Nach zwei Wochen und über 50 Stunden Beta von Blue Protocol: Star Resonance hat MeinMMO-Autor Cedric Holmeier einen guten Eindruck vom kommenden Anime-MMORPG erhalten. Er klärt auf, was auf die Spieler zukommt und wie man trotz Pay2Win Spaß mit dem Titel haben kann.
Blue Protocol: Star Resonance ist die Neuauflage des von vielen Spielern lang ersehnten Blue Protocols. Mit der damaligen Ankündigung, Amazon Games würde das MMORPG zu uns in den Westen bringen, leuchteten vielen Fans von Animes und MMORPGs gleichermaßen die Augen.
Doch ein Release kam nie und auch in Japan floppte das MMORPG schon nach kurzer Zeit. Nach dem Aus sicherte sich der Gaming-Gigant Tencent die Rechte und baute aus dem gescheiterten MMORPG eine eigene, neue Fassung unter dem Beinamen Star Resonance.
Blue Protocol: Star Resonance ist also so etwas wie Frankensteins Monster: Aus einem gefloppten MMORPG neu zusammengebaut und mit den Elementen versehen, von denen Tencent glaubt, dass sie dem Spiel Erfolg bringen werden:
Charaktere und Welt im hübschen Anime-Stil
Ein ausgiebiger Shop und ein optionsreicher Charakter-Editor für große Vielfalt
Fokus auf Themenpark und PvE
Kurze Inhalte, damit das MMORPG auch für zwischendurch taugt
Neben dem PC auch der Support für iOS und Android, damit man es auch unterwegs zocken kann
In China läuft das neue MMORPG bisweilen gut, jetzt soll auch der Erfolg im Westen gelingen. Wie die Chancen dafür stehen, weiß MeinMMO-Experte Cedric Holmeier.
Hier könnt ihr den Trailer zu Blue Protocol: Star Resonance sehen:
Autoplay
Abschreckend auf dem Papier
Wenn man rein auf die Fakten schaut, dann klingt Blue Protocol: Star Resonance vorerst nach dem typischen Asia-MMORPG:
Pay2Win in vielen Facetten
Time-Gating bei Dungeons, Leveln und Story
Ein Shop mit teils freizügigen und teils kindlichen Designs von Klamotten und Accessoires
Energie-System fürs Crafting und Handwerk
Housing mit AFK-Pflanz-Mechanik für die man sich immer wieder einloggen soll
Mobile-HUD und gleichzeitiger Fokus auf PC und Mobile
Auto-Kampf und Auto-Navigation, wenn auch kein echtes Auto-Play
Season-System statt großer Erweiterungen
Ausrüstung, die man mit einem halben Dutzend verschiedener Funktionen aufwerten kann, bevor sie dann alle zwei Wochen komplett ersetzt wird
Viele dieser Punkte haben andere Asia-MMORPGs auch auf ihrem Tablet, dennoch können sich Hits wie Throne and Liberty und Blade and Soul: NEO über viele tausende Spieler freuen. Sie schrecken vor allem im Westen ab, bedeuten aber zeitgleich nicht, dass ein MMORPG überhaupt keinen Erfolg haben kann.
MeinMMO Redakteur Karsten Scholz hat einige dieser Punkte zuletzt als „die 5 Fehler, die Aion 2 nicht machen darf“ betitelt. Es sind aber auch genau die Fehler, die Blue Protocol: Star Resonance macht, denn das MMORPG wirkt nicht gut für den Westen angepasst. Dazu passt auch schon der Ärger um den Shop, den es noch vor dem Beta-Start gab.
Einer der vielen Shops im Anime-MMORPG.
Spaß trotz negativer Buzzwords
Obwohl Blue Protocol: Star Resonance auf den ersten Blick abschreckend klingen mag, hat es mich im Test wirklich überrascht. Das Spieltempo setzt durchs Time-Gating klare Limits und sorgt dafür, dass niemand 48 Stunden durchleveln kann. Was hart klingt, sorgt aber auch dafür, dass Gelegenheitsspieler mit Hardcore-Gamern mithalten können.
