Idle Games werden häufig nur belächelt, dabei hat das Genre mehr zu bieten, als die meisten glauben

Idle Games werden oft nicht wirklich ernst genommen. Doch das völlig zu Unrecht, findet MeinMMO-Autorin Linda Baumgartl. Das Genre fasziniert sie wie kaum ein anderes, und hilft ihr sogar beim Lernen. 

Alles begann als Witz. 2002 veröffentlichte der Entwickler Eric Fredricksen ein Spiel namens Progress Quest, das heute als erstes Idle Game gilt. Die Inspiration waren klassische MMORPGs, vor allem das Spiel EverQuest. In MMORPGs jagt man bekanntlich immer besseren Charakter-Werten, immer besserem Loot und immer höher werdenden Zahlen hinterher. Und das selbst dann, wenn die Quests eher generisch und das Kampf-System automatisiert sind.

Das wollte Fredricksen auf die Spitze treiben.

In seinem Spiel konnte man nichts weiter tun, als einen Charakter anzulegen. Danach spielte sich das Spiel völlig alleine. In einem einfachen Textmenü konnte man zuschauen, wie der Charakter levelt, Quests abschließt und Items sammelt. Weiter nichts.

Doch es kam wie es kommen musste: Leute fanden an diesem Spiel, das ja eigentlich nur eine Parodie sein sollte, tatsächlich Gefallen. In den kommenden Jahren erschienen dann immer mehr solcher automatischen Spiele, häufig ebenfalls mit satirischem Charakter. Irgendwann gab es sogar eine Parodie auf die Parodie, Anti-Idle, in dem es einfach darum ging, etwas zu tun.

Den Durchbruch erreichte das Genre dann 2013 mit Cookie Clicker, das bis heute eines der erfolgreichsten Idle Games auf dem Markt ist.  

Spiele ohne Spielen – Was soll das?

Bevor wir uns anschauen, was an Idle Games so interessant ist, sollten wir erst einmal klären, was das überhaupt ist. Idle Games (zu dt. so viel wie „Leerlauf-Spiele“), auch Clicker Games genannt, sind grob gesagt Spiele, in denen Fortschritt passiert, ohne dass eine Interaktion vom Spieler nötig ist. Typische Merkmale sind:

Automatischer Fortschritt: Das Spiel generiert automatisch Ressourcen. Häufig sogar, wenn das Spiel geschlossen ist.

Einfache Mechaniken: Die Spieler-Interaktion sind sehr simpel und beschränken sich oft auf stumpfes Klicken. 

Upgrades: Spieler können Upgrades erwerben, um mehr Ressourcen zu generieren und im Spiel voranzukommen.

Große Zahlen: Typisch sind auch enorm hohe Zahlen, die exponentiell in die Höhe schießen.

Selbst wenn Spieler also grundlegend mit dem Spiel interagieren können, liegt der Sinn von Idle Games darin, sie nebenher laufen zu lassen. Das „Gameplay“ besteht also im Grunde aus Warten.

Aber warum spielt man ein Spiel, das man spielt, indem man nicht spielt? Das klingt irgendwie ein bisschen widersprüchlich. Ich persönlich finde jedoch gerade diesen Aspekt so interessant. Andere Spiele haben die Möglichkeit, mit Dingen wie Grafik, Charakteren, Story, actionreichem Gameplay oder großen Spielwelten zu überzeugen. In Idle Games gibt es das in der Regel alles nicht. Sie sind die Essenz von Videospielen, der kleinste gemeinsame Nenner, der übrigbleibt, wenn man alles andere wegstreicht. Ein gutes Idle Game schafft es, ohne viel Schnickschnack fesselnd zu sein. Mit simplen Mechaniken, die trotzdem Spaß machen.

Ein Klick, ein Keks – einfacher geht es kaum.

