Ein Item, das niemand sonst in World of Warcraft besitzt und vollkommen übermächtig ist. Ausgerechnet ein Hemd ist es gewesen – und es hat für viel Chaos gesorgt.
In World of Warcraft gibt es viele starke Gegenstände, nach denen sich Heldinnen und Helden sehnen. Doch ein Item in der Geschichte von Blizzards MMORPG war so mächtig, dass es buchstäblich alles töten konnte. Ein einziger Spieler kam in den Genuss dieses Gegenstandes und das bescherte ihm und seiner Gilde viele „World First“-Kills.
Doch der Haken an der Sache: Er hätte dieses Item niemals erhalten dürfen.
Die Geschichte beginnt im Jahr 2008 mit dem Charakter Leroyspeltz. Das war zur Zeit von Wrath of the Lich King. Leroyspeltz war ein aktiver Raid-Spieler in seiner Gilde und es war ein typischer Raidabend – als es plötzlich einen Disconnect gab.
Gerade „früher“ waren Disconnects in World of Warcraft noch vergleichsweise häufig. Mal hatte der Server einen kurzen Aussetzer oder der Router hatte sich neu verbunden. Leroyspeltz versuchte erneut einzuloggen – doch es gelang nicht. Nachdem er sein Passwort mehrfach überprüft hatte, dämmerte ihm dann: Sein Account wurde gehackt.
Nachdem Leroyspeltz eine Zurücksetzung seines Passworts beantragt hatte, stellte er fest, dass sein ganzer Account leergeräumt war – alle Gegenstände auf allen Charakteren waren verkauft worden und das Gold weggeschafft. Damals war das ein ganz typischer Vorfall nach einem Hack. Das Gold wurde dann von den Betrügern wieder an andere Spieler verkauft.
Blizzard konnte in solchen Fällen aber helfen. Nach einem Hack sind die GameMaster mit ein wenig Bearbeitungszeit in der Lage, den Account wiederherzustellen und quasi einen früheren Zustand zu laden. Genau das hoffte Leroyspeltz auch – doch mehrere Wochen geschah nichts.
Einen Patch später, kurz nachdem der Raid Ulduar veröffentlicht wurde, stellte er dann fest, dass all seine Charaktere nun ganz viel Post im Briefkasten hatten. Sämtliche Gegenstände, die er bei dem Hack verloren hatten, waren in Form von Briefen an ihn geschickt worden. So macht Blizzard das üblicherweise – Items landen dann erst im Postkasten und können von dort aus wieder in das Inventar oder direkt an den Charakter sortiert werden.
Ein kleiner Hexenmeister-Twink von Leroyspeltz erhielt dabei jedoch einen Gegenstand, den er nie besessen hatte. Und das war das mächtigste Item, das es in der World of Warcraft jemals gab.
Was ist das für ein Gegenstand? Bei dem Item handelt es sich um „Martin Fury“. Ein Hemd, das ohnehin recht sonderbar ist. Denn das Hemd gehörte zur Kategorie „Platte“, hatte die Seltenheit “Artefakt” und gewährte dem Träger 34 zusätzliches Mana sowie gleichzeitig 34 Stärke – also ein Item, das in seiner Konzeption für Paladine gedacht war.
Allerdings konnte „Martin Fury“ noch mehr. Das Hemd hatte nämlich 100 Aufladungen für einen Benutzen-Effekt:
„Tötet alle Feinde in einem Umkreis von 30 Metern. Cheater.“
“Alle Feinde” meint in diesem Fall wirklich alle Feinde. Auch die stärksten Raidbosse.
Warum gab es so ein Item überhaupt? Das Hemd war in den Spieldaten bereits seit dem Patch 1.12 vorhanden – also der „Vanilla“-Zeit von World of Warcraft. Damals kam es vor, dass einige Entwickler sich ihre eigenen Gegenstände bastelten und es außerdem auch einige Items gab, die niemals für Spieler gedacht waren. Diese dienten dann zu Test-Zwecken oder waren einfach ein Scherz zwischen den Entwicklern.
Es ist wahrscheinlich, dass „Martin Fury“ für genau solche internen Testzwecke benutzt wurde.
World First Kills – und der Bann einer ganzen Gilde
Da das Item direkt von Blizzard aus dem Briefkasten kam, dachte Leroyspeltz, dass es sich dabei um Absicht handeln müsse – quasi als kleine „Entschuldigung“ dafür, dass die Wiederherstellung so lange dauerte. Das Hemd hatte auch nur begrenzte Aufladungen, es wäre also ein temporärer „Bonus“ – und so entschied Leroyspeltz zusammen mit seinem Gildenmeister, das Hemd einzusetzen. Er schickte es an seinen Raid-Charakter und die Gilde stürmte Ulduar, auf der höchsten Schwierigkeit.
Ganze 14-mal wurde das Hemd eingesetzt, um Bosse im Bruchteil einer Sekunde zu töten und sowohl in Ulduar einige „World First“-Kills auf der höchsten Schwierigkeit zu erzielen wie auch einige ältere Bosse im Auge der Ewigkeit und dem Obsidiansanktum zu überwältigen.
Wie genau Blizzard letztlich darauf aufmerksam wurde, ist nicht völlig klar. Zum einen könnte es sein, dass ein internes Tool angesprungen ist, das schlicht bemerkte, dass Bosse viel zu schnell umfielen und eine Gilde schneller Fortschritt erzielte, als menschenmöglich sein sollte. Zum anderen kann es sein, dass Leroyspeltz oder sein Gildenleiter schlicht „verpetzt“ wurden – denn angeblich wussten gar nicht alle Teilnehmer im Raid, dass dieses Item zum Einsatz kam.
Einige sollen ziemlich verwundert darüber gewesen sein, dass die Bosse einfach umfielen und erst an einen Bug gedacht haben.
Die Reaktion von Blizzard kam dann aber und das heftig. Die komplette Gilde wurde für 24 Stunden gesperrt – ganz unabhängig davon, ob einzelne Charaktere an den Raids teilgenommen hatten oder nicht. „Martin Fury“ wurde aus dem Inventar entfernt und der Account des Raidleiters wurde permanent gebannt.
Gibt es „Martin Fury“ noch heute im Spiel? Ja und zugleich Nein. Der Gegenstand existiert noch als Teil der Spieldateien und könnte somit als Teil eines Bugs oder Exploits wieder in die Hände eines Charakter gelangen. Allerdings hat Blizzard den Gegenstand inzwischen angepasst. Das Hemd ist nicht mehr auf Artefakt-Stufe, sondern nur noch grau. Und auch die Wirkung des „Benutzen“-Effekts ist heute gänzlich anders:
„Der Zaubernde begeht Selbstmord und tötet sich sofort.“
Selbst wenn das Item also jemals wieder in den Besitz eines Charakters gelangen sollte, dann würde nur noch eine einzige Kreatur durch den Effekt sterben – der Träger selbst.
Das ist nur eine von vielen kuriosen Geschichten, die sich im Laufe der Jahre in World of Warcraft zugetragen haben – aber sie ist einzigartig, denn das „mächtigste Item von WoW“ hat seither niemand mehr zu Gesicht bekommen.