Die MeinMMO-Chefredakteurin Leya Jankowski sprach Swen Vincke, den Game Director und CEO der Larian Studios (Macher von Baldur’s Gate 3), kurz nach der Enthüllung des neuen Divinity-Spiels.
In einem tiefgehenden Gespräch spricht Swen Vincke offen über die Mammutaufgabe, nach dem Erfolg von Baldur´s Gate 3 das eigene Universum noch größer zu gestalten, und erklärt die zentralen Design-Säulen des neuen Rollenspiels – die Maximierung der Entscheidungsfreiheit und der Kontrast zwischen Hoffnung und Dunkelheit.
Diese Einblicke gibt es im Interview:
Der Fluch von Sir Lora: Swen Vincke gesteht, welches Detail aus Divinity: Original Sin 2 er zutiefst bereut – und warum er es beinahe aus der Switch 2-Version entfernt hätte.
Abschied von D&D: Wie befreiend es ist, das komplexere D&D-Regelwerk hinter sich zu lassen, um ein intuitiveres Kampfsystem zu schaffen, das sich sofort besser anfühlt als alles in BG3.
Der “Größenwahn”-Vorwurf: Swen Vincke beantwortet die Frage, ob Larian nach dem Welterfolg von Baldur’s Gate 3 Gefahr läuft, größenwahnsinnig zu werden.
Die wahre Definition von Erfolg: Was für Larian wirklich zählt – es sind nicht die Verkaufszahlen, sondern die “Schuh-Kampagnen” der Spieler.
Erfahrt im vollständigen Interview, wie die intensive Optimierung der Cinematic-Pipeline es Larian ermöglichen soll, noch mehr Entscheidungsfreiheit im neuen Divinity zu bieten, und was die Serie Vincke nach 30 Jahren Entwicklungsgeschichte persönlich bedeutet.
Divinity ist ein Spiel über Hoffnung
MeinMMO: Wir müssen zurück zu den Game Awards. Die Lichter gehen aus, das Publikum sieht die dramatische Enthüllung des Divinity-Trailers. Nach Monaten, wenn nicht sogar Jahren, der Geheimhaltung sieht die Welt euer neues Baby. Was genau ging dir in diesem Moment durch den Kopf?
Swen Vincke: Es gibt davon eine Aufnahme. Ohne es zu wissen, habe ich gesagt: Mein Herz schlägt so stark. Ich wusste nicht, wie die Reaktionen sein würden. Wir hätten ausgebuht werden oder, was noch schlimmer gewesen wäre, es hätte überhaupt keine Reaktion geben können. Aber wir bekamen mächtigen Applaus, und das war so eine Erleichterung! Man konnte das dem ganzen Team ansehen. Wir saßen sogar oben und konnten alles sehr gut überblicken. Wir waren ungefähr mit 15 Leuten da, und es war einfach eine große Erleichterung. Wir wussten nicht, in welche Richtung das Ganze gehen würde, aber Gott sei Dank, es hat geklappt.
MeinMMO: Ja, der Trailer war schon etwas Besonderes. Ich habe die Game Awards durchgeschlafen und direkt morgens nach den Reveals geschaut. Als ich Divinity darunter gesehen habe, schaute ich mir den Trailer direkt achtmal hintereinander an. Ich war sofort sehr aufgeregt, weil der Trailer für mich extrem interessant war. Ich bin sicher, ihr habt auch schon einige Fan-Theorien gesehen. Angesichts der ersten öffentlichen Reaktion: Hast du das Gefühl, die zentrale Stimmung und Botschaft, die ihr für Divinity beabsichtigt habt, erfolgreich vermittelt zu haben? Wenn ja, warum? Wenn nicht, welchen Aspekt der Identität des Spiels hättest du dir gewünscht, dass die Leute ihn stärker wahrnehmen?
Swen Vincke: Wir konnten das zur Hälfte vermitteln, aber das war beabsichtigt.
