Es gibt verschiedene Arten von Horror, die jedoch ein gemeinsames Ziel verfolgen – Unbehagen auszulösen. Doch wieso spaltet das Genre seine Zuschauer so stark und warum kann es, trotz dieses unangenehmen Gefühls, so viele Leute begeistern? Auch MeinMMO-Redakteurin Caro liebt das Genre, da es kaum ein anderes gibt, das sie so bewegen kann.
Man erschrickt, gruselt sich, ist angespannt und kann in manchen Momenten kaum hinsehen oder zuhören. Man wird mit Sachen konfrontiert, die definitiv kein wohliges Gefühl auslösen sollten – und trotzdem entscheiden sich eine Menge von Horror-Fans regelmäßig dazu, genau diesem Gefühl nachzugehen.
Manche tun dies mit Büchern, andere schauen sich Horrorfilme an und weitere begeben sich in Games noch näher in diese grauenhaften Situationen. Doch warum ist das so?
Mancher mag vermuten, dass es eine Vorliebe für das Morbide ist, dass man sich über das Leid von anderen ergötzt und dass Horror-Fans doch einfach Masochisten sind. Ja, vielleicht kann das ein oder andere in manchen Fällen stimmen, doch es gibt psychologische Gründe, wieso sich Menschen so gerne in diese unangenehmen Situationen begeben, und die sind sogar gar nicht so makaber, wie man vermuten mag.
Autoplay
Trotz Angst und Ekel fühlen sich Fans in dem Genre besonders wohl
Obwohl Horrorfilme und -Games negative Gefühle auslösen, sind sie trotzdem sehr beliebt. Ähnlich wie bei tatsächlichen Bedrohungen, aktiviert ein Horrorfilm den Sympathikus, also das System für die nicht willige Steuerung der Organaktivität (Quelle: B. L. Kiss auf Springer Nature): Der Atem wird flach, man ist wachsamer, und das Herz schlägt schneller. Man ist in Alarmbereitschaft.
Verhaltensforscher und Professor Haiyang Yang und sein Kollege Kuangjie Zhang untersuchten die Gründe, wieso viele Menschen es kaum erwarten können, ausgerechnet solch ein Gefühl freiwillig zu suchen (Quelle: carey.jhu.edu).
Neben der körperlichen Stimulation, die durch Angst und die Bewältigung hervorgerufen wird, bietet Horrorunterhaltung die Möglichkeit für neue Erfahrungen, die man in der Realität nur ungern machen möchte. Das Medium ist wie eine Art Sicherheitsnetz, das Zuschauern die Möglichkeit bietet, ihre Neugier nach den dunkelsten Abgründen des Menschseins zu stillen, aber auch die Erfahrung und Bewältigung von grenzwertigen Stresssituationen zu wagen.
Filme und Spiele sind nicht real, man ist als Zuschauer oder Spieler komplett in Sicherheit und hat selbst die Kontrolle und die Entscheidungsfreiheit, sich mit diesen Gefahren und dem Nervenkitzel auseinanderzusetzen. Eine kontrollierte Gefahr, der man sich freiwillig stellt und die man überwinden kann.
Auch Lauri Nummenmaa, Leitung eines Labors für menschliche Emotionssysteme und Neurowissenschaften, unterstützt diese These, doch erklärt, dass das Gefühl der Angst nicht alleine für die Beliebtheit von Horror sorge. „Ein Teil des Vergnügens an Horrorfilmen kommt von der Erleichterung nach der Spannung“, sagt Nummenmaa (via The Scientist). Der Adrenalinstoß nach einer solch körperlichen und emotionalen Erfahrung nach einem Horrorfilm rege das Belohnungszentrum im Gehirn an, was den Wunsch erwecke, den Nervenkitzel erneut zu erleben. „Der Genuss resultiert also oft aus der Tatsache, dass wir diese starken Emotionen tatsächlich in einer sicheren Umgebung erleben können.“
Emotionaler als erwartet – wieso mich Horror noch mehr abholen kann, als andere Genres
Achtung! Milde Spoilerwarnung für P.T. und eine recht ausdrückliche Spoilerwarnung für das Ende von The Substance.
Ich liebe Horror, das kann ich so als Statement stehen lassen, auch wenn – oder vielleicht besonders weil – ich mich verschiedenen unangenehmen Inhalten in einem selbst ausgesuchten Rahmen stellen kann.
Mit unangenehmen Inhalten sind nicht immer nur brutales Gemetzel oder groteske Monster gemeint (versteht mich nicht falsch, beides hat seine Daseinsberechtigung und spaßige Slasher sowie ein heftiges Monsterdesign können mich auch absolut abholen). Es geht um unausgesprochene Tabus, Gefahren der Gesellschaft und schlichtweg Themen, die existenzielle Ängste hervorrufen – und ich danke sämtlichen Horror-Projekten dafür, dass sie mir die Möglichkeit gaben, mich mit ihnen auseinanderzusetzen.
