Need for Speed: Shift – im Klassik-Test (PS3)

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Spiel:Need for Speed SHIFTPublisher:Electronic ArtsDeveloper:Slightly Mad StudiosGenre:RennspielGetestet für:PS3Erhältlich für:360, PS3USK:6Erschienen in:10 / 2009

Das ist konsequent: Nachdem Electronic Arts’ Dauer-Raserei Need for Speed angesichts von Ermüdungserscheinungen beim Stamm­entwickler EA Black Box immer mehr in der Kritik stand, darf nun bei gleich zwei neuen Anläufen frisches Blut ran: Für Nintendo-Hardware steht im November NITRO an, auf PS3 (sowie Xbox 360 und PSP, doch für diese Systeme erreichten uns bis Redaktionsschluss keine Testfassungen) wird mit SHIFT schon jetzt Gas gegeben.

Hier haben vermeintlich coole Straßenrennen durch hippe Großstädte im Rahmen einer leidlich originellen Handlung mit B-Schauspielern und Modepüppchen ausgedient, nun steht richtiger Rennsport im Fokus. Das wird gleich zu Beginn nachhaltig verdeutlicht: Dynamisch geschnittene Rennszenen stimmen auf kommende Aufgaben ein, bevor die erste Proberunde beginnt. Bei der flitzt Ihr mit einem Leihwagen in Brands Hatch los und das Spiel schätzt derweil Euer Fahrkönnen ein. Während blutige Anfänger dank starken Lenk- und Bremshilfen kaum von der Piste fliegen können, steht es wagemutigen Piloten frei, selbst gängige Funktionen wie ABS und Traktionskontrolle abzustellen. Egal, welches Setup Ihr wählt – das Fahrverhalten bleibt nachvollziehbar und fordernd zugleich und erinnert mehr an ein Forza als an sämtliche Serien-Vorgänger. Dessen solltet Ihr Euch bewusst sein – wildes Drauflosrasen und hektische Lenkbewegungen bringen in SHIFT keinen Erfolg mehr.

Der gehobene Anspruch spiegelt sich im Wagensortiment wider: Über 60 Boliden stehen parat. Mit kleinen Audis und BMWs fährt es sich vergleichsweise gemütlich, während PS-Monster von Porsche, Bugatti oder Lamborghini gewaltig Zug haben und viel Feingefühl verlangen, um ihre Leistungskraft zu bändigen. Tempofans mit Sammlertrieb mögen sich eine größere Auswahl wünschen, für den ordentlichen Rennbetrieb ist aber mehr als genug vorhanden. Nicht fehlen dürfen reichhaltige Tuning-Optionen: Im technischen Bereich bieten sich Einstellmöglichkeiten für Simulationsfans, während Lack- und Vinylbearbeitung ähnlich viel Spielraum lassen wie in Forza.

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Euer Karriereziel ist wenig originell, aber herausfordernd: Qualifiziert Euch bei Rennen in verschiedenen Leistungsklassen für die große Tour, um der Need for Speed-Champion zu werden. Neben normalen Platzierungsläufen und Meisterschaften tretet Ihr zu Zeitrunden an: Dabei tummelt sich das ganze Teilnehmerfeld auf einmal auf dem Kurs und versucht wie Ihr, innerhalb einer vorgegebenen Minutenzahl die Bestzeit aufzustellen. An frühere Zeiten erinnern die Driftwettbewerbe: Auf kurzen Teilstrecken schleudert Ihr Euren Boliden um Kurven und werdet nach Kriterien wie Driftwinkel und Fahrzeugkontrolle bepunktet. Dafür braucht Ihr ein sensibles Händchen, denn in dieser Disziplin neigen die heckgetriebenen Autos besonders schnell zum Ausbrechen.

Meriten verdient Ihr Euch nicht nur durch gute Platzierungen, eine zentrale Rolle spielen die Fahrerpunkte. Nahezu jede Aktion, die Ihr hinter dem Lenkrad sitzend vollführt, wird in einer von zwei Kategorien gezählt: Präzision und Aggression. Saubere Überholvorgänge oder das Einhalten der Ideallinie (die Ihr wahlweise auf dem Asphalt einblendet) gehören zu ersterer, rüde Rempler oder konsequentes Ausnutzen des Windschattens zu letzterer. Damit steigert Ihr nicht nur Euren Level, mit dem Ihr Belohnungen wie neue ­Lackierungen, Garagenstellplätze oder Sponsorengeld kassiert beziehungsweise Einladungen zu speziellen Rennen erhaltet. In den meisten Rennen erarbeitet Ihr Euch so zusätzliche Sterne, die für die Zulassung zu höheren Rennklassen entscheidend sind. Nebenbei ergattert Ihr Abzeichen: Diese sind für den Fortschritt nicht relevant, aber als unterhaltsame Motivationshilfe genau richtig, weil z.B. katalogisiert wird, wenn Ihr einzelne Kurven jeder Piste ideal gemeistert habt.

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Neben der Vehikelauswahl stimmt das Streckensortiment von SHIFT: In 19 Orten zeigt Ihr Euer Können auf 37 Strecken, die ein breit gefächertes Spektrum abdecken. Ihr befahrt reale Pisten wie Brands Hatch, Donington, Laguna Seca und Spa ebenso wie einige Stadtkurse in London und Tokio sowie ein Quartett von High-Speed-Ovalen – auch die Nordschleife fehlt nicht. Unterschiedliche Wetterbedingungen gehen dem neuen Need for Speed ab, dafür wurden jedem Ort drei Tageszeiten (aber keine Nacht) mit entsprechenden Lichtverhältnissen spendiert.

