5 Jahre sind seit dem Tiefpunkt von World of Warcraft vergangen. MeinMMO-Dämon Cortyn schaut zurück, wie sich Azeroth verändert hat.
World of Warcraft gibt es inzwischen seit über 21 Jahren. Und seit mindestens 20 davon wurde immer wieder von allen Seiten davon berichtet, dass World of Warcraft „gerade stirbt“. Das war ausnahmslos immer der Fall.
Schon als Paladine zur Horde und Schamanen zur Allianz kamen, wurde der Tod prophezeit.
Die Einführung des „Dungeon Finders“ war dann der nächste Genickschuss, der das Spiel hätte töten sollen.
Auch das Setting von „Mists of Pandaria“ löste viele Diskussionen darüber aus, warum WoW denn so „niedlich“ sein muss.
Das sind nur ein paar Beispiele, bei denen WoW „quasi tot“ war. Zumeist kamen diese Anschuldigungen von ehemaligen Fans, die sich im modernen Spiel nicht wiederfanden und nicht einsehen wollten, dass es für das moderne WoW mit seinen Änderungen auch eine große und oft sogar größere Zielgruppe gibt und man nur selbst nicht mehr dazu gehörte.
Autoplay
Der Tiefpunkt von World of Warcraft
Dabei gab es aber einen einzigen Zeitraum, in dem World of Warcraft wohl wirklich an der Schwelle des Todes kratzte. Im Nachhinein ist es ziemlich ironisch, dass das ausgerechnet die Erweiterung war, die sich thematisch mit dem Jenseits und dem Tod beschäftigt hat: Shadowlands.
Ziemlich genau 5 Jahre ist es nun her, dass Shadowlands erschienen ist – und zu Beginn sah es gar nicht schlecht aus. Shadowlands wurde von tollen „Nachleben“-Cinematics eingeläutet. In der Beta sah der Turm Torghast vielversprechend und spaßig aus. Die Level-Gebiete waren kreativ und toll erzählt.
Shadowlands begann relativ gut. Doch die Fehler und Probleme zeigten sich rasch.
Doch dann kam der brutale Absturz, denn das Endgame von Shadowlands war nicht weniger als die Hölle. In manchen Teilen sogar buchstäblich, denn der „Schlund“ war als Gebiet entwickelt worden, in dem man sich unwohl und ungewollt fühlen sollte – nicht nur geschichtlich, sondern auch durch das Gameplay dort. Ein im Nachhinein irres Konzept, bei dem man schon mal kritisch nachfragen kann, wer das denn für eine gute Idee hielt.
Auch der eigentlich so spannende Turm Torghast wurde mit dem Release drastisch umgebaut. Anstatt optional zu sein, mit dem Spaß im Vordergrund, wurde es schnell zu „Choreghast“ – eine wöchentliche Aufgabe, die man zwingend erledigen musste, wenn man nicht irreversibel zurückfallen wollte.
Immer mehr offenbarte sich auch, dass es keine gute Idee war, Charakter-Macht an Story- und Kosmetik-Entscheidungen zu knüpfen. Ein Pakt gewährte in Shadowlands starke Kräfte, aber man konnte immer nur einem Pakt gleichzeitig angehören. Ein Wechsel war nicht vorgesehen und mit viel Aufwand verbunden. Eine Katastrophe für alle, die mehr als einen Spielinhalt genießen wollten. Denn wenn ein Pakt in Dungeons eine starke Kraft gab, war die im PvP vielleicht gar nicht zu gebrauchen oder in Raids nahezu nutzlos.
Auch die Story stieß vielen sauer auf. Charaktere handelten plötzlich unsagbar dumm oder alte Geschichten wurden entwertet. Fast die ganze Lore von Warcraft sprach man plötzlich den genialen Plänen des Kerkermeisters zu. Ein Meme, das noch bis heute anhält, wenn mal wieder etwas in der Story keinen oder wenig Sinn ergibt.
Garniert wurden diese Probleme dann auch noch mit extrem langen Wartezeiten zwischen den einzelnen Patches. Content-Updates ließen viele Monate auf sich warten und brachten in manchen Fällen keinen Spaß, sondern eines der wohl schrecklichsten Endgame-Gebiete aller Zeiten: Korthia. Ein endloser, seelenloser Grind, der selbst die treuesten WoW-Fans in den Wahnsinn trieb.
Auch auf der Arbeit konnte ich das spüren. Meine WoW-Artikel erreichten immer weniger Leute und das allgemeine Interesse am Spiel schien schlicht nachzulassen.
