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2025 ist das Jahr der Ninja-Comebacks. Gleich zwei Ninja Gaiden-Interpretationen erfreuen digitale Schattenkrieger und jetzt ist auch Segas Vorzeigekämpfer wieder da. Fast 14 Jahre sind seit der letzten Episode auf dem 3DS vergangen. Nachdem der französische Entwickler Lizardcube bereits 2020 mit dem fantastischen Streets of Rage 4 eindrucksvoll zeigte, wie gut man sich auf die Wiederbelebung tot geglaubter Sega-Hits versteht, vertraute Sega dem Team jetzt die Kultmarke Shinobi an – das Beste, was der Reihe passieren konnte. Spielerisch und inszenatorisch orientiert man sich an den stärksten beiden Serienteilen: den Mega Drive-Episoden The Revenge of Shinobi und Shinobi III: Return of the Ninja Master. Andere Ableger lieferten zwar auch etwas Inspiration, aber bereits nach kurzer Spielzeit ist klar, dass Art of Vengeance als direkter Nachfolger der beiden 16-Bit-Hits angelegt ist.
Nach den 3D-Ausflügen mit Ninja-Clanchef Hotsuma und Kunoichi Hibana auf der PS2 steht in der neuen Episode wieder Altstar Joe Musashi im Mittelpunkt anspruchsvoller 2D-Action. Ihr wetzt durch ausladende Levels, absolviert waghalsige Stunts und fordernde Sprungpassagen, löst gelegentlich mal ein kleines Schalter- oder Schieberätsel und schneidet dabei natürlich auch mit flotter Klinge zahllose Gegner in Streifen. Ninjas, Söldner, Flugroboter und auch manch veritable Monstrosität fordern Euch heraus. Ihr wehrt Euch mit schnellen und starken Schwerthieben, Tritten aus der Luft, geschleuderten Kunai und allerlei Combos und Spezialattacken, die Ihr im Verlauf des Spiels erlernt und freispielt. Das fühlt sich wie eine Mischung aus modernen Action-Tugenden wie maximaler Mobilität und flexiblem Combo-System mit traditionellen Shinobi-Settings und -Systemen an.
Von der Pixel-Grafik der Klassiker verabschiedet man sich aber: Wie schon in den früheren Werken Wonder Boy: The Dragon’s Trap und Streets of Rage 4 setzt Lizardcube auf handgezeichnete Comicgrafik. Hintergründe und Sprites sind herrlich detailliert und fantastisch animiert, Effekte wie Feuer oder Neonlicht strahlen auf die Figuren ab und lassen das Gesamtbild wie aus einem Guss wirken. Das gelang schon bei Streets of Rage 4 prima und funktioniert bei Shinobi: Art of Vengeance jetzt ähnlich gut. Ihr rennt an riesigen Frachtschiffen vorbei, kämpft vor nächtlichen Feuerwerken oder durchquert eine Wüste voller Sandstürme und nie fühlt sich die Umgebung wie eine simple Tapete an.
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Die in sich abgeschlossenen Levels sind dabei ausladend gestaltet, aber trotz gelegentlicher Abzweigungen weitgehend linear – dieses Shinobi ist definitiv kein Metroidvania. Ein erneuter Besuch lohnt sich dennoch, bekommt Ihr doch immer wieder neue Fähigkeiten: Musashi kann dann an bestimmten Wänden und Decken klettern, Barrieren zerschlagen oder mit einem Gleitschirm den Fall bremsen. So erreicht Ihr auch in bereits absolvierten Stages geheime Gebiete, wo nützliche Gegenstände oder vielleicht sogar eine besonders knifflige Herausforderung auf Euch warten. Langwieriges Backtracking ist dabei aber nicht nötig, Ihr könnt per Levelkarte jeden aktivierten Checkpoint direkt ansteuern.
Tatsächlich bringt Shinobi: Art of Vengeance etliche moderne Elemente, Mechaniken und Progressionsprinzipien mit. Wo in The Revenge of Shinobi erreichte Punktzahlen Eure Lebensleiste verlängerten, erhöht Ihr hier Lebensenergie und Wurfmesservorrat, indem Ihr spezielle Items findet oder Upgrades kauft. Über Oboro-Siegel und Geld von besiegten Feinden erwerbt Ihr in großzügig verteilten Yokai-Shops neue Aktionen oder permanente Power-ups, darunter auch aktive und passive Siegel, die unter bestimmten Umständen Angriffe verstärken.
