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Zwei Jahre sind seit Naughty Dogs PS3-Premiere Uncharted: Drakes Schicksal vergangen. Diese Zeitspanne reichte den Erfindern von Crash Bandicoot und Jak and Daxter, die Kanten ihrer neuen Franchise abzuschleifen und ein Action-Adventure abzuliefern, das mit jeder Highres-Texturpore das Motto ’Liebevoll gemacht und auf Hollywood-Kino getrimmt’ verströmt. Dabei erinnert Uncharted 2 zu jeder Zeit an hochklassige japanische Entwicklungen: Da hakt nichts, die Steuerung gerät nach den ersten Kapiteln zur Nebensache und kleine, aber feine Details wie das automatische Schwenken der Kamera auf wichtige Stellen zeugen von Designkompetenz. Kurzum: Das Spiel flutscht, die 26 Kapitel bieten rund 14 Stunden interaktiven Hochgenuss.
Großen Anteil an dem stimmigeren Gesamtbild hat die bessere Balance der Spielelemente: Wurde in Teil 1 gerade zum Ende hin größtenteils nur geballert, herrscht bei Uncharted 2 Ausgewogenheit zwischen Erkunden/Rätseln und wilden Schießereien. Die Kletterpartien liegen in puncto Komplexität auf Augenhöhe mit Tomb Raider: Underworld; die Shootouts sind dank cleverer Gegner nach wie vor eine Klasse für sich.
Dass sich diese beiden Elemente so gut entfalten können, ist den abwechslungsreichen Schauplätzen zu verdanken. Die Suche nach einem Riesenjuwel führt Euch u.a. durch den Dschungel Borneos, in ein Museum in Istanbul, die Unterwelt des Himalaya, eine vom Bürgerkrieg geschundene Stadt und ein buddhistisches Kloster. Dort habt Ihr jede Menge Gelegenheit, Mauern und Gebäude zu erklettern, wagemutige Sprünge über Abgründe zu meistern und gigantische mechanische Gerätschaften aus grauer Vorzeit zu bedienen. Viele Bereiche erscheinen auf den ersten Blick zerklüftet und frei begehbar. Natürliche Barrieren geleiten Euch jedoch linear, aber immerhin elegant hindurch. Hinzu kommt, dass sich die Kletterrouten dem geübten Auge leicht erschließen. Wer dennoch in der Sackgasse steckt, kann auf die spielinterne (abschaltbare) Hilfefunktion bauen, welche sich nach einiger Zeit automatisch per Bildschirmanzeige meldet. Wie in Teil 1 trägt Nathan Drake ein Notizbuch mit sich herum, das per Select-Taste seine Geheimnisse preisgibt und die eingestreuten Rätsel erneut zum Kinderspiel macht. Ein paar richtige Kopfnüsse hätten hier nicht geschadet und das Spiel um eine weitere Facette bereichert.
Apropos Bereicherung: Euer Alter Ego hat seit seinem Debüt fleißig an seinem Bewegungsrepertoire gefeilt. Nathan schubst oder zieht seine Feinde in Abgründe, im Nahkampf nutzt er Fäuste, Füße und Kopf – dank automatischer Zeitlupe kontert er sogar und führt Combos aus.
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Nathan darf nun nicht mehr nur bestimmte, sondern alle Objekte als Deckung verwenden, die seinen Körper verbergen: Tische, Kisten, Sitzbänke, Waschmaschinen, Mäuerchen, Felsvorsprünge, Holzbalken – die Liste an Gegenständen ist lang. Und nicht alle sind wirklich als dauerhafte Zuflucht geeignet: Holz splittert bei Beschuss, Mauern bersten beim Aufschlag von Panzerprojektilen. Fleißiges Wechseln des Standortes lautet daher die Devise; dies gelingt dank des verbesserten Ein-Knopf-Systems in der Regel problemlos. Via Kreistaste geht, hechtet oder rutscht Nathan je nach Situation intelligent in Deckung. Dadurch lassen sich Stealth Kills wunderbar vorbereiten, überhaupt verschafft Euch lautloses Vorgehen in einigen Situationen einen entscheidenden Vorteil – wer von hinten überrumpelt wird, ruft eben keine Verstärkung mehr. Von Schleichexzessen wie in Splinter Cell oder Metal Gear Solid bleiben Uncharted 2-Spieler jedoch verschont.
