Die Entwickler von Paradox Interactive gelten bei ihren eigenen Strategiespielen als schwedische Strategie-Genies. Aber als Publisher scheinen sie kein gutes Händchen zu haben. Nach dem Riesen-Flop Lamplighters League und dem schwachen Star Trek Infinite sollte es eigentlich Millennia richten, ein Spiel auf Spuren von Humankind und Civilization 6. Doch beim Release auf Steam am 26.3. hagelt es negative Reviews. Auch die Tests bei Metacritic sind nur mäßig.
Darum hat Paradox Interactive so einen guten Ruf: Paradox Interactive machen seit 30 Jahren eigentlich dieselbe vier Spiele. Es sind aufwändige und hochkomplexe Strategiespiele in einem historischen Setting. Man hat vier Spiele-Reihen, die man seit 30 Jahren regelmäßig neu auflegt und mit Content versorgt:
Crusader Kings spielt im Mittelalter und hat einen starken Rollenspiel-Fokus. Da geht’s zünftig zur Sache. Wir reden von Mord, Pest, Intrigen, Bastarden, Inzest-Kindern und davon, ungläubigen Narren mit dem Morgenstern den Schädel zu spalten
Europa Universalis beginnt mit der Entdeckung Amerikas und endet ungefähr 1800. Das ist noch am ehesten ein klares „Welteroberungs-Spiel“ mit vielen technischen Sonderregeln und hoher Spieltiefe. Man kann mit den Azteken den nahenden Weltuntergang verhindern oder zum Zar von Russland aufsteigen – die Welt ist riesig.
Victoria beginnt ungefähr mit dem Bürgerkrieg in der USA und dauert bis zum 2. Weltkrieg an. Hier geht es viel um Wirtschaft, Infrastruktur und Politik – das ist wahrscheinlich das „trockenste und technischste“ ihrer Spiele
Hearts of Iron ist dann die große Kriegs-Simulation mit Fokus auf Militär und Strategie
Daneben hat Paradox mit dem SF-Epos Stellaris und dem unterschätzten Imperator: Rome noch weitere Strategie-Perlen im Angebot.
Mit all diesen Spielen und einer hohen Community-Nähe haben sich die Schweden über 30 Jahre lang einen starken Ruf aufgebaut. Fans schwärmen davon, wie schwer die Spiele von Paradox sind und dass man sie nie durchspielt. Zwar wird ab und an gemeckert, dass sich Paradox die DLCs und Unterstützung ihrer Spiele mittlerweile ordentlich bezahlen lässt und es Jahre dauert, bis neue Spiele auch nur ansatzweise so viele Features wie die Vorgänger haben, aber grundsätzlich ist die Welt hier in Ordnung.
Autoplay
Eine Reihe von Flops als Publisher lastet auf Paradox
Was ist das Problem? Als Publisher scheint Paradox aber glücklos zu agieren:
Lamplighters League wirkte wie „Was passiert, wenn wir X-Com mit Indiana Jones kreuzen?“ Mit dem Ergebnis, dass man einen großen Flop produziert
Die todsichere Idee „Wir machen Stellaris mit einem Star Trek“-Skin ging auch schief
Und jetzt scheitert auf Steam gerade „Wir machen was wie Civilization, aber anders“ – obwohl Millennia in der Demo beim Steam-Next-Festival so gut aussah und im Vorfeld einige Strategie-Experten begeistern konnte.
Das ist das neue Spiel: Das neue Game Millennia, das Paradox vertreibt, sollte eigentlich eine clevere Variante von Civilization werden, mit eigenen Spins, etwa verschiedenen Zeitaltern und einem Fokus auf Gebiets-Verbesserungen und Produktions-Ketten.
In Tests der Fachpresse hat das Spiel aber nur mäßig abgeschnitten. Es steht auf Metacritic bei 67 %.
Auf Steam gibt es jetzt die nächste Packung: Auch hier erreicht Millennia nur „Ausgeglichene Bewertungen“ mit 62 %.