Die Interviews, die wir gerade führen, sind die zweite Hälfte. Wir haben einen sehr düsteren Trailer gezeigt, aber Divinity ist eigentlich ein Spiel über Hoffnung und darüber, Licht ins Dunkel zu bringen. Wir haben ein dunkles Bild der Welt gezeichnet, sodass der Kontrast im Spieler liegt. Wir sind diejenigen, die entscheiden: Bringen wir diesen armen Leuten Hoffnung oder bringen wir ihnen noch viel mehr Dunkelheit und Elend? Denn dies wird ein Spiel mit vielen Entscheidungsfreiheiten. Genau das vermittelt der Trailer tatsächlich ganz gut. Du kannst die Person sein, die den Mann auf den Scheiterhaufen bringt, oder du bist die Person, die sagt: Stopp, wir werden diesen Mann nicht verbrennen.
Wenn du außerdem Divinity: Original Sin 2 nimmst und Cinematics im Stil unseres neuen Trailers einfügst, dann würde dieses Spiel so aussehen. Also ja, visuell ist er sehr düster. Aber das ist exakt das Level, das wir auch schon mit Divinity: Original Sin 2 hatten. Jetzt kannst du es nur besser erkennen, und dann ist es auch recht schockierend.
Das Wichtigste ist aber, dass du in der Lage bist, Dinge in dieser Welt zu ändern.
Autoplay
MeinMMO: Im Trailer sah es ganz so aus, als wären die Leute schon voller Vorfreude, den Mann zu verbrennen!
Swen Vincke: Alles hat seinen Grund. Ich rede noch nicht über die Details der Story, aber alles, was du in diesem Trailer siehst, ist beabsichtigt.
MeinMMO: Der Trailer ist unbestreitbar düster und blutig. Dennoch ist Larian dafür bekannt, tiefe, düstere Geschichten mit einem charakteristischen Sinn für Humor zu verweben. Wie werden euer Writing und Design bei Divinity zusammenarbeiten, um diesen entscheidenden Kontrast aufrechtzuerhalten und sicherzustellen, dass der Humor zündet, ohne die ernsten Themen zu untergraben, und umgekehrt?
Swen Vincke: Ja, der Trailer hat ein gutes Level an Body-Horror. Als wir ihn konzipierten, nahmen wir uns als Referenz The Wicker Man, also einen alten Film. Da passiert genau das, was du [im Trailer] siehst. Es gibt außerdem auch Referenzen zum Film The Substance innerhalb des Trailers, wenn du ganz genau hinschaust.
Für die Balance werden wir es wie immer machen. Wenn unsere Schreiber anfangen, kommt der Kontrast automatisch. Ich kann dir jetzt schon sagen, dass es Momente geben wird, die dich definitiv zum Lachen bringen werden. Genauso wird es auch Sachen geben, die dich erstmal schockieren werden. Wenn du ein Spiel für mehrere Hundert Stunden spielst, möchtest du auch eine Varianz an Emotionen.
Reue um das Eichhörnchen, wegen Druck eines Publishers
MeinMMO: Exakt. Ich habe tatsächlich Divinity: Original Sin 2 am Anfang des Jahres noch mal gespielt. Und ich habe wieder so viel dabei gelacht. Einer meiner persönlichen Lieblinge ist Sir Lora.
Swen Vincke: Oh, wirklich?!
MeinMMO: Ja, für mich ist er ein gutes Beispiel für diesen albernen, charmanten Humor, den ihr in dunklen Settings unterbringt. Ich gebe dir recht, dass Divinity: Original Sin 2 schon düster und blutig ist, aber man es wegen der Grafik nur nicht so gut erkennt. Und dann ist da dieses Eichhörnchen, das auf einer toten Katze reitet und mit dir mitkommen kann.
Swen Vincke: Es ist lustig, dass du Sir Lora magst. Ich hasse ihn. Wenn es eine Sache gibt, die ich bei Original Sin 2 bereue, ist es, Sir Lora jemals ins Spiel gebracht zu haben.
MeinMMO: Nein! Warum?
Swen Vincke: Ich habe sogar versucht, ihn aus der Version für die Switch 2 zu entfernen. Das QA-Team hat dann aber gesagt, dass es so kurzfristig nicht mehr geht. Ich habe wirklich versucht, ihn loszuwerden.
MeinMMO: Aber er ist perfekt!
