Call of Duty: Modern Warfare 2 – im Klassik-Test (PS3 / 360)

Seite 1

Spiel:Call of Duty: Modern Warfare 2Publisher:ActivisionDeveloper:Infinity WardGenre:Ego-ShooterGetestet für:360, PS3Erhältlich für:360, PS3USK:18Erschienen in:1 / 2010

Die Marketing-Maschinerie rund um die Veröffentlichung von Modern Warfare 2 läuft unaufhaltsam wie ein Abrams-Panzer der US-Army und beschert ­Activision den bis dato erfolgreichsten Verkaufsstart eines Videospiels: Rund 5,5 Millionen Einheiten für Xbox 360 und 3,3 Millionen für PS3 wurden in der ersten Woche abgesetzt. Dass das Spiel in Russland inzwischen wegen ­moralisch fragwürdiger Inhalte aus dem Handel verschwand, dürfte den Hersteller wohl kaum stören.

Im Verlauf der rund siebenstündigen Kampagne schlüpft Ihr abwechselnd in die Haut dreier tapferer Soldaten, ein Vierter gibt ein kurzes Stelldichein. Regelmäßig springt Ihr deshalb kreuz und quer über den Globus und wechselt dabei permanent die Identität. Das kommt der Vielfalt an Schauplätzen zweifelsohne zugute, der Identifikation mit den Akteuren jedoch nicht. Wen das nicht weiter stört, der verfolgt im Laufe der 18 Abschnitte in drei Akten eine Geschichte, die fast ausschließlich in Zwischensequenzen erzählt wird. Mehr als militaristisches Strategie­gekritzel und markige Sprüche beinharter Männer solltet Ihr während der Ladephasen zwischen den Levels aber nicht erwarten. Obwohl die ­Story im letzten Drittel eine durchaus überraschende Wendung nimmt, hinterlässt sie ­einen aufdringlichen Patriotismus-Beigeschmack.

Als besonders schlagzeilenträchtig erweist sich derzeit die vierte Mission: Begleitet als amerikanischer Undercover-Agent den Oberschurken Makarov, der fünf Jahre nach den ­Ereignissen aus Call of Duty 4: Modern Warfare als neuer Terror-Boss die Zügel in der Hand hält. Zusammen mit Makarov und einigen Gefolgsleuten betretet Ihr schwer bewaffnet einen fiktiven Moskauer Flughafen. In der deutschen Version beobachtet Ihr, wie Eure neuen ­Kameraden wahllos Zivilisten erschießen. Diese Sequenz bildet in puncto Story die Grundlage und Motivation für alle weiteren Ereignisse und kann von sensiblen Naturen optional übersprungen werden, wie das Spiel mehrmals betont.

Gleich zu Beginn der Kampagne ­erfreut ein augenzwinkernder Kniff im Tutorial. Anstatt als ausgebildeter Elitesoldat selbst die grundlegenden Handlungen wie Ducken oder Zielen erlernen zu müssen, führt Ihr sie Rekruten vor. Anschließend bestimmt Ihr anhand eines Hindernislaufs wie im Vorgänger den optimalen Schwierigkeitsgrad und wagt einen ersten Einsatz in Afghanistan. Die famose Steuerung der letzten ”Call of Duty”-Episoden erlaubt erneut präzises Zielen, eine Hilfe ist optional vorhanden und fokussiert beim schnellen Wechsel zwischen Hüftschuss und Zielfernrohr automatisch den nächsten Gegner.

Seite 2

In den folgenden Spielstunden jagen wir Terroristen und russische Soldaten rund um den Globus und hier zeigt sich Modern Warfare 2 in der Tradition seiner Vorgänger: Während Ihr Euch vorbei an unzähligen Soldaten durch schlauchartige Levels kämpft, lassen die Entwickler ein wahres Inferno auf Euch los. Mit mehr Abwechslung und farblicher Vielfalt als noch in ”World at War” explodiert permanent etwas, Maschinengewehrsalven durchschneiden die Luft, Befehle werden gebrüllt. Die gewohnten 60 Bilder pro Sekunde verleihen dem Spiel zwar ein mitunter steriles Flair, dafür saust der virtuelle Krieg rasant über den Bildschirm und leistet sich auf beiden Systemen nur selten Ruckler.
Nach dem spielerisch belanglosen Flughafen-Level spaltet auch unser Ausflug in die brasilianische Favela die Gemüter in der M!-Redaktion. Als Trefferrückmeldung spritzt Euch nämlich dermaßen viel virtuelles Blut ins Gesicht, dass Ihr schon nach ein bis zwei Treffern blind herumirrt und nach Deckung sucht, um Euch zu regenerieren. Da gleichzeitig Gegnerwellen von allen Seiten anrücken, sterben wir zahlreiche unfaire Tode. Immerhin darf der Schwierigkeitsgrad jederzeit nach unten angepasst werden.