In anderen Bereichen braucht Nathan dagegen immer noch Nachhilfe: Mehr als eine Pistole, ein Gewehr und einige Granaten kann er nicht tragen; Munition müsst Ihr jedes Mal umständlich per Knopfdruck aufnehmen. Immerhin seid Ihr beim Schießen vollkommen flexibel: Zielt per Fadenkreuz in aller Ruhe, feuert spontan aus der Hüfte und bewegt Euch mit gezogener Knarre frei umher – das kann Resident Evil heute noch nicht. Da sind wir schon beim Stichwort: Erinnert Ihr Euch noch an die deplatzierten Zombies aus der ersten Uncharted-Episode?
Humor ist, wenn man über sich selbst lacht. Und Entwickler Naughty Dog beweist selbigen. Als Nathan ein Gebäude betritt und der Strom ausfällt, sagt er nur trocken: ”Ich schwör’s, wenn da ein Zombie um die Ecke ist!” Ein erfrischender Weg, mit Kritik umzugehen. Die Story verläuft diesmal ohne aufgesetzt wirkende Wendung – und gewinnt trotzdem keinen Oscar: Immerhin hält sie bei Laune und verknüpft die Schauplätze einigermaßen logisch.
Aber ein ausgefeiltes dramaturgisches Werk wie etwa BioShock oder Metal Gear Solid 4 will Uncharted 2 auch nicht sein. Wie eingangs erwähnt, orientiert sich das Spiel am Hollywood-Kracher – und das macht es so gut wie wenige Games zuvor. Eine Verfolgungsjagd per Lkw, das Stürmen eines rollenden Zuges, der verzweifelte Kampf gegen einen Panzer, das Duell mit einem Kampfhubschrauber, gnadenlose Häuserkämpfe, eine dicke Portion Abenteurergeist und lockere Sprüche – das ist der Stoff aus dem Blockbuster-Drehbücher gemacht sind! Die umwerfende Grafik und der prachtvolle Surround-Sound sind Referenzklasse, daran müssen sich Assassin’s Creed 2 & Co. erst einmal messen.
Die Mehrspieler-Modi bieten neben Standard-Kost wie (Team-)Deathmatch und einer abgewandelten ’Capture the Flag-Variante’ einen launigen Koop-Modus für drei Spieler.
Meinung
Oliver Schultes meint: Einen Preis für Originalität gewinnt auch das zweite Uncharted nicht: Among Thieves ist ’nur’ ein rundum verbesserter Nachfolger – der dank hollywoodreifer Inszenierung, tadelloser Spielbarkeit und des Sinns für Details einschlägt wie eine Bruckheimer-Bombe. Die atemberaubende Grafik bleibt nun von Rucklern und Tearing verschont, die Charaktere wirken nur noch selten plastikmäßig und die kompetente Lokalisation mit guten deutschen Stimmen sowie alternativen Sprachen hat weiterhin Vorbildcharakter. Dass Uncharted 2 in Sachen Spieldauer, Abwechslung und Wiederspielwert (Stichworte: Multiplayer-Modus und ergatterbare Boni) eine ordentliche Schippe drauflegt, finde ich klasse – hier ließ Teil 1 doch Wünsche offen. Was ich mir für Episode 3 wünsche? Den Ausbau der Eskort-Missionen, einen vollwertigen Koop-Modus und endlich das automatische Aufsammeln von Munition.
Wertung
26 Kapitel im Solo-Modus
3 Mehrspieler-Modi inklusive Koop
ca. 14 Stunden Spieldauer und damit ein Drittel länger als Teil 1
auch als limitierte Steelbox erhältlich
Hollywood-Action zum Selberspielen: in allen Belangen professioneller Nachfolger mit perfekter Erforschen-/Ballern-Balance
Singleplayer90MultiplayerGrafikSound