Dungeons: Schon am ersten Tag konnte ich im Goblin-Dungeon farmen, überflüssige Ausrüstung zerlegen und daraus neues Gear bauen. Wer fleißig ist, ist am ersten Tag schon voll ausgestattet.
Weltenbosse: Jede halbe Stunde spawnen sie in der Open World für alle Spieler. Mit mehr als 20 Spielern bekämpft man sie, greift den Loot ab und bekommt manchmal sogar seltene Items wie eine Boss-Kopie als Kampf-Begleiter – das macht Laune
Raids: Mit bis zu 20 Spielern soll man in Raids auch auf harte Herausforderungen treffen. Diese waren in der Beta allerdings noch nicht verfügbar.
Progression: Dutzende Systeme, die den Charakter verstärken und aufeinander aufbauen. Crafting, Grinding, Dungeons, Housing, alles kann verwendet werden, um den eigenen Charakter zu verbessern. Das lädt zum Tüfteln ein.
Das Korsett des Gameplay-Loops ist zwar eng geschnürt, durch die regelmäßige Verbesserung des eigenen Charakters gibt es aber immer wieder kleine Erfolgsmomente, zum Beispiel, wenn man den nötigen Gearscore für den nächsten Dungeon erreicht.
Je länger man pro Tag spielt, desto kleiner werden die Erfolge im Laufe der Spielstunden. So ist die erste Minute immer die effizienteste und die letzte Minute am Tag stets die ineffektivste. Vielspieler haben entsprechend einen Vorteil, der beläuft sich aber meist nur auf einen Vorsprung von ein bis zwei Tagen im Vergleich zu den Gelegenheitsspielern.
Tägliche Aktivitäten von Blue Protocol: Star Resonance.
Klassen und Fähigkeiten
Blue Protocol: Star Resonance setzt auf die Heilige Dreifaltigkeit des Genres: Tanks, Heiler und DDs. Ein Charakter kann dabei jedoch alle 9 verfügbaren Klassen zeitgleich erlernen, was besonders gut ist, wenn mal ein Spieler der Stammgruppe ausfällt.
Kann man zwei Klassen spielen?
In der Theorie kann man in Blue Protocol: Star Resonance sogar alle Klassen zeitgleich spielen. Durch die verschiedenen Gearsets, Fähigkeitsupgrades und Aufwertungsmaterialien ist das als Gratisspieler jedoch keine gute Idee.
Man bekommt gerade so viel Loot, dass man eine Klasse auf dem normalen Niveau spielen kann. Um eine zweite oder gar noch mehr Klassen zu spielen, kommt man kaum darum herum, Echtgeld auszugeben – zumindest, wenn man mithalten möchte. Ich empfehle eher, einen oder zwei Twinks zu erstellen und die wichtigsten Aufgaben des Tages dort ebenfalls zu erledigen.
Das Skillsystem ist ausgefeilt – Zur Verfügung stehen jeder Klasse neun Fähigkeiten, davon:
2 Standard-Fähigkeiten
1 ultimative Fähigkeit
4 Wahl-Fähigkeiten
2 Battle-Image-Fähigkeiten
Die ersten 7 Skills können durch den Talentbaum und Skill-Upgrades sowie Skill-Erweiterungen verbessert werden. Für die Battle-Image-Fähigkeiten ist vor allem Grinding wichtig. Sie können durch die oben erwähnten Weltenbosse verdient werden und geben euch passive Werte für den Charakter.
Die Kehrseite ist jedoch, dass alle Skills auch durch den Einsatz von Echtgeld verbessert werden können. Zwar gibt es tägliche Limits, doch wer Geld investiert, ist klar im Vorteil. Gerade was die Battle-Image-Fähigkeiten angeht, können Spieler mit genügend Investment dem eigenen Charakter (speziell am Anfang einer Season) einen deutlichen Vorteil verschaffen.
Talentbaum des Marksman in Blue Protocol: Star Resonance.
Dennoch: Die Kämpfe fühlen sich grundsätzlich spaßig an, die Dungeons verlangen Zusammenspiel und die Ingame-Guides zu den Master-Modi lassen auf große Herausforderungen hoffen.
Wer wenig Lust auf Grind hat, kann das Spiel außerdem per Auto-Kampf-Funktion einfach nebenbei laufen lassen – Belohnungen gibt es trotzdem. Ein echtes Auto-Play ist aber nicht im Spiel. Euer Charakter drückt beim Auto-Kampf stumpf alle Knöpfe von 9 bis 1 und wählt per Tab das nächststehende Ziel an. Fürs Grinden reicht das, im Dungeon wird es damit aber schon sehr eng.
Einen PvP-Modus hat Blue Protocol: Star Resonance übrigens nicht. Wer seinen Charakter mit Echtgeld verbessert, darf nur den Monstern und den eigenen Teammitgliedern die neugewonnene Stärke beweisen. Auch einen DPS-, HPS- oder Tank-Meter sucht man in der Beta vergebens.
HUD ganz ohne DPS-Meter dafür mit Auto-Kampf aktiviert.
Für wen lohnt sich Blue Protocol?
Ob man Spaß mit Blue Protocol: Star Resonance haben kann, liegt alleine an der eigenen Einstellung:
Wer oben mitspielen will, Interesse an Ranglisten, Day-1-Clears und dem besten Gear hat, wird kaum ohne Echtgeld erfolgreich sein. Wen das abschreckt, der sollte das neue MMORPG lieber meiden.
Wer locker spielen will, bekommt täglich etwa zwei Stunden voller Inhalte mit Dungeons, Weltenbossen und viel Themenpark. Bei neuen und schwierigen Dungeons fühlt man sich jedoch unterlegen, bis man einige Tage später aufgeholt hat.
Als Gratisspieler kann man in der Theorie alles in Star Resonance erreichen, es dauert nur länger. Im Test ist mir dabei aufgefallen, dass die Anforderungen für den härteren Schwierigkeitsgrad der Dungeons häufig so gesetzt waren, dass man bis dato jeden Tag alles erledigt haben musste und etwas Glück brauchte, um genug Charakterkraft zu sammeln.
War diese zu niedrig, kam ich nicht alleine per Gruppenfinder in den Dungeon. Da hilft dann nur die eigene Gildengruppe ohne Matchmaking. Diese hat keine Anforderung und kann es jederzeit auf eigene Faust probieren.
Das wird Anfänger später jedoch vor große Herausforderungen stellen. Denn bei den unzähligen Systemen ist es fast unmöglich, von Anfang an den perfekten Weg einzuschlagen und alle Items jeden Tag zu verdienen.
Einer der Dungeons im Spiel – Wer eintreten will, braucht mindestens 7.560 Ability Score oder eine eigene Gruppe.
Das große ABER
Die Monetarisierung bleibt der Elefant im Raum. Fast jedes System im Spiel funktioniert mit Echtgeld einfacher und schneller. Wer allergisch auf Shops, Skins oder Zeitlimits reagiert, sollte lieber erst gar nicht mit Blue Protocol: Star Resonance anfangen, zumindest wenn die Entwickler nach der Beta nichts daran ändern.
Star Resonance ist nicht das nächste WoW, FFXIV oder Guild Wars 2. Es ist ein Asia-MMORPG für den Feierabend und diese Rolle stemmt es gut. Die Entwickler wären gut beraten, auf ihre eigene Community zu hören und das MMORPG, was Upgrade-Systeme und Monetarierung angeht, mehr auf den Westen abzustimmen.
Fazit: Man kann Spaß haben!
Blue Protocol: Star Resonance ist ein Widerspruch in sich: Auf dem Papier ist es abschreckend, im Alltag jedoch erstaunlich unterhaltsam. Es ist ein MMORPG, das kleine Erfolgserlebnisse gezielt setzt und Casual-Spielern damit Freude bereiten kann. Der Gameplay-Loop wirkt trotz des engen Korsetts spaßig und lädt zum Ausprobieren ein.
Am Ende entscheidet alleine die eigene Erwartungshaltung: Top oder Flop hängt davon ab, ob man Spaß an einem Free2Play-Asia-MMORPG mit klarer Pay2Win-Ausrichtung haben kann. Was passieren kann, wenn man als Entwicklerstudio die falschen Entscheidungen trifft, sieht man gerade bei Tarisland: 2024 wollte ein MMORPG im Stil von WoW den globalen Markt erobern, jetzt kündigen die Entwickler bereits das Ende an
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