Ab der zweiten Hälfte kehren die Entwickler zur alten Form zurück und überraschen mit ausgefallenen Schauplätzen. Egal, ob Ihr auf einem verschneiten Rollfeld mit Herzschlagsensor unterwegs seid, einen russischen Gulag vom Helikopter aus unter Beschuss nehmt oder in einer abgelegenen Berghütte ein Satellitensystem verteidigt: Eure Widersacher sind kaum mehr als dumme Schießbuden­figuren, doch der Reiz von Modern Warfare 2 entsteht durch das hohe Spieltempo und die Nonstop-Action mit zahlreichen gescripteten Ereignissen. Neben den intensiven Gefechten lässt es das Spiel in Scharfschützen-Missionen ­ruhig angehen, hektisch sind hingegen auch die neuen Geisel­befreiungen auf einer Bohrinsel, die Ihr in ­schicker Zeitlupe meistert: Sprengsatz an die Tür, Deckung, rums! Während sich der Rauch lichtet, schaltet Ihr anschließend Schurken aus, ehe diese ihre Gefangenen erschießen können. Tolle Idee, Infinity Ward, warum nicht mehr davon?

In der Spezialeinheit absolviert Ihr alleine oder zu zweit, per Splitscreen oder online, 25 ­knackige Missionen, die es zum Teil nicht ins Spiel geschafft haben. Eine Aufgabe orientiert sich zudem an der AC-130-Flugmission des Vorgängers, der Sniper-Ausflug nach Tschernobyl kehrt ebenfalls zurück. Ansonsten schaltet Ihr anrückende Gegnerwellen aus, eliminiert Feinde möglichst schnell oder schleicht gegen die Zeit, um Euren eigenen Rekord zu brechen. Leider gibt es keine Ranglisten, auf denen Ihr Eure Leistung interna­tional vergleichen dürft.

Seite 3

Im Mehrspieler-Modus bleibt ­Modern Warfare 2 dem erfolgreichen Konzept des Vorgängers treu und feilt an Details. Bis zu 18 Konsolenkrieger treten gegenei­nander in mehr als einem Dutzend Matchvarianten an: Zu den Standards wie ­Deathmatch oder Domination gesellen sich überraschend auch zwei Disziplinen, bei denen Ihr in Third-­Person-Ansicht durch die Maps hetzt.

Jeder Abschuss und jede Runde bringen Erfahrungspunkte, durch den Levelaufstieg schaltet Ihr stetig neue Belohnungen frei. Dafür braucht Ihr nun mehr Zähler, die fließen aber dank frischer Kriterien schneller: So ­erhaltet Ihr beispielsweise mehr Punkte, wenn Ihr ­einen Feind ­erwischt, der Euch zuvor gemeuchelt hat (”Rache”) oder eine ­Todesserie Eurerseits beendet (”Comeback”). Vertraut sind hingegen die Möglichkeiten, mit ausreichend ­Erfahrung eigene Charakterklassen zu erstellen oder durch das Erfüllen waffen- ­beziehungsweise tätigkeitsspezifischer Herausforderungen zusätzliche ­Erfahrung zu sammeln.

Erstmals gewinnt Ihr zudem ähnlich wie bei Street Fighter IV hunderte von Grafikbannern und Icons, mit denen Ihr eine Plakette verziert und damit Eure individuelle Online-Persönlichkeit erschafft. Weitere ­Änderungen: Mit ausreichend hohem Erfahrungslevel schaltet Ihr zusätzliche Kill­streak-­Belohnungen frei und legt fest, welche drei während eines Matches ergattert werden können. Um etwa den Atomschlag zu nutzen, braucht Ihr stolze 25 Abschüsse in Serie. Selbst wenig erfolgreiche Spieler werden getröstet: Erwischt es sie mehrfach, winken zeitweilig hilfreiche Zusatz-Perks, die unter anderem eine robustere Gesundheit nach dem Neueinstieg spendieren. Praktischerweise dürft Ihr Nachschub­kisten ordern, in denen unter Umständen auch höherrangige ­Fähigkeiten schlummern.