Wie man es auch dreht und wendet: Shadowlands war der Tiefpunkt von World of Warcraft, obwohl die Gebiete, Dungeons und Raids ansprechend waren. Das Endgame, die Thematik, fragwürdige Entscheidungen, lange Wartezeiten und unfassbar uneinsichtige Entwickler in (viel zu seltenen) Statements lösten damals auch bei mir den Gedanken aus:
Zum ersten Mal könnte World of Warcraft wirklich im Sterben liegen.
Das MMORPG, dem ich bis dahin fast 15 Jahre meiner Lebenszeit gewidmet habe, war nicht nur am kränkeln, sondern gefühlt an einem Abgrund. Eine Frage drängte sich auf:
Ende oder Erneuerung?
Die Kehrtwende des MMORPG-Giganten
Zum Glück wissen wir inzwischen, dass World of Warcraft sich für die Erneuerung entschieden hat. Schon im letzten Patch von Shadowlands, der nach viel zu langer Wartezeit das Gebiet Zereth Mortis brachte, konnte man erste Verbesserungen spüren.
Aber der wirkliche „Turnaround“ begann erst mit Dragonflight. Dort besannen sich die Entwickler auf alte Stärken und wollten gleichzeitig alten Ballast loswerden.
Doch erst in Dragonflight nahm die Entwicklung richtig Fahrt auf. Neue Geschichten wurden gesponnen und gleichzeitig alte Systeme überarbeitet. Das Aufwertungs-System steckte damals noch in den Anfängen, ist inzwischen aber fester Bestandteil des Spiels. Jeder kann zu jeder Zeit an kleinen, individuellen Fortschritten arbeiten – ganz dem eigenen Geschmack entsprechend.
Immer mehr Inhalte sind optional, denn es gibt viele Wege, die zum Ziel führen. Wer die beste Ausrüstung will, muss nicht unbedingt Raids besuchen. Wer keine Lust auf Mythisch+ hat, muss auch dort keinen Fuß hineinsetzen. Crafting erschafft mächtige Gegenstände, besonders engagierte Solo-Helden können auch an gute Rüstung kommen. Und das wohl Beste: Einmal erspielte Inhalte sind auch für alle anderen Charaktere des Accounts zugänglich.
Inzwischen leben wir in einem ganz anderen World of Warcraft als noch vor 5 Jahren. Allein diese kleine Auflistung zeigt, wie krass sich Azeroth verändert hat:
Jede Spezialisierung hat wieder umfassende Talentbäume mit zahlreichen Anpassungsmöglichkeiten.
Accounts haben nun eine Kriegsmeute, die nahezu sämtlichen Fortschritt teilt und Zweitcharaktere angenehmer zu spielen als jemals zuvor macht.
Solo-Spieler bekommen die gleiche Aufmerksamkeit wie Gruppen-Fans, denn neben Dungeons und Raids gibt es nun auch Tiefen.
Es gibt Cross-Faction-Gilden, die sogar serverübergreifend sind.
Wir haben gottverdammtes Housing! Etwas, von dem ich vor 5 Jahren nicht dachte, dass wir es tatsächlich jemals bekommen.
Und ja, diese Erneuerung ist noch nicht abgeschlossen, aber sie geht mit großen Schritten voran. In einigen Wochen startet „Midnight“ und damit verabschiedet sich World of Warcraft von der uralten Tradition von Interface-Addons, die einen Vorteil im Spiel gewähren. Eine kontroverse Entscheidung, doch eine, von der die Entwickler sich viel versprechen. Denn es reduziert die Einstiegshürde in WoW und lässt die Designer endlich wieder Bosskämpfe entwickeln, die nicht sofort von einer WeakAura automatisiert gelöst werden.
Ich bin positiv gestimmt und gespannt auf die Zukunft, die World of Warcraft noch haben wird. Denn wir wissen schon jetzt, dass auch nach „The Last Titan“ noch nicht Schluss sein wird. Neue Erweiterungen sind bereits in der Entwicklung. Wenn Blizzard sich der Community gegenüber auch weiterhin so positiv und verständnisvoll wie in den letzten Jahren zeigt und nicht wieder in die „alte Arroganz“ abrutscht, haben wir die schönsten Jahre in World of Warcraft vielleicht noch vor uns.
Vor 5 Jahren hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass World of Warcraft noch einmal in einem solchen Glanz erstrahlen kann, wie das aktuell der Fall ist. Ich hoffe, dass der Pfad beibehalten wird. Denn es ist ein Spiel, mit dem ich gerne richtig alt werden möchte und das mich noch gerne viele Jahrzehnte lang begleiten darf. Aber so geht es wohl den meisten, die in Azeroth eine zweite Heimat gefunden haben.
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