„P.T.“, der interaktive Teaser für das gecancelte, aber niemals vergessene Silent Hills, war eine absolute Grenzerfahrung für mich, die mich jedoch von Anfang bis Ende begeisterte. Ich hasse Jumpscares, ich bin nämlich trotz meiner Liebe für das Genre sehr schreckhaft, aber P.T. spielt mit dem viel schlimmeren Aspekt der Spannung, die mich langsam aber sicher emotional sowie körperlich durch den Fleischwolf jagte.
Wenn ich mich erschrecke, ist der Moment der Angst schnell vorbei. Aber als ich dieses Baby betrachtete und hörte, wie sich hinter mir etwas regte, als sich eine Tür öffnete, aber nichts heraustrat, oder als Lisa einfach da stand und wir uns anstarrten: In diesen Momenten habe ich die Luft angehalten und konnte mich vor Spannung und Angst kaum rühren – und ich liebe P.T. dafür.
Innerlich weiß ich: Es ist ein Spiel, nur ein Spiel, ich kann dieses unangenehme Gefühl jederzeit stoppen, wenn ich es will. Aber ich will es nicht.
Ein Horrorfilm gab mir die emotionalste Kinoerfahrung, die mich bis heute beschäftigt
Das angesprochene Gefühl der Katharsis, das Gefühl des Ausbruchs und der Erleichterung im Horror-Genre, sorgte für eine emotionale Kinoerfahrung, die Cineasten neidisch machen könnte – und die fühlte ich ausgerechnet bei Coralie Fargeats Body-Horrorfilm „The Substance“ aus 2024.
Der Film behandelt, grob zusammengefasst, die Erlebnisse einer 50-jährigen ehemaligen Schauspielerin, die aufgrund der Reaktionen ihres Umfelds, der Branche und ihrer Selbstwahrnehmung mit ihrem Äußeren zu kämpfen hat. Um sich besser zu fühlen, lässt sie sich auf eine experimentelle Substanz ein, die bei Missachtung der Regeln heftige Nebenwirkungen mit sich bringt, die den Körper, aber auch die eigene Identität ordentlich … „durchmischen“.
Die Protagonistin, Elisabeth Sparkle (gespielt von Demi Moore, die durch ihre Rolle in dem Film auch für einen Oscar nominiert wurde), leidet immer mehr unter dem Einfluss der Substanz und den Erwartungen und Reaktionen einer Gesellschaft, in der der Wert von Frauen auf ihr Äußeres reduziert wird.
Als sie am Ende des Films die Früchte ihrer Entscheidungen erntet, und während einer Live-Übertragung als absolute Body-Horror-Monstrosität vor versammeltem Publikum angegriffen wird, konnte ich trotz des ekelhaften Bildes nicht wegsehen.
Die Szene, in der „Monstro Elisasue“ (der Name der mutierten Elisabeth) durch einen abgerissenen Arm beginnt, alle Zuschauer mit einer Fontäne aus Blut zu begießen, löste bei mir – so absurd das jetzt klingt – eine der heftigsten emotionalen Reaktionen aus, die ich jemals durch einen Film erfahren durfte.
Das Adrenalin, die Katharsis, die absolute Eskalation, gemischt mit all den Eindrücken und Gefühlen, die sich bis zu dem Moment aufgestaut haben, alles bricht in diesem Moment aus. Sie werden eingepackt in Brutalität, Wut und so viel Blut, dass man denken könne, es läge ein roter Filter über dem Bild. Ich fühlte mich wie bei einem Finale eines Konzertes, so heftig konnte es mich mitreißen. Bisher hat das noch kein anderer Film, geschweige denn ein anderes Genre hervorrufen können.
(Allerdings war meine Freundin der lebendige Beweis, dass dies nicht für alle Zuschauer zutrifft, denn sie hätte sich am liebsten unter ihrem Kinositz verkrochen.)
In dem Making-of von The Substance könnt ihr sehen, wie diese Szene gemacht wurde – wenn ihr das Video hier startet, werdet ihr direkt an die relevante Stelle geleitet, ohne andere Spoiler zu sehen:
Auch wenn man Gefühle wie Alarmbereitschaft, Angst und Adrenalin nicht direkt mit „Entspannung“ in Verbindung bringt, sind Horrorfilme und -Spiele die Sorte von Unterhaltung, auf die ich mich freue, wenn ich mir einen schönen Feierabend gestalten will. Denn auch wenn sie mich emotional fordern, spüre ich spätestens in den ruhigeren Momenten, dass ich gerade richtig abschalten kann.
Geht es euch genauso? Oder sollte man Horror lieber ganz weit von euch entfernt halten? Teilt es uns gerne in den Kommentaren mit – Vorschläge zu euren Lieblings-Horrorstücken sind ausdrücklich erwünscht!
Ob sich diese Liebe für Horror bereits in meiner Kindheit entwickelt hat, lässt sich schwer sagen, allerdings könnte es an manchen Filmen liegen, die trotz des Labels „Familienfilm“ viel zu viele Kinder verstört haben: Hier sind 10 Filme aus eurer Kindheit, die ihr viel zu früh gesehen habt
Der Beitrag Die meisten fürchten sich bei Horror-Filmen, doch ich kann dabei toll entspannen – Das hat sogar einen wissenschaftlichen Grund erschien zuerst auf Mein-MMO.