Swen Vincke: Ich bin glücklich, dass es zumindest eine Person in diesem Universum gibt, die Sir Lora zu schätzen weiß.
MeinMMO: Ich weiß, er kann super nervig sein, weil er ständig stirbt. Aber er ist so lustig.
Swen Vincke: Ich werde den anderen sagen, dass ich jemanden gefunden habe, der Sir Lora mag. Sie werden begeistert sein, das zu hören.
MeinMMO: Schick ihnen bitte meine lieben Grüße mit und sag ihnen, dass ich froh bin, dass du deinen Willen hier nicht bekommen hast.
Swen Vincke: Ich schaue gerade auf die Nachricht, in der mein Head of QA sagt: Wir haben versucht, Sir Lora zu entfernen und hätten es auch fast geschafft. Aber wir haben ein Problem, wo es in einer Region funktioniert und in einer anderen nicht. Wir konnten nicht herausfinden, warum. Sir Lora wollte einfach nicht sterben. Wir haben mehrere Tage beim Debuggen verloren, um eine Antwort darauf zu finden. Jetzt ist es aber zu spät, also müssen wir ihn behalten.
Das hast du jetzt exklusiv gehört.
MeinMMO: Ich bin froh, dass er geblieben ist. Es gibt immer jemanden, der etwas zu schätzen weiß.
Swen Vincke: Ja, manchmal ist man überrascht, welche Story hinter etwas steckt.
Wir haben damals mit einem Publisher gearbeitet, der unbedingt einen kostenlosen DLC wollte. Also haben wir ihn nur als Witz eingebracht, der nicht wirklich etwas zum Spiel hinzufügt. Und später haben wir es dann bereut, dass wir Sir Lora eingebracht haben, weil das nur wegen Druck eines Publishers passiert ist. Und jetzt wollen wir ihn einfach loswerden. Aber es ist okay, es macht mich glücklich, dass du dich über ihn freust. Es gibt Leute, die viel Mühe reingesteckt haben, ihn zu erschaffen.
MeinMMO: Mit dem Hintergrund verstehe ich, warum du nicht glücklich über ihn bist. Aber ich weiß ihn trotzdem sehr zu schätzen, auch wenn er immer stirbt. Wow, die Story muss ich erst mal verdauen.
Aber lass uns zurück zu meinem Interview-Skript kehren.
Divinity ist ein Befreiungsschlag
Nach dem massiven Erfolg von Baldur’s Gate 3, wo ihr euch an das D&D-Regelwerk halten musstet, wie befreiend und vielleicht auch einschüchternd ist es, mit Divinity zu eurem eigenen Baukasten zurückzukehren, wo ihr im Grunde jede Regel des Universums selbst festlegt?
Swen Vincke: Es fühlt sich gut an. Das ist extrem befreiend. D&D ist ein gutes System für ein Tabletop-Spiel, aber es war schwierig, es auf ein Videospiel zu übertragen. Ich glaube, wir haben das ganz gut hinbekommen, aber es war ursprünglich nie dazu gedacht, in einem Videospiel zu sein. Jetzt können wir wieder etwas gestalten, was von Anfang an für ein Videospiel konzipiert ist. Wir können das zugänglicher gestalten, leicht zu lernen und schwierig zu meistern, so wie es sein sollte.
Als ich eine Version des ersten Combats spielte und Features nutzte, über die wir jetzt noch nicht reden, war meine erste Reaktion: Das ist so viel besser als jeder Kampf, den ich je in Baldur’s Gate 3 gespielt habe. Das lag vor allem daran, dass man kein Vorwissen braucht und sich alles einfach natürlich anfühlt.
Es geht mir nicht darum, Baldur’s Gate 3 jetzt kleinzureden.
Ich bin sehr stolz auf das Spiel. Aber man kann irgendwo erahnen, dass wir hier ein Spiel mit einem Regelset gestalteten, das nicht für ein Videospiel ausgelegt ist. Niemand bei gesundem Verstand würde da jede einzelne Klasse unterschiedlich machen mit Bonus-Aktionen, Spellslots und dich jedes Mal ein komplett neues System lernen lassen, wenn du einen neuen Companion rekrutierst. Ich bin glücklich, dass wir das jetzt nicht mehr machen müssen.