All das gilt auch für Splitscreen-­Duelle und Schlachten im lokalen Netzwerk: Anders als früher sammelt Ihr hier jedoch eigene Erfahrungspunkte, bereits erreichte Boni aus dem Online-Modus werden nicht übernommen. Außerdem müsst Ihr Euch hier von den 60 Bildern pro ­Sekunde verabschieden: Versammeln sich vier Krieger vor der Glotze, sinkt die Bildrate auf die Hälfte, was aber noch gut genug für heiße Schlachten ist.

 

Meinung

Michael Herde meint: Die Story-Kampagne enttäuscht mich: Der Blut­effekt bei Treffern nervt und lässt sich im Optionsmenü nicht abstellen. So zwingt mich das Spiel, entweder den Schwierigkeitsgrad zu senken oder permanent zum Heilen in Deckung zu kauern, was den Spielfluss bremst. Generell lässt die erste Hälfte die Wucht des Vorgängers vermissen und wirkt teils bemüht abwechslungsreich, teils schlecht gemacht. Die Favelas sind ein toller Schauplatz, spielen sich in Verbindung mit dem ätzenden Blutfilter aber frustrierend. Später nimmt der Shooter an Fahrt auf und überrascht mit imposanten Schauplätzen und tollen Ideen. Dennoch: Der Reiz des Neuen ist verflogen und hinter der fetzigen Hülle offenbart das HD-Moorhuhn sein seichtes Gemüt. Dafür gefallen mir die großen Levels, der ’Spezialeinheit’-Modus sowie der Online-Part umso besser.

Matthias Schmid meint: Zwei Jahre Wartezeit auf ein neues Modern Warfare haben sich gelohnt. Geschmacklosigkeit hin, Hurra-Patriotismus her – Teil 2 ballert den Staub aus den Boxen und die Ego-Shooter-Konkurrenz von der Bildfläche. Zumindest in puncto Inszenierung und Steuerung: Während Ihr Ölplattformen infiltriert und Burgerläden zu Schutt ballert, flutschen die Kontrollen, dass es eine Freude ist! Wenn Linearität so schön aussieht, dann beschwere ich mich nicht. Auch in spielerischer Hinsicht finde ich – den Schießbudengegnern zum Trotz – einige Abschnitte gelungener als im Vorgänger. Der große Wow-Effekt (”Boah, das wischt mit allen anderen Shootern den Boden auf!“) fehlt aber. Unterm Strich halte ich Modern War­fare 2 gerade wegen der schonungslosen Präsentation für ein mutiges und modernes Stück Unterhaltungssoftware.

Ulrich Steppberger meint: Wie beim ersten Modern Warfare haben mich die Online-Modi gefesselt – so sehr, dass mir die Solo-Kampagne (fast) egal ist. Dass wieder kein echtes Koop-Spiel möglich ist, kann ich verschmerzen, denn die ’Spezialeinheit’-Aufträge taugen als solider Ersatz (auch wenn ich hier Rekordlisten vermisse). So richtig rund geht es, wenn Ihr in die Mehrspieler-Gefechte einsteigt. Die vielen Vorzüge des Vorgängers wurden konsequent ausgebaut: Egal, ob mehr Perks, Killstreak-­Belohnungen und Herausforderungen oder die Möglichkeit, den eigenen Charakter noch flexibler zu modifizieren – alles passt und sorgt dafür, dass der Ballerspaß über Wochen anhält. Ein besonderes Lob gibt es von mir dafür, dass auch schlechtere Schützen durch ein paar kluge Goodies zu vereinzelten Erfolgen kommen.

Wertung

3 Spielmodi: Kampagne, Spezialeinheit, Mehrspieler inkl. Vierspieler-Splitscreen
Hardened und Prestige Edition erhältlich

Der Mehrspieler-Modus motiviert Anfänger wie Profis gleichermaßen, Solisten erleben ein kurzes, umstrittenes Vergnügen.

SingleplayerMultiplayerGrafikSound

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *