tarantino hat selbst ganz eigene Ansichten, wenn es ums Kino geht: Ein Superhelden-Film ist so gut, dass Quentin Tarantino ihn liebt, obwohl er nichts von diesem Genre hält

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