6 Jahre Entwicklungszeit für Baldur’s Gate 3 waren zu lang
MeinMMO: Das kann ich mir gut vorstellen. Es gibt eine Sache, die habe ich mich schon seit dem Release von Baldur’s Gate 3 gefragt. Es war klar, dass euer nächstes Projekt ein sehr ambitioniertes Spiel werden würde. Ich habe eine große Sorge, und das ist die Möglichkeit, dass Larian völlig größenwahnsinnig wird, ohne externen Druck, der euch zurückhält. Swen, wie gehst du als Studioleiter aktiv damit um? Was hält Larian auf dem Boden?
Swen Vincke: Ich glaube, du unterschätzt, wie laut mein Team sein kann. Wir sind auf jeden Fall ehrgeizig und wollen bessere Spiele als zuvor machen. Aber keiner von uns möchte ein Spiel machen, dessen Entwicklung 6 Jahre dauern würde.
Das war zu lang. Wir möchten diesmal schneller sein. Aber wir möchten uns verbessern und trotzdem große Spiele machen. Einige Interviewer haben mich gefragt, ob ich glaube, dass Spiele heutzutage kürzer sein sollten. Und ich habe gesagt, dass es natürlich einen Raum dafür gibt, aber es gibt auch viele Leute wie uns, die möchten, dass jemand diese großen Spiele macht. Das ist so, wie einige Filme im Kino gesehen werden müssen, die man auch nicht im Fernsehen findet. Wir definieren uns als Kino-Entwickler – es dauert Zeit, diese Spiele zu machen.
Wie stoppen wir uns jetzt davor, größenwahnsinnig zu werden? Wir werden uns wohl selbst beherrschen müssen, denke ich. Es ist ein großes Team mit vielen Meinungen. Ich vertraue darauf, dass sie laut werden, wenn es zu viel wird.
MeinMMO: Weißt du, das ist vielleicht auch etwas unhöflich zu sagen, aber ich empfinde dich mit deinem Lebensweg schon irgendwo als größenwahnsinnig.
Swen Vincke: Meinst du wirklich? Ich meine, es hat uns 30 Jahre gekostet, da zu sein, wo wir jetzt stehen. Wir haben das Stück für Stück aufgebaut. Ich meine, es gab größere Sprünge mit jedem Spiel, aber ich glaube nicht, dass wir zu hoch gesprungen sind.
MeinMMO: Nein, aber ich glaube, du hast immer eine sehr große Vision im Kopf gehabt, auf die du hingearbeitet hast. Auch, wenn du auf dein Leben schaust. Wir haben darüber damals in Gent gesprochen, dass es Zeiten gab, in denen du nicht wusstest, wie du das Benzin in deinem Autotank zahlen sollst, und das hat dich nicht gehindert, weiterzumachen. Meine persönliche Meinung ist, dass man schon einen gewissen Hang zum Größenwahn braucht, um an dem Punkt so weiterzumachen und nicht zu sagen, dass es jetzt Zeit für kleinere Brötchen ist. Verstehst du, was ich meine?
Swen Vincke: Ja, ich glaube schon. Die Ansicht ist fair. Ich habe mich selbst nicht als größenwahnsinnig empfunden. Aber ich liebe es, nach den Sternen zu greifen, das auf jeden Fall.
Mehr Handlungsspielraum für Divinity bieten, bedeutet effizienter werden
MeinMMO: Sprechen wir über die gelernten Lektionen. Was ist die wichtigste einzelne Lernerfahrung aus der Entwicklung von Baldur’s Gate 3 – sei es technisch, im Design oder bei der Community-Interaktion – die ihr absolut in Divinity übernehmen werdet?
Swen Vincke: Um deine vorherige Frage noch mit einzubeziehen: Wir haben viel darüber gelernt, unsere Philosophie zu verfolgen und zu sehen, wie viele Dinge wir tun können. Das sind sehr große, cinematische Games.