Reviewer auf Steam wollen Millennia mögen, aber können es einfach nicht
Was ist jetzt bei Millennia das Problem? Auch wenn viele das Spiel unbedingt mögen möchten und Millennia attestierten, dass es einige frische Ideen bringt, wird dem Spiel vorgeworfen, noch unfertig und roh erschienen zu sein.
Vor allem, dass ein Multiplayer-Modus zwar angekündigt wurde, aber noch fehlt, stößt vielen sauer auf. Ein ähnliches Problem konnte man Paradox schon bei City Skylines 2 vorwerfen. Beim Städte-Bau hatten die Entwickler selbst vom Zustand des Spiels zum Release gewarnt.
Für 40 € erwarten Steam-Käufer ein fertiges Spiel, wenn sie Millennia kaufen, sagen viele. Und nicht ein Game, bei dem essenzielle Features fehlen und das so unpoliert wirkt, dass es sich nicht mal die Settings für einen Schnellstart merkt.
Dem Spiel wird auch zum Verhängnis, dass einige YouTuber es im Vorfeld gehypt haben und viele im Genre eine Alternative zu Civilization oder Humankind erwartet hätten.
Es fehlen 3 Monate und 5 Patches, um dieses Schlamassel zu lösen
Wie sehen wir das? Ich, Schuhmann von MeinMMO, bin ein großer Fan der Paradox-Spiele. Ich spiel’ die Games seit mehr als 20 Jahren, hab tauende Stunden mit Crusader Kings, Victoria, Europa Universalis und Stellaris verbracht. Ich hab auch für MeinMMO die letzten Paradox-„Flops“, Lamplighters League und Star Trek Infinite getestet:
Das „Star Trek“-Ding fand ich wirklich misslungen
bei Lamplighters League war es einfach das falsche Spielkonzept zur falschen Zeit, obwohl das Game mit viel Liebe gemacht war.
Millennia ist jetzt ein Spiel klar für „Genre-Fans“, ich hab zu Release sofort 8 Stunden am Stück versenkt.
Ich finde es sehr schade, dass so eine Hoffnung für das Genre einen derart holprigen Release hinlegt und wegen vermeintlichen Kleinigkeiten verrissen wird. Das ist kein schlechtes Spiel – es fehlen grade einfach nur 3 Monate Arbeit, ein besseres Kampfsystem und 5 Patches – dann reden wir hier von einem Spiel, das nicht 67 % holt, sondern in die 90er hineingeht.
Die Kritik von IGN, nach Humankind und Millennia wolle man nur “wieder Civilization V” spielen, teile ich überhaupt nicht. Ich hab mich wie viele andere an Civilization satt gespielt und will was Neues im Genre. Humankind und Millennia sind beide legitime Alternativen zu Civilization, die das Genre dringend braucht.
Das Genre leidet ohnehin darunter, dass alle dem 25 Jahre alten “Alpha Centauri” nachtrauern, weil es der SF-Epos als einziges 4x-Spiel hinbekommen hat, eine gute Story zu erzählen.
Millennia wird berechtigt abgestraft, aber es ist trotzdem so schade
Wird Millennia berechtigterweise verrissen? Sowas wie „Features, die zum Release nicht fertig sind“ ist bei Strategiespielen mittlerweile ein Unding geworden und wird berechtigterweise abgestraft. Mit Millennia und Paradox trifft es aber zwei Ziele, denen man so eine harsche Abfuhr eigentlich nicht wünscht.
Aber letztlich müssen Entwickler und Publisher wissen, dass bei einem derartig schwachen Zustand, in dem das Spiel erschienen ist, genauso eine Abreibung kommt und sie müssen es willentlich in Kauf nehmen.
Da haben sich die Strategie-Genies in ihrer Strategie vielleicht verzockt. Bei solchen mittelmäßigen Reviews auf Metacritic und Steam scheint der nächste Flop vorprogrammiert zu sein.
Auch wenn es mir wie vielen Reviewern auf Steam geht: Die Kritik am Spiel, die man im Moment objektiv äußern muss, tut einem selbst weh.
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