Aber warum funktioniert das überhaupt? Einfach gesagt: Weil Menschen Belohnungen lieben. Sobald wir im Spiel eine Belohnung erhalten, schüttet unser Gehirn Dopamin aus, wir fühlen uns gut und sind motiviert, weiterzuspielen. Idle Games triggern unser Belohnungssystem quasi permanent und ohne Risiko. Denn anders als in vielen anderen Spielen gibt es kaum Möglichkeiten zu scheitern. Der Fortschritt läuft immer automatisch weiter.

Man könnte also denken, dass Idle Games primär von „Gelegenheitsspielern“ gespielt werden, die mit Gaming sonst nicht viel am Hut haben. Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall (via quanticfountry.com). Vor allem Menschen, die ohnehin viel zocken, scheinen eine Affinität zu Idle und Clicker Games zu haben. Wir lieben es einfach, Zahlen beim Wachsen zuzuschauen. Mehr Stats, mehr Ressourcen, mehr Fortschritt! Für den Dopamin-Kick ist unserem Gehirn dabei sogar relativ egal, ob wir uns sie Belohnung durch aktives Tun verdient, oder einfach so präsentiert bekommen.

Perfekt für Gamer mit wenig Zeit

Egal ob wegen Schule, Ausbildung, Studium, Beruf oder Haushalt – wir alle kennen vermutlich das Gefühl, einfach nicht genug Zeit zum Zocken übrigzuhaben. Hier liegt für mich der mit Abstand größte Vorteil von Idle Games. Sie machen Spaß, ohne zu viel Zeit zu kosten.

Natürlich kann man auch viele andere Spiele öffnen, fünf Minuten spielen, und dann wieder schließen. Aber meist kommt man dann nicht besonders weit und ist schnell frustriert. Idler hingegen sind gerade darauf ausgelegt, nur in kurzen Etappen gespielt werden zu können. Ich muss nicht tagelang grinden, um den nächsten großen Erfolg zu erzielen. Ich kann einfach warten, meinen Pflichten nachgehen und mich dann beim nächsten Login darüber freuen, ein fettes neues Upgrade zu kaufen.

Versteht mich jetzt bitte nicht falsch. Ich liebe es aktiv zu zocken. Und ich liebe grindy Spiele. Aber ich finde es trotzdem toll, eine Alternative zu haben, wenn ich mal nicht so viel Zeit aufbringen kann oder möchte. Mit ihrer Flexibilität eignen sie sich darüber hinaus perfekt als Handy-Spiel für unterwegs. Auf der Bahnfahrt kurz seinen Fortschritt checken, ein paar Upgrades kaufen und die App an der nächsten Haltestelle wieder schließen – alles kein Problem.

Viele Idle Games bieten heute außerdem deutlich mehr Inhalt, als man es vielleicht erwarten würde. Nicht selten dachte ich, ich hätte einen Idler komplett durchschaut, nur um plötzlich eine neue Ebene präsentiert zu bekommen, die alles über den Haufen warf. Auch müssen wir uns heute nicht mehr damit begnügen, passiv ein paar Balken zu beobachten. Es gibt Spiele mit Level-Bäumen, Charakterklassen, zahlreichen Item-Builds, Quests und Herausforderungen. All das zu erforschen, zu managen und freizuschalten kann einen durchaus auch für längere Zeit aktiv beschäftigen. Nur das längere Grinden passiert dann eben automatisch.

In Idle Wizard könnt ihr verschiedene Klassen spielen, die andere Herangehensweisen fordern.

Idle Games helfen mir sogar beim Lernen

Vielleicht habt ihr schon mal etwas von Apps und Spielen gehört, die dabei helfen, produktiver zu sein. Das klingt im ersten Moment etwas komisch, aber ich verwende dafür tatsächlich am liebsten „normale“ Idle Games. Konkret funktioniert das System so:

Zunächst braucht ihr ein Idle Game, bei dem ihr manuell Aufgaben zum Ideln an- und ausschalten könnt. Ich benutze dafür am liebsten Melvor Idle.

Die Idee ist, dass ihr das Spiel nur laufen lassen dürft, während ihr lernt bzw. der Aufgabe nachgeht, zu der ihr euch motivieren wollt. Sobald ihr nicht mehr produktiv seid, müsst ihr auch das Ideln pausieren.