Grafisch setzt SHIFT neue Serienmaßstäbe: Die Fahrzeugmodelle erfüllen auch gehobene Ansprüche, jedes Vehikel hat sein eigenes Cockpit mit sämtlichen Details – das vermittelt ein überzeugendes Fahrgefühl. Bei der Streckenmodellierung brachten die Entwickler das Kunststück fertig, selbst die im normalen Leben teils wenig spannenden Umgebungen der realen Kurse lebendig wirken zu lassen. Im Gegenzug wurden die Fantasiepisten nicht mit Gimmicks überfrachtet, was für ein stimmiges Gesamtbild sorgt.

Bleibt eine entscheidende Frage, die Need for Speed seit jeher begleitet: Ruckelt das Geschehen? Bis auf wenige Situationen, wenn sich etwa ein volles 16er-Fahrerfeld auf kleinem Raum drängelt, können wir mit einem ”Nein!” antworten. Fast immer bleibt die Bildrate stabil und fällt selbst bei kurzen Einbrüchen nie unangenehm auf – ein himmelweiter Unterschied zu den letzten paar Episoden.

Nüchtern betrachtet ist Need for Speed SHIFT das bislang beste Rennspiel, das den Seriennamen im Titel trägt – allerdings mit einem ganz anderen Ansatz als die Teile, mit denen sich die Marke zum Dauer­brenner entwickelte. Seid Ihr aber gewillt, den Wandel zum ernsthaften, mit reichlich Simulations­ansätzen versehenen Raser mitzugehen, ist hochkarätige Vollgasunterhaltung garantiert.

Meinung

Ulrich Steppberger meint: Need for Speed konnte nichts Besseres passieren, als aus den Fängen seiner bisherigen Macher befreit zu werden. Das Konzept des neuen Teils weicht so drastisch von den Vorgängern ab, dass sich mancher Serienfan verprellt fühlen dürfte. Doch wer nichts gegen etwas Anspruch bei seinen Rennspielen hat, erlebt sein blaues Wunder – im positiven Sinn. SHIFT setzt auf Realismus, ohne darüber den Fahrspaß zu vergessen oder Einsteiger zu vernachlässigen. Das Autosortiment bietet für alle Geschmäcker etwas, auch die Streckenauswahl passt: Im Gegensatz zu Matthias gefallen mir die Fantasie­strecken nicht weniger gut als die echten Kurse. Eingebettet ist das Ganze in eine motivierend gestaltete Karriere und eine sehenswerte Grafik, die nur ­ausgesprochen selten von kleinen Rucklern gestört wird. Abgesehen von den langen Ladezeiten ist SHIFT ein starkes Rennsport-Paket.

Matthias Schmid meint: Ich bin mir nicht sicher, ob die neue, realistische Ausrichtung der Serie eine gute Entscheidung ist: Brauche ich noch ­einen simulationslastigen Raser auf echten Rennstrecken? Klar sind auch Fantasiekurse dabei, die fallen mir aber teils zu bieder aus. Ein Lob dagegen für die grafische Inszenierung der Originalpisten – Spa z.B. sah noch nie so gut aus. Ein Rennspieltraum, in der famosen Cockpitsicht mit Tempo 300 durch die Eau ­Rouge zu brettern und die Bodenwellen zu fühlen. Das anspruchsvolle Fahrverhalten ist ohnehin gelungen, lediglich die Brems­hilfe kommt mir auf ’schwach’ schon zu stark vor. Zum Schluss noch ein Tipp an die Entwickler: Macht die ’Quick Races’ von Anfang an verfügbar! Wenn ich bei einem Kumpel bin und ihm die tolle Optik zeigen möchte, will ich nicht zuerst 15 Minuten Karriere-Modus absolvieren…

Oliver Schultes meint: Mal ehrlich: Wer braucht in einem Rennspiel schon holprige Schauspieler und prollige ”Pimp my Ride”-Attitüde? Die simulationslastige Neuausrichtung trifft dagegen genau meinen Geschmack: Shift eroberte mit einem hervorragenden Fahrgefühl (vor allem aus der dynamischen Cockpit-Perspektive) mein Raserherz im Sturm. Die Grafik ist ansehnlich, die Motorensounds sind überzeugend und die Gegner bissig genug, um zu motivieren. Verbesserungswürdig finde ich hingegen die vielen Menüs mit ihrem Info-Overkill.

Philip Ulc meint: Der populäre Name Need for Speed wird genutzt, um eine Rennsimulation zu pushen, die radikal alles anders macht, wofür die Serie einst stand: keine Story, keine Schauspieler, keine aufgemotzten Luxusschlitten und keine Landstraßen oder städtischen Highways. So opulent der Rennzirkus in Szene gesetzt ist und so toll sich die Boliden steuern, für mich rast der SHIFT-Ausflug an der Zielgruppe vorbei – auch wenn die letzten NfS-Episoden meilenweit von einem guten Rennspiel entfernt waren, wie SHIFT eines ist.

Wertung

neue, simulationslastige Ausrichtung
reizvolles Fahrerwertungssystem
37 Strecken an 19 Schauplätzen
über 62 Autos
installiert 2,5 GB auf der Festplatte

Ehrenrettung gelungen: Das neue ”Need for Speed” lässt optisch und spielerisch seine Vorgänger am Auspuff schnuppern.

Singleplayer87MultiplayerGrafikSound

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