Cinematics kommen mit sehr hohen Kosten. Ich glaube, wir sind sehr viel besser darin geworden, einzuschätzen, wie viele Cinematics wir erstellen können. Das können wir jetzt auch schon besser einbeziehen, wenn wir das Skript schreiben, ohne die Narrative zu verlieren – und das ist der schwierige Teil. Es ist leicht, ein Cinematic zu planen, aber es ist nicht leicht, mit etwas zu planen, wo es so viel Handlungsspielraum wie in unseren Spielen gibt. Eins unserer Ziele ist, den Handlungsspielraum noch zu erhöhen. Wir sind besser darin geworden, diese Balance zu finden. Das ist sehr wichtig, um so große Spiele überhaupt machen zu können, wie wir es tun.
Das besser zu verfolgen und in unsere Entwicklungs-Pipeline zu geben, war wichtig für uns zu lernen und das auch weiter zu optimieren. Es geht auch darum, schneller damit zu werden, einen Schauspieler ins Studio zu holen und seine Performance ins Spiel zu bringen. Das hat uns mal drei Wochen gekostet und jetzt können wir das in zwei Stunden. Das sind die Dinge, in die wir auch stark investiert haben. Wir sind noch nicht ganz da angekommen, aber wir sind schon sehr nah dran.
Und das ist, was wir im Wesentlichen versuchen, für unsere komplette Pipeline umzusetzen. Wenn man etwas verändert, möchten wir innerhalb von zwei Stunden den Effekt davon im Game sehen können.
MeinMMO: Ich erinnere mich, dass du mal sagtest, dass es wichtig für dich ist, dass etwas auch in dein Spiel schafft, das nur eine ganz kleine Prozentzahl sehen würde. Ist das etwas, das sich jetzt für dich geändert hat, wenn man die Kosten der Cinematics mit berücksichtigt?
Swen Vincke: Nein, ganz im Gegenteil. Das ist auch mit einer der Gründe, warum wir so stark an der Effizienz arbeiten. Wir wollen keine Kompromisse eingehen. Je effizienter deine Pipelines sind, umso besser wird das Spiel und umso mehr Entscheidungsfreiheit kannst du dem Spieler geben.
Wir arbeiten auch mit einer neuen Version unserer Engine. Das ist Engine Nr. 5, und die erlaubt eine stark automatisierte Pipeline. Dadurch können wir banale Aufgaben reduzieren, wie irgendwelche Excel-Sheets befüllen. Dadurch haben wir noch stärkeren Fokus auf die eigentliche Spielerfahrung. Wir sind aber noch nicht da, wo das Ganze perfekt und alles wie ein Träumchen läuft.
Die wichtigste Säule für Divinity wird Entscheidungsfreiheit
MeinMMO: Ja, ich denke, das ist auch extrem wichtig für eure Spiele. Das ist für mich Teil der Larian-Identität, dass man als Spieler so viele Entscheidungsfreiheiten bekommt. Ich gehe mal davon aus, dass das bei Divinity auch der Fall sein wird.
Swen Vincke: Die wichtigste Säule für Divinity ist, die Entscheidungsfreiheiten zu maximieren. Sei es deine Charakter-Identität oder was du während des Combats tun kannst, über die Dialoge, in denen du Entscheidungen treffen musst. Wir möchten, dass ihr das Gefühl bekommt, dass ihr die Story bestimmt und vorantreibt. Wir versuchen, euch dafür die größte Sandbox zu schaffen, die wir euch mit unseren Mitteln geben können, und zu experimentieren.
Ich habe mir gestern etwas im Spiel angesehen und war in der Lage, mehrere Sachen miteinander zu kombinieren, und das war einfach nur schön, weil ich sehen konnte, wie alles ineinanderklickt. Ich saß davor frei nach dem Motto: Ich kann nicht glauben, dass ich das gerade machen kann und jetzt das auch noch. Das ist einfach ein fantastisches Gefühl, das mir viel Freude gibt.
Genau das ist, was wir für euch kreieren möchten – und das ist eine Menge Arbeit, weil wir jeden einzelnen dieser Momente bauen müssen. Aber wir werden besser darin. Ich kann sehen, dass das Team so viel von Baldur’s Gate 3 und DoS 2 gelernt hat.