Mich hat dieses System durch einige unliebsame Klausuren gebracht, bei denen es mir sonst schwergefallen ist, mit dem Lernen anzufangen. Bei längeren Lern-Sitzungen bietet es sich außerdem an, immer nach einer gewissen Zeit Pause zu machen, in der man dann den Fortschritt im Spiel begutachten kann. Dadurch bekommt man direkt einen Belohnungseffekt für seine Arbeit, was gerade beim Lernen sehr hilfreich ist, da hier die Belohnung (gute Note) sonst erst viel später eintreten würde.

Mehr zum Thema

Mehr zum Thema
Wie ich eine bessere Studentin wurde, weil ich viel zu viel auf Twitch rumhänge

von Johanna

Mehr zum Thema
KI soll Studium und die Uni kaputt machen, doch ein Professor sagt: Die Uni war schon immer kaputt

von jan hartmayer

Mehr zum Thema
MMO spielt für euch, während ihr offline seid – Fans sagen „Kann’s kaum erwarten morgen wieder reinzuschauen“

von Jakob Gerden

Viele Schätze, aber leider auch viel Müll

Wie in jedem Genre gibt es natürlich auch bei Idle Games gute und eher nicht so gute Vertreter. Gerade im Mobile-Bereich wirken viele Idler leider wie ein liebloser Versuch, mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel Geld durch Mikrotransaktionen zu verdienen. Viele Titel sind zum Glück erstmal kostenlos oder recht günstig zu erwerben. Man kann also zumindest ohne große Verluste Spiele antesten. Hier eine kurze Auswahl meiner persönlichen Favoriten:

Bäume fällt man hier per Textbox. (Melvor Idle)

Für die großen Bosse sollte man besser gut gelevelt sein. (IdleOn)

Viele, viele bunte Kreise. (Revolution Idle)

Hier kann man seinen Laden nach Lust und Laune einrichten. (Shop Titans)

Zu meinen persönlichen Favoriten gehören:

Melvor Idle (Steam | Mobile | Webbrowser) : Ein klassisches Fantasy-RPG, inspiriert von RuneScape. Kostenpflichtig, aber dafür keine Mikrotransaktionen.

IdleOn (Steam | Mobile | Webbrowser): Ein MMORPG in Idle-Form, perfekt für alle Fans des Genres. Hat für einen Idler recht viel Interaktion.

Revolution Idle (Steam | Mobile): Zahlen werden höher, bunte Kreise drehen sich schneller, das Gehirn freut sich. Besonders viel Spaß macht es, die Errungenschaften zu knacken, was teilweise gar nicht so einfach ist.

Shop Titans (Steam | Mobile): Hier errichtet ihr euren eigenen Fantasy-Laden. Schönes Setting, es geht allerdings in Richtung „typisches Handy-Spiel“ mit Energie-Begrenzung und Mikrotransaktionen.

Auch den satirischen und kritischen Ton hat das Genre der Idle Games bis heute nicht verloren. Ein besonders gutes Beispiel hierfür ist The Longing. Hier spielt ihr einen Schatten, der tief in einem Höhlensystem haust und 400 Tage lang auf die Rückkehr seines Königs warten muss. Um das zu erreichen, könnt ihr nichts weiter tun, als zu warten – 400 echte Tage lang. Keine Beschleunigung, keine Tricks, keine Abkürzungen. Der Entwickler wollte damit einen Kontrast zu den energiegeladenen und überstimulierenden Spielen setzen, die es heutzutage häufig gibt. The Longing hat es daher auch auf die MeinMMO-Liste der 15 kreativsten und ungewöhnlichsten Spielideen geschafft: Top 15 der ungewöhnlichsten Spiele, die euch mit kreativen Mechaniken überraschen

Der Beitrag Idle Games werden häufig nur belächelt, dabei hat das Genre mehr zu bieten, als die meisten glauben erschien zuerst auf Mein-MMO.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *