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Der neueste Streich der FAR-Schöpfer ist erneut ein atmosphärischer, audiovisueller Genuss. Doch wie steht es um die spielerischen Qualitäten?
Ihr wacht als obdachloses Kapuzenkind in der Stadt auf und werdet kurzerhand zum Hirten, nachdem Ihr drei Calicorn aus dem tristen, grauen Ort befreit habt. Die Calicorn sind eine putzige Mischung aus Bison und Ziege, die Ihr im Verlauf des Spiels über einen Berg führen werdet. In den sieben Kapiteln trefft Ihr weitere Artgenossen an und obwohl der Spielablauf und die Herausforderungen selbst für FAR-Veteranen überraschend simpel sind, solltet Ihr nicht nachlässig werden, denn Eure Calicorns könnten das Zeitliche segnen. Und das will doch niemand!
Eure größte Aufgabe besteht immer darin, Eure Calicorns zu lenken. Stellt Euch links hinter die Herde, um sie nach rechts zu führen und umgekehrt. In den ersten vier Kapiteln umschifft Ihr so stachelige Hindernisse oder auch leicht zerstörbare Tonkrüge, damit Eure Lieblinge nicht von Greifen attackiert werden. Das hat etwas von einem Hindernisparcours in der Fahrschule und ist ein Horror, wenn Ihr ein Eskort-Mission-Trauma besitzt.
Erst in der zweiten Spielhälfte kommen ein paar mehr Mechaniken auf. Hier lenkt Ihr Eure Calicorns im Schnee an Gletschern vorbei, haltet bei Stürmen die Herde kurzzeitig an oder sorgt durch das Fressen von Blümchen dafür, dass Ihr rutschige Eishügel überwindet. Klassische Schieberätsel und beispielsweise das Verteilen Eurer Herde für Gewichtspielereien oder ähnliche Ideen fehlen hingegen vollständig. Herausfordernd ist das Erlebte daher kaum und da auch Heilpflanzen reichlich verteilt sind, könnt Ihr Eure Herdenlieblinge – die Ihr frei benennen und mit gesammeltem Schmuck dekorieren dürft – problemlos nach einem Wehwehchen wieder aufpäppeln.
Wie von den Machern gewohnt, kommt der Titel mit nur wenigen Bildschirmerklärungen und ganz ohne Sprachausgabe aus. Die bewegten Bilder und der fantastische Orchester-Soundtrack sprechen meist schon für sich und erzeugen eine besondere Atmosphäre, die an vergangene Klassiker wie Journey oder geistige Nachfolger wie ABZÛ erinnert. Wenn Ihr Euch auf solche Entspannungsreisen einlassen könnt und süße Felltiere mögt, dann seid Ihr hier richtig.
Meinung & Wertung
Steffen Heller meint: Die FAR-Titel gehören zu meinen Adventure-Highlights des letzten Jahrzehnts. Herdling knüpft zwar an die audiovisuellen Stärken der Reihe an, aber spielerisch fällt die Reise mit den Calicorns insgesamt zu flach aus. Vieles fühlte sich zu sehr nach einem reinen Selbstläufer an, da sich der Großteil der Herausforderung auf das einfach gehaltene Lenken der Calicorns beschränkt. Manche zu Beginn eingeführte Mechanik habe ich sogar erst gegen Ende wahrgenommen, da sie vorher kaum bis gar keine Relevanz hatte, um meine lieb gewonnene Herde vollständig ans Ziel zu bringen. In Zeiten überkomplizierter Open-World-Spiele und harter Soulslike-RPGs freue ich mich über ein so herzlich präsentiertes Atmosphäre-Abenteuer, das mich für einige Stunden in eine märchenhafte Welt mit putzigen Begleitern entführt. Richtig enttäuscht bin ich nur über die schwache Performance der PS5-Fassung, die unbedingt per Patch poliert gehört.
Audiovisuell verträumter Atmosphäre-Trip, der leider spielerisch etwas zu lange auf Sparflamme kocht.
Singleplayer76MultiplayerGrafikSound