MeinMMO: Ich habe bereits gefragt, was ihr von Baldur’s Gate 3 behalten möchtet. Aber ich glaube, es ist auch interessant, über Divinity selbst zu sprechen. Das ist euer eigenes Baby. Also gleiche Frage hier: Was wollt ihr definitiv von der Divinity-Reihe behalten?
Swen Vincke: Es gibt eine Menge an mechanischen Sachen, die ich jetzt noch nicht beantworten will. Ich möchte das Gameplay erst besprechen, wenn wir es auch zeigen können. Ich glaube, das, was Divinity ausmacht, ist auch das, was wir in BG3 übertragen haben. Ein Gefühl von Entdeckerdrang. Du sollst nicht an eine bestimmte Reihenfolge gebunden sein, sondern einfach loslaufen können. Schau einfach, was interessant für dich aussieht, und das Game fängt dich genau da auf, wo du gerade bist. Das ist für mich der wichtigste Teil.
Ich glaube, das System von Divinity ist außerdem ziemlich cool. Divinity: Original Sin 1 war das erste Spiel, was damals Teleportation auf Level 1 erlaubt hat. Und normalerweise, ist das immer ein Zauberspruch für viel höhere Level. Wir haben es einfach an den Anfang gepackt und damit so viele Möglichkeiten zum Experimentieren gehabt. Das sind die Dinge, die wir spannend finden, weil sie dir Freude geben.
Das Problem daran ist, dass wir dir dann auch extrem hochgreifen müssen, um dir auch noch Spaß gegen Ende des Spiels zu geben. Das ist eine Herausforderung.
Nach Release spielt Swen seine Spiele nicht – auch nicht, mit seiner Frau
MeinMMO: Das macht mich glücklich, zu hören. Wenn ich zwischen Baldur’s Gate 3 und Divinity: Original Sin 2 entscheiden müsste, würde ich DoS2 nehmen, weil du einfach so viel mit den Systemen herumspielen kannst.
Das bringt mich zu einer anderen Sache, die ich in euren Spielen wirklich liebe. Ich glaube, im Gegensatz zu Sir Lora, sind wir hier auch der gleichen Meinung. Ich bin heute auf ein Interview von vor 13 Jahren mit dir gestoßen, das du mit dem YouTube-Channel Co-Optimus geführt hast. Da sagtest du, dass Divinity: Original Sin 1 nur ein Koop-Spiel geworden ist, weil du ein CRPG mit deiner damaligen Freundin spielen wolltest, mit der du heute verheiratet bist.
Planst du, Divinity wieder mit deiner Frau zu spielen?
Swen Vincke: Das habe ich niemals getan.
Es gibt ein Problem, das ich habe. Ich kann die Spiele nicht mehr sehen, sobald sie ihren Release hatten. Ich habe nicht ein einziges unserer Spiele gespielt, nachdem sie herausgegeben waren. Das liegt daran, dass ich nur die Fehler sehen kann. Sie tun mir also weh. Sie bezieht sich auch immer auf diese Interviews.
Sie spielt die Games, und zwar mit unseren Kindern. Die Jungs wollen aber immer viel schneller durchkommen, als sie hinterherkommt. Das einzige, was ich jemals gemacht habe, war Arena aus DoS2 mit meinen Söhnen zu spielen. Und das war das einzige Mal, dass ich unsere Spiele mit meiner Familie gespielt habe. Ich spiele andere Games mit ihnen. Ganz zu meiner Schande.
MeinMMO: Das kann ich nachfühlen. Ich male gerne in meiner Freizeit und habe Schwierigkeiten, meine eigenen Bilder aus den gleichen Gründen aufzuhängen. Aber manchmal ist es gut, wenn man das einfach macht und alles an ihnen akzeptiert. Also solltest du deiner Frau vielleicht mal den Gefallen tun. Zumindest einmal.
Swen Vincke: Ich habe schon oft drüber nachgedacht und dann kann ich einfach nicht. Ich bin noch nicht so weit. Aber ich vergesse auch viele Sachen, die in unseren Spielen stecken. Vielleicht muss ich nur lang genug warten, dass ich alles vergessen habe, und dann wird es gehen.
