Dragon Age: Origins – im Klassik-Test (PS3 / 360)

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Spiel:Dragon Age: OriginsPublisher:Electronic ArtsDeveloper:BiowareGenre:RollenspielGetestet für:360, PS3Erhältlich für:360, PS3USK:18Erschienen in:12 / 2009

Mit einer satten Verspätung läutet BioWare das Zeitalter der Feuerechsen ein. Die Rückkehr zu den Fantasy-Wurzeln der kanadischen Mass Effect-Macher verzögerte sich gegen Ende immer mehr, was durch die schwierige Konvertierung der anfangs rein für den PC entwickelten Drachenmär zu erklären ist. Auf ledrigen und auf beiden Konsolen etwas schäbig wirkenden Schwingen flattert Dragon Age: Origins demnach für Xbox 360 und drei Wochen später auch für PS3 in die Händlerregale. Ein Epos von altem Schrot und Korn für die gereifte Baldur’s Gate-Generation, im Vergleich zu früheren Werken erweitert um zwei zentrale Aspekte.

Viel ist geschrieben und diskutiert worden um Blutspritzer und entblößte Brüste. Ein gerüttelt Maß davon ist im fertigen Spiel auch enthalten, jedoch nie zum Selbstzeck und eingebettet in den hervorragend ausgedachten archaischen Kontinent von Ferelden. Hier haben sowohl Sex und Gewalt, aber auch moralisch-ethische Grundfragen und verschlüsselte Sozialkritik ihren Platz. Bereits im facettenreichen Charakter-Generator wird Euch nämlich klar, dass Euer virtuelles Alter Ego in eine Welt voller Ungerechtigkeiten und Widersprüche hineingeboren wird, in der das alte Schema von Gut und Böse nicht mehr ohne Weiteres funktioniert. Ob Ihr ein Mitglied der durch jahrzehntelange Sklaverei traumatisierten Elfenrasse spielt, einen im streng hierarchischen Kastenwesen seiner Vorväter gefangenen Zwerg oder einen Vertreter des zerstrittenen Reiches der Menschen – Ihr werdet leiden!

Jede der sechs möglichen Anfangsgeschichten endet mit einer Tragödie und dem Beitritt Eurer Spielfigur in den Weltenretter-Club der ’grauen Wächter’. Der entpuppt sich allerdings als halbzerfallenes Bündnis von Idealisten, beruhend auf vergessenen Verträgen und überkommenen Vorstellungen von Heldentum. Bei Eurem Wächterdienst gegen die Pseudo-Orks der ’dunklen Brut’ und deren erzdämonischem Anführer in Drachenform stolpert Ihr demnach auch mit jedem Schritt in moralische Zwickmühlen: Ein von Dämonen besessenes Kind terrorisiert z.B. ein ganzes Dorf mit untoten Horden und könnte mithilfe eines illegalen Blutmagiers unschädlich gemacht werden, jedoch nicht ohne ein Menschenopfer. Je nachdem, wie Ihr Euch entscheidet, geratet Ihr nicht nur mit Eurem Gewissen in Konflikt, sondern auch mit den Mitgliedern Eurer Party, die oft mit verständnisvollen Gesprächen oder kleinen Geschenken besänftigt werden wollen. Wer besonders viel Zuneigung sammelt, kann mit manchem Kameraden gar dem Liebespiel frönen.

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Hinter literarisch hochwertigen Figurenkonstellationen und Dialogen, die im englischen Original durchwegs exzellent, auf Deutsch zumeist ordentlich gesprochen werden, werkelt eine klassische RPG-Mechanik. Krieger mit Schwert und Schild oder Zweihandwaffen, Schurken mit Doppelklingen oder Armbrüsten und ­Magier unterschiedlicher Ausrichtung nutzen alle dasselbe Bedienschema. Drei Tasten könnt Ihr mit je zwei per Schultertaste wählbaren Funktionen belegen, den Rest Eurer Fähigkeiten, Kampfstile und Zaubersprüche verwaltet Ihr im Ringmenü, dessen ­Aktivierung den Spielablauf pausiert. Was im RPG-Shooter Mass Effect tadellos schnurrte, artet im taktisch anspruchsvolleren Dragon Age teilweise in wirre Spiegelfechterei aus, zumal die in der PC-Ver­sion oft genutzte übersichtliche Vogelperspektive gestrichen wurde. Meist habt Ihr nur Zeit, Euren Hauptcharakter sinnvoll zu steuern sowie bei den anderen Streitern auf die ’Quickheal’-Taste zu hämmern und diese ansonsten ihrer KI zu überlassen. Variantenreich ­modifizierbar, erinnern die Taktik-­Slots Eurer Party­mitglieder an die ’Gambits’ von Final Fantasy XII und fangen bei umsichtiger Nutzung das schlimmste Chaos der Echtzeit-Gefechte ab.

Optisch fällt Dragon Age: Origins deutlich gegenüber Mass Effect ab. Teils lieblos aufgepappte, breiige Landschaftstexturen, detail­arme Charaktermodelle und ­Ruckler können durch ausdrucksstarke ­Mimik nicht wettgemacht werden. Über jeden Zweifel erhaben bleibt die schiere Masse motivierender Betätigungsfelder. Im Laufe der verästelten Hauptquest entfaltet sich nämlich bald eine Landkarte voller Möglichkeiten. Während der abstrakt dargestellten Reise zwischen Magier­türmen, Mittelalterstädten und Trutzburgen erwarten Euch per Zufallsprinzip trottelige Banditen oder gewinnsüchtige Händler. Diverse Kontaktpersonen bieten simpel aufgebaute, aber lohnende Nebenquests an, die sowohl abgebrühte Finsterlinge, als auch barmherzige Gutmenschen ansprechen. Allerlei Kräuter, Sekrete und Rohstoffe laden zum Brauen von Tränken, Konstruieren von Fallen oder Modifizieren von Waffen ein und jeder Eurer Mitstreiter hat eine eigene Geschichte zu erzählen, deren Ergründung Euch zusätzlichen Spielspaß abseits der Hauptstory verspricht.

Insgesamt ein würdiger Nachfolger von BioWares Baldur’s Gate-PC-Saga, der Euch zig Stunden vorzüglich unterhält und mit den bereits angekündigten Download-Inhalten auch schon Nachschub-Quests bereithält.

Meinung

Max Wildgruber meint: Tut mit leid, BioWare, aber mehr ist nicht drin. Die Quest, das fantastische PC-Drachen­märchen zum rundlaufenden Konsolen-­RPG umzumodeln, übersteigt sogar Eure Erfahrungsstufe. Dabei ist Dragon Age auf Konsole beileibe kein schlechtes Spiel. Es ist am PC nur noch viel besser! Trotzdem werde ich meinen Zwergenkrieger Ugurcan auch ohne Test-Auftrag noch viele Stunden durch Ferelden begleiten, denn die erzählerischen Qualitäten dieses spielbaren Fantasy-Romans sind über jegliches profane Gemäkel bezüglich Optik und Bedienung so hoch erhaben, wie ein majestätischer Drache über eine Blindschleiche. Dass Ihr viele Nebengeschichten und Partydialoge zudem erst bei mehrmaligem Durchspielen erleben werdet, ergibt zusammen mit den sechs gelungenen Ursprungsgeschichten einen schönen Wiederspielbarkeitswert.

Wertung

6 Ursprungsgeschichten
fast durchgehend vertonte Dialoge

Konkurrenzlos gut geschriebenes RPG-Epos mit riesigem Umfang, aber ­Schwächen bei Optik und Bedienung.

Singleplayer86MultiplayerGrafikSound

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