LOS GATOS / BURBANK • Um gegen die IT-Macht, Microsoft, Apple, Amazon, Meta, Google zu bestehen, rücken Amerikas traditionelle Medienkonzerne zusammen, beobachten wir vor gut vier Jahren in M! 334. Damals fusioniert die TV-Senderkette Discovery mit dem Entertainment-Riesen Warner: Für 43 Milliarden US-Dollar wechselt ein “konkurrenzloses Paket populärer Marken und Helden” den Besitzer, es entsteht ein Gigant, der den Kampf um die film- und seriensüchtige Streaming-Gemeinde aufnimmt, in Konkurrenz zu Disney, Apple, Netflix und Amazon. Letztgenannte Firma schluckt wenige Tage nach dem Warner-Discovery-Deal ihrerseits eine Hollywood-Größe, Metro Goldwyn Mayer (MGM), für knapp 8,5 Milliarden US-Dollar.
Nun, kurz vor dem Jahresende 2025, schlägt im Bieterwettstreit um prominente Popkultur-IPs der Streaming-Marktführer zu. Netflix nimmt Discovery den ganzen Warner-Bros.-Zirkus wieder ab und wird so zur bestbestückten Videothek der Welt! Für 200.000 Stunden Film in 50 Sprachen, darunter “Casablanca”, “2001: Odyssee im Weltraum”, “Batman”, “Harry Potter”, “Der Herr der Ringe” und “Barbie”, “Game of Thrones”-Fantasy und “Looney Toons”-Zeichentrick zahlt Netflix eine neue Rekordsumme von 83 Milliarden US-Dollar. “Das Ende von Hollywood” beklagt das Wirtschaftsmedium Capital.de Anfang Dezember – bis auf die Ausnahme 20th Century Fox/Disney werden alle großen und traditionsreichen Filmstudios von IT-Unternehmen kontrolliert! Sony besitzt schon seit Jahrzehnten Columbia Tristar, der US-Kabel- und Internet-Anbieter Comcast schnappt sich 2013 Universal und Amazon 2021 Metro-Goldwyn-Mayer.
Paramount wiederum wird vor wenigen Monaten vom Sohn des Software-Unternehmers und Oracle-Gründers Larry Ellison, des laut Bloomberg reichsten Manns der Welt, übernommen. Deren neuer Entertainment-Koloss Paramount Skydance Corp. springt am 8. Dezember, also wenige Tage, nachdem Netflix die Übernahme verkündet, mit einem eigenen “feindlichen” Übernahmeangebot aus dem Gebüsch, will den Warner-Aktionären über 100 Milliarden zahlen. Somit ist dieser Tage noch nicht sicher, ob Netflix den Hollywood-Zukauf wie geplant durchbringt. Wettbewerbsregulierer und Kartellbehörden werden die Transaktion, die sowohl bei Netflix als auch bei Paramount viel Marktmacht konzentrieren würde, genau prüfen. Der US-Präsident mischt sich ebenfalls ein und Reuters meldet, dass Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und dessen arabische Geschäftspartner Paramount das nötige Geld besorgen.
Mit dem TV- und Kino-Geschäft, HBO und Comic-Verlag DC würde auch Warners ganze Games-Abteilung den Besitzer wechseln. Nach dem EA-Verkauf (an Saudi-Arabien und Kushner Investment-Clique) und Tencents Ubisoft-Joint-Venture wäre das die dritte große IP- und Machtverschiebung unserer Branche in nur einem Jahr. Seit sich Microsoft Activision einverleibte, balgen sich die Investoren um den Rest der westlichen Spielindustrie. Unter dem Fusions-Hobel fliegen die Späne, wie wir wissen: Wie andere Übernahmeopfer wurde Warner Games nach der Discovery-Fusion bereits an allen Ecken und Enden abgespeckt, schließt Anfang 2025 die MultiVersus-Macher Player First und, kaum eröffnet, die San-Diego-Niederlassung, killt Suicide Squad-Betrieb sowie Wonder Woman-Entwicklung und liquidiert mit Monolith (No One Lives Forever, F.E.A.R.) eines der ältesten und besten Ego-Shooter-Studios der Welt (siehe “WB-Kahlschlag: Die Axt an der Wurzel”, M! 380).
Trotzdem besitzt Warner noch immer ein starkes Entwickler-Ensemble: Avalanche (Hogwarts Legacy) und die”Mortal Kombat-Macher NetherRealm, in England die Batman: Arkham-Produzenten Rocksteady und die “Lego”-Fabrik TT Games (einst Traveller’s Tales). Wie es mit diesen Studios weitergeht, verriet Netflix noch nicht, zeigte während der Warner-Präsentation im Dezember zwischen lauter Filmen nur kurz ein Mortal Kombat-Logo. Wahrscheinlich ist derzeit nicht entschieden, ob Netflix Warners Games-Abteilungen weiterverkauft oder an ihnen festhält, auf einen Schlag zur Game-Großmacht wird und ein neues Geschäftsfeld aufbaut. Warners pralle Spielvorräte und Entwicklungs-Expertise könnten Netflix als Fundament für eine Streamingplattform à la Stadia dienen. Sowohl Hollywood als auch Silicon Valley sind gespannt: Ob die Firma, die Ende der 1990er klein und bescheiden als Versand für DVD-Filme anfängt, es wagt, in Xbox- und PlayStation-Konkurrenz zu treten und dort anzusetzen, wo Google scheiterte?