Dann sind da noch die Ninpo-Angriffe, die Abwechslung in den Kampf bringen, aber auch nach einem Einsatz wieder aufgeladen werden müssen. Viele Gegner haben eine Panzerung, die erst durchbrochen werden muss, bevor Ihr wirklich Schaden anrichten könnt. Eine Stagger-Leiste lässt sich mit Kunai und speziellen Angriffen füllen, bis Feinde ein rotes Symbol über dem Kopf haben. Ist das der Fall, könnt Ihr sie mit einer einzigen Spezialaktion für eine besonders große Belohnung unschädlich machen. Gelingt dies bei mehreren Widersachern gleichzeitig, dann fällt Euer Lohn noch opulenter aus – spielerisch erinnert das stark an die Tate-Angriffe der PS2-Episode.
Und wenn alle Stricke reißen, bleibt Euch noch mächtige Magie: Vom imposanten Drachenzauber bis hin zur kompletten Selbstheilung ist alles dabei, was das Ninja-Herz begehrt.
Meinung
Thomas Nickel meint: Schon mit Streets of Rage 4 konnte Lizardcube restlos begeistern und mit Shinobi setzt das Team für mich noch mal einen drauf. Ich war zuerst nicht sicher, ob Upgrade-Shop und Combo-System wirklich zu Segas altehrwürdigen Ninja-Klassiker passen. Aber es ist hier einfach großartig gelungen, alte und neue Elemente zu einem überzeugenden Ganzen zu verbinden. Manch Bonusherausforderung erinnert an die Plattformer-Passagen von Celeste, Kämpfe sind trotz 2D-Ansicht dynamisch wie in Devil May Cry und dabei fühlt sich das Spiel immer noch wie Shinobi an. Da kann ich dann auch locker über gelegentliche Storyschwächen oder fast schon stumm-stoische Helden-”Dialoge” hinwegsehen. Dazu kommt die großartige Präsentation: Bei Animationen und Hintergründen hat sich Lizardcube selbst übertroffen, musikalisch hauen Tee Lopes und Yuzo Koshiro einen Kracher nach dem anderen raus. Man merkt dem neuen Shinobi bei jedem Pixel und jeder Note die Begeisterung seiner Macher deutlich an: Was hier an Ideen, Liebe zum Detail und Feinschliff drinsteckt, ist wirklich eine Klasse für sich.
Kevin Pinhao meint: Mit den ursprünglichen Shinobi-Spielen hatte ich allenfalls schüchterne Berührungspunkte. Auf Art of Vengeance habe ich mich als Enthusiast flotter Action-Plattformer trotzdem gefreut. Und das zu Recht: Das Ninja-Comeback entpuppt sich als unheimlich kompetenter und kreativer Hüpfspaß mit butterweicher Action und jeder Menge audiovisuellem Augenschmaus, der vor allem auf dem liebevoll umgesetzten und zuweilen wirklich beeindruckenden Pinselstrich-Look fußt. So ganz wollte der Funke trotzdem nicht überspringen. Vielleicht, weil ich durch mangelnden Bezug zur Marke den spielerischen Sprung nicht vollends wertschätzen kann. Vielleicht auch, weil das letztjährige Prince of Persia: The Lost Crown mit seinem Metroidvania-Element bei ziemlich ähnlicher Qualität meinen persönlichen Nerv noch zielsicherer traf. Trotzdem: Art of Vengeance ist ein Action-Feuerwerk auf Spitzenniveau.
Wertung
12 Levels + 2 Bonus Stages
viele Optionen zum Anpassen der Schwierigkeit
Musik von Tee Lopes und Yuzo Koshiro
Segas Kult-Ninja kombiniert klassische Qualitäten mit vielen modernen Ansätzen und makelloser Präsentation – ein Action-Fest!
Singleplayer90MultiplayerGrafikSound