Die Definition von Erfolg liegt in der Schuh-Kampagne
MeinMMO: Ich wünsche dir wirklich sehr, dass du da irgendwann über deinen Schatten springen kannst. Du verpasst wirklich was. Darf ich dir mal ein Beispiel von einer meiner Koop-Kampagnen in Baldur’s Gate 3 geben?
Wir hatten mal eine bescheuerte Heimregel, dass du im Camp nackt sein musst, aber deine Schuhe anbehalten darfst. In unseren Rollenspiel-Gehirnen, war es logisch, dass du zumindest Schuhe brauchst, wenn du mal schnell wegrennen musst. Du hast keine Ahnung, welches Monster das erschaffen hat. Schicke Schuhe waren plötzlich ein Statussymbol. Alle wollten natürlich dann die schönsten Schuhe für das Camp haben, was Looting sehr chaotisch machte.
Das ist die Art von Chaos, die ich in euren Spielen brauche!
Swen Vincke: Ich habe nicht gesagt, dass ich sie nicht im Koop spiele. Nur nicht, wenn sie veröffentlicht sind. Dann habe ich schon für Tausende Stunden gespielt. Ich bin vielleicht sogar derjenige, der sie bis zum Release am meisten spielt.
Ich habe allerdings noch nie von einer Schuh-Kampagne bisher gehört. Das werde ich mir merken.
MeinMMO: Eine Sache, die mich noch brennend interessiert. Einmal die kommerziellen Verkaufszahlen ignoriert: Was müsste passieren, damit ihr beide Divinity etwa sechs Monate nach der Veröffentlichung ansehen und selbstbewusst erklären könnt: „Das war ein echter Erfolg für Larian?“
Swen Vincke: Zu hören, wie Leute von ihrer Schuh-Kampagne erzählen.
Das ist, wofür wir das machen. Wenn wir Leute hören, wie sie von ihren Kampagnen erzählen, und sie haben alle andere Erfahrungen gemacht und unterschiedliche Charaktere gespielt, dann wissen wir, dass wir erfolgreich waren. Deine Story ist eine von vielen, die ich gehört habe, und keine ist wie die andere. Das gibt mir das Selbstvertrauen zu sagen, dass wir erreicht haben, was wir erreichen wollten.
MeinMMO: Ich meine, ihr habt auch bei den Game Awards den Preis für Community Support jetzt zum dritten Mal in Folge gewonnen.
Swen Vincke: Das hat mich super glücklich für das Team gemacht. Sie stecken so viel Mühe und Arbeit da rein. Ich glaube, die Leute unterschätzen auch, wie hart es eigentlich ist, ein Spiel weiterhin zu supporten, wenn es erst einmal veröffentlicht ist.
MeinMMO: Baldur’s Gate 3 ist hier auch ein gewisses Einhorn, muss man sagen. Wir schreiben auch immer noch viele Artikel zum Spiel, und die Leute lesen es immer noch gerne, sei es coole Community-Stories oder wie man seinen Build optimieren kann. Sogar nach drei Jahren reden die Leute noch über Baldur’s Gate 3. Das ist schon was Besonderes für ein C-RPG. War das eigentlich eine Überraschung für euch?
Swen Vincke: Das fühlt sich unglaublich belohnend an. Das bedeutet für mich, dass man sehen kann, dass wir besser in dem werden, was wir tun. Unsere Spielerzahlen sind pro Spiel immer weiter gestiegen, was bedeutet, dass wir Spieler immer besser von uns überzeugen konnten. Das zeigt die Evolution des Teams. Sie sind so ziemlich am Höhepunkt ihres Handwerks, weshalb ich sehr hohe Hoffnungen für unser neues Spiel habe.
Niemand von uns hat erwartet, dass Baldur’s Gate 3 für so viele Jahre gespielt werden würde. Wir dachten damals, wir haben einen Monat, und dann kommt Starfield. Wir dachten, das wäre das maximale Leben, das unser Spiel haben würde. Das jetzt drei Jahre später so zu sehen, ist eine riesige Erleichterung.
Der ultimative Wunsch für das neue Divinity
MeinMMO: Was bedeutet Divinity dir eigentlich persönlich? Was ist der Motor, der dich antreibt? Ich meine, ja, Baldur’s Gate 3 ist ein großartiges Spiel und wird dich bestimmt auch emotional berühren. Aber die Divinity-Serie ist das, was du die Jahre vorher gemacht hast. Das ist dein Baby.
Swen Vincke: Das ist eine wirklich gute Frage. Da habe ich nie drüber nachgedacht. Ich meine, ich weiß, wie alles begann. Ultima 7 war die größte Inspiration. Ich wollte etwas Ähnliches erschaffen. Unsere ersten beiden Spiele waren ein Reinfall, das erste Divinity war dann der dritte Versuch.
Ich glaube, seither ist alles ein Versuch gewesen, Rollenspiele zu verbessern. Divinity wird das Ergebnis von allem sein, was wir in den Jahren gelernt und versucht haben, ist meine Hoffnung. Jetzt auch mit Cinematics, wie wir sie in BG3 hatten.
Wenn du all das aus den letzten 30 Jahren in ein Spiel steckst, kann das bedeuten, dass es spektakulär durchfallen wird oder spektakulär gelingen. Ich hoffe natürlich auf Letzteres.
Ultimativ hoffe ich, es wird genau das, was ein Rollenspiel sein sollte. Und das ist für mich sehr simpel: Du solltest in der Lage sein, zu tun, was auch immer du willst, und die Welt sollte darauf reagieren. Und das Ganze sollte durch eine gute Narrative motiviert sein.
Das ist, was Divinity mir bedeutet.
MeinMMO: Das ist eine wirklich schöne Antwort, die mich gerade freudig aufgeregt macht.
Swen Vincke: Vielleicht wirst du es auch hassen, wenn es keine Eichhörnchen und Skelettkatzen gibt. Wobei, es wird vielleicht Eichhörnchen auf einem Scheiterhaufen geben.
Die zweite Säule ist Kontrast
MeinMMO: Jetzt verbrennt die Eichhörnchen doch nicht, nur weil ihr Sir Lora nicht mögt! Die Eichhörnchen sollten nicht dafür bestraft werden.
Zumindest wurden keine Eichhörnchen im Trailer verbrannt, auch wenn es sonst eine Menge zu sehen gab.
Ich liebe wirklich, wie der Trailer visuell ausgesehen hat. Gerade der von dir genannte Kontrast war so deutlich. Der Mann, der verbrannt wird, ist so dunkel, und hat eine blasse Farbgebung herum. Das feiernde Volk hat so kräftige Farben und ist nahezu in goldenen Schimmer gehüllt.
Swen Vincke: Ja, du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Denn Kontrast ist die zweite Säule des Spiels.
MeinMMO: Dann habt ihr das wirklich gut rübergebracht. Denn der Kontrast war das Erste, was mir aufgefallen ist. Dann bin ich noch länger beim Mann hängen geblieben. Ich bin mir nicht mal sicher, ob er wirklich ein Opfer darstellen soll.
Swen Vincke: Ich kann dir auf jeden Fall erzählen, wer die Inspiration dafür war. Es ist Adam Smith, mein Writing Director.
Die erste Version war der klassische, amerikanische Held. Und da meinte ich sofort, dass wir das nicht machen werden. Ich sagte zum Team, macht, dass er mehr wie Adam aussieht.
Bei den Game Awards war er auch als Lizard kostümiert.
MeinMMO: Ja, ich habe Fotos davon online gesehen, dass mehrere von euch Masken getragen haben. Bei der Statue, die ihr aufgestellt habt, habe ich sogar vor dem Reveal schon mal an euch gedacht, weil ich einen Bären in der Statue gesehen hatte.
Swen Vincke: Der Bär hat tatsächlich eine mehrschichtige Bedeutung. Du wirst verstehen, was ich damit meine, wenn du es siehst. Es ist mehr, als du gerade denkst.
MeinMMO: Ich glaube, das ist der perfekte Abschluss für dieses Interview. Vielen Dank für deine Zeit, Swen.
Der Beitrag Larian-Chef Swen Vincke im Interview: „Ich hasse das Eichhörnchen“ – und über die große Freiheit für Divinity nach Baldur’s Gate 3 erschien zuerst auf Mein-